OLG Frankfurt vom 12.04.2011 (3 UF 25/11)

Stichworte: Beschwerde; einstweilige Anordnung; elterliche Sorge; mündliche Erörterung;
Normenkette: FamFG 32, 57 S1, S 2 Nr. 1, 157
Orientierungssatz:
  • Die mündliche Erörterung nach §§ 32, 157 FamFG setzt einen Termin voraus, zu dem alle Beteiligten des Verfahrens geladen werden müssen.
  • Hiervon zu unterscheiden sind die gesetzlich vorgesehenen persönlichen Anhörungen einzelner Verfahrensbeteiligter gemäß §§ 159 und 160 FamFG.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 17.01.2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Königstein im Taunus vom 16.12.2010 am 12. April 2011 beschlossen:

    Die Beschwerde wird verworfen

    Von der Erhebung gerichtlicher Gebühren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten werden nicht auferlegt.

    Der Beschwerdewert wird auf 1.500 € festgesetzt.

    Der Beteiligten zu 1) wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

    Gründe:

    I.

    Die Beteiligte zu 1) ist die am 08.10.1993 geborene Tochter der Beteiligten zu 2) und 3). Die Ehe der Eltern ist geschieden. Der Vater lebte mit beiden aus der Ehe stammenden Kindern in der Schweiz, er übt das Sorgerecht für die Beteiligte zu 1) allein aus. Die Kindesmutter ist wiederverheiratet und lebt in Norddeutschland. Die Beteiligte zu 1) ist mehrfach von zu Hause weggelaufen, erstmals im August 2010. Sie hielt sich im Raum Frankfurt am Main bei Personen auf, die sie im Internet in der Spielwelt „world of warcraft“ kennengelernt hatte. Nach einer Rückführung in die Schweiz kehrte die Beteiligte zu 1) nicht in den Haushalt des Kindesvaters zurück, sondern in eine Pflegestelle, von der sie sich wiederum entfernte. Nach erneuter Rückführung in die Schweiz, bei der ein Internatsaufenthalt angedacht war, hält sie sich seit November 2010 erneut in der Bundesrepublik Deutschland auf. Mit Schreiben vom 09.11.2010 machte der beauftragte Rechtsanwalt der Beteiligten zu 1) eine Gefährdungsanzeige an das Amtsgericht Bad Homburg, der er ein Schreiben der Jugendlichen beifügte, in welchem diese ausführlich ihre Situation in der Schweiz schilderte. Zu den Einzelheiten der Darstellung der Beteiligten zu 1) wird auf Bl. 3 ff d. A. Bezug genommen.

    Das Verfahren wurde als einstweilige Anordnung an das Amtsgericht Königstein abgegeben. Das Amtsgericht nahm zu den Eltern und den Sozialbehörden in der Schweiz sowie dem Jugendamt des Hochtaunuskreises Kontakt auf und hörte die Jugendliche am 16.12.2010 im Beisein eines Mitarbeiters des Jugendamtes Bad Homburg an. Zu den Einzelheiten der Anhörung wird auf den Vermerk vom 16.12.2010 (Bl. 61 d. A.) verwiesen.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.12.2010 stellte das Amtsgericht Königstein fest, dass Maßnahmen zur Regelung des Sorgerechts nicht veranlasst sind. Insoweit wird die angefochtene Entscheidung (Bl. 62 ff d. A.) in Bezug genommen.

    Mit Schreiben, per Telefax bei dem Amtsgericht am 21.12.2010 eingegangen, beantragte die betroffene Jugendliche aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden. Mit Schreiben des Gerichts vom 22.12.2010 wurde der Beteiligten zu 1) anheim gestellt, Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen, da eine Erörterung mit ihr stattgefunden habe und mit ihren Eltern nicht geboten gewesen sei, da keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls vorgelegen hätten. Mit Schreiben vom 10.01.2011, bei Gericht eingegangen am 17.01.2011, legte die Beteiligte zu 1) sodann Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.12.2010 ein.

    II.

    Der Senat hat gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG nach entsprechendem Hinweis ohne mündliche Verhandlung entschieden.

    Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 68 Abs. 2 FamFG). Denn das Rechtsmittel ist - worauf der Senat hingewiesen hat - wegen § 57 S. 1 FamFG nicht statthaft. Die diesbezügliche Ausnahme des § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG ist nicht einschlägig, weil das Familiengericht den angefochtenen Beschluss nicht auf Grund mündlicher Erörterung erlassen hat.

    Gemäß § 57 S1, S 2 Nr. 1 FamFG sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen nicht anfechtbar; es sei denn das Gericht erster Instanz hat aufgrund mündlicher Erörterung über die elterliche Sorge für ein Kind entschieden. Die mündliche Erörterung nach §§ 32, 157 FamFG setzt einen Termin voraus, zu dem alle Beteiligten des Verfahrens geladen werden müssen. Mit ihnen und dem Jugendamt sollen die Situation des Kindes, die Gefahren für sein Wohl und die Möglichkeiten zur Abwendung erörtert werden. Hiervon zu unterscheiden sind die gesetzlich vorgesehenen persönlichen Anhörungen einzelner Verfahrensbeteiligter gemäß §§ 159 und 160 FamFG. Neben den Erörterungspflichten nach §§ 155, 157 FamFG bestehen die Pflichten zur persönlichen Anhörung der Eltern, die sich nach der Grundvorschrift des § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG richtet und in erster Linie der Feststellung des Sachverhalts und der Gewährung rechtlichen Gehörs dient vgl. Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 157 RN 1). Das Amtsgericht hat zwar die Beteiligte zu 1) persönlich angehört, ein Termin zur Erörterung der Angelegenheit nach § 32 FamFG mit allen Verfahrensbeteiligten und dem Jugendamt fand indes nicht statt. Das Familiengericht hat nun zu klären, ob die Beteiligte zu 1), die auf den Hinweis des Senats vom 18.03.2011 nicht mehr reagiert hat, ihren Antrag, aufgrund mündlicher Erörterung erneut zu entscheiden, aufrecht erhält.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 S. 2 FamFG.

    Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 40, 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

    Der Beteiligten zu 1) war die für die Beschwerdeinstanz nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde zu versagen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO).

    Grabowski Reitzmann Kummer-Sicks