OLG Frankfurt vom 21.11.2000 (3 UF 282/99)

Stichworte: Anhörung, Scheidungsverfahren
Normenkette: ZPO 613, 539
Orientierungssatz: Zur Notwendigkeit der Anhörung im Scheidungsverfahren; Aufhebung und Zurückverweisung

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Remlinger, die Richterin am Oberlandesgericht Diehl und den Richter am Amtsgericht Schwamb aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2000 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main, Abteilung Höchst, vom 26.8.1999 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 4.000,-- DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO. Das Verfahren leidet unter einem wesentlichen Mangel, da das Amtsgericht es unterlassen hat, den Antragsteller gemäß § 613 ZPO persönlich anzuhören.
BR Zutreffend geht das Amtsgericht bei seiner Entscheidung davon aus, daß jugoslawisches Recht, speziell serbisches Recht, zur Anwendung kommt, da beide Parteien serbische Staatsangehörige sind. Gemäß Artikel 83 des für Serbien Anwendung findenden Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 22.4.1980 i. d. F. vom 30.5.1994 setzt die Ehescheidung voraus, daß die Ehebeziehungen ernsthaft und dauerhaft zerüttet sind.
BR Die Antragsgegnerin hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren vehement bestritten, daß diese Voraussetzung vorliegt. Sie hat hierzu substantiiert unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ausgeführt, daß der Antragsteller nicht geschieden werden wolle. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin reicht es nicht aus, daß das Amtsgericht sich in seiner angefochtenen Entscheidung für die Feststellung der Zerrüttung auf die vorgelegte Bestätigung des früheren Betreuers bezieht, wobei aus dieser Bestätigung noch nicht einmal hervorgeht, wann zuletzt der Antragsteller geäußert hat, daß er geschieden werden möchte. Es reicht darüber hinaus auch nicht aus, daß Bezug genommen wird auf das Anhörungsprotokoll vom 18.8.1998, das im Rahmen des Betreuungsverfahrens gefertigt wurde. Bereits aus dem Datum des Anhörungsprotokolls ergibt sich, das dieses nicht zeitnah erstellt ist und daher keine Aussage über den derzeitigen Willen des Antragstellers enthält.
BR Um die Scheidungsvoraussetzungen nach Artikel 83 des Gesetzes über die Ehe und Familienbeziehungen vom 22.4.1980 festzustellen, hätte es der persönlichen Anhörung des Antragstellers gemäß § 613 ZPO zwingend bedurft. Diese Vorschrift kommt auch zur Anwendung, da sich die Ehescheidung zwar materiell nach serbischem Recht richtet, jedoch das deutsche Verfahrensrecht Anwendung findet.
BR Soweit das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dem Antragsteller sei es aufgrund seiner Erkrankung nicht zuzumuten, nach Frankfurt zu reisen, um an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen, vermag dies nicht den Verzicht auf die gemäß § 613 ZPO als Regelfall vorgesehenen persönlichen Anhörung zu begründen. Die Richterin hätte den Antragsteller nämlich an seinem damaligen Wohnort in Friedrichsdorf persönlich aufsuchen und mit ihm sprechen können.
BR Daß eine Verständigung mit dem Antragsteller und damit eine persönliche Anhörung möglich ist, ergibt sich aus dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien, wonach der Antragsteller zwar nicht mehr sprechen, sich jedoch mit ja und nein und mit Gesten verständlich ausdrücken kann.
BR Die Durchführung der persönlichen Anhörung ist nunmehr auch nicht dadurch unmöglich geworden, daß der Antragsteller wieder dauerhaft in Serbien lebt. Hier kann der Antragsteller im Wege der Rechtshilfe angehört werden.
BR Da somit eine persönliche Anhörung des Antragstellers erforderlich und auch möglich war und ist, stellt das Absehen hiervon und der Rückgriff auf Zeugen zur Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen einen erheblichen Verfahrensmangel gemäß § 539 ZPO dar, so daß die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist.
BR Im Rahmen der neuen Entscheidung wird das Amtsgericht auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben.
BR In Ermangelung abweichenden Vorbringens der Parteien sowie abweichender Anhaltspunkte in den Akten war der Streitwert für das Berufungsverfahren gemäß § 12 Abs. 2 GKG auf 4.000,-- DM festzusetzen.

Remlinger Schwamb Diehl