OLG Frankfurt vom 13.04.2000 (3 UF 234/99)

Stichworte: Wiedereinsetzung, Büroorganisation, Fristenkalender, Anwaltsverschulden
Normenkette: ZPO 233, 85, 621e, 519
Orientierungssatz: Die vom Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers nach dessen Vorbringen erfolgte Handhabung impliziert eine erhebliche Fehlerquelle dadurch, daß die ursprünglich notierte Frist gelöscht wurde, ohne daß die neue verlängerte Frist im Terminkalender notiert wurde. Dadurch wird aus dem Fristenkalender nicht erkennbar, daß in der Sache weitere Fristen zur Wahrung der Zulässigkeitsvoraussetzung zu beachten sind.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die befristete Beschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Bad Homburg v. d. H. vom 14.7.1999 am 13.4.2000 beschlossen:

Dem Antragsteller wird die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist versagt.

Die befristete Beschwerde gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Bad Homburg vor der Höhe vom 14.7.1999 wird verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten der zweiten Instanz gem. § 97 ZPO zu tragen.

Beschwerdewert: 20.568,- DM (§ 17a GKG)

Gründe

Mit Urteil vom 14.7.1999 entschied das Amtsgericht -Familiengericht- Bad Homburg v. d. H. über den Zugewinnausgleich der Parteien und führte zugleich den Versorgungsausgleich durch. Gegen dieses ihm am 22.7.1999 zugestellte Urteil legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23.8.1999, eingegangen am gleichen Tag, Berufung ein, wobei er mit Schriftsatz vom 8.11.1999 klarstellte, daß sich das Rechtsmittel lediglich auf die Entscheidung zum Versorgungsausgleich bezieht. Mit Schriftsatz vom 20.9.1999 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Begründungsfrist, die ihm am 22.9.1999 bis zum 25.10.1999 bewilligt wurde.

Mit Schriftsatz vom 8.11.1999 hat der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt und diesen Antrag damit begründet, daß die im Büro seines Prozeßbevollmächtigten hierfür zuständige Mitarbeiterin versehentlich die von seinem Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß verfügten Fristen nicht im Fristenkalender notiert habe. Zugleich hat der Antragsteller seine befristete Beschwerde gegen die Versorgungsausgleichsentscheidung begründet.

Die Antragsgegnerin ist dem Wiedereinsetzungsgesuch entgegengetreten und hat zugleich beantragt, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

Die befristete Beschwerde ist kostenpflichtig (§ 97 ZPO) als unzulässig zu verwerfen, da die Begründung nicht innerhalb der Frist des § 519 ZPO, auf den § 621e ZPO verweist, erfolgt ist.

Soweit der Antragsteller Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt hat, ist diesem Gesuch nicht zu entsprechen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gemäß § 233 ZPO voraus, daß eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert ist die Frist wahrzunehmen. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht dabei das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.

Im vorliegenden Fall liegt auf Seiten des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers ein Organisationsverschulden vor, soweit die Fristenkontrolle, und hier insbesondere die Fristlöschungen betroffen ist.

Nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers war die ursprüngliche Begründungsfrist zum 23.9.1999 ordnungsgemäß im zentralen Terminkalender notiert worden. Am 20.9.1999 beantragte er die Fristverlängerung. Da der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers im Zeitraum vom 22. - 26.9.1999 abwesend war, wurde die im Büro tätige Rechtsanwältin X. zur Vertreterin amtlich bestellt. Während der Abwesenheit des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers wurde ein Telefonat mit dem Senat bzw. der Geschäftsstelle des Senats geführt, wobei nicht klargestellt ist, wer dieses Telefonat geführt hat. Nachdem so telefonisch die Fristverlängerung abgefragt wurde, wurde dann im zentralen Fristenkalender die ursprünglich notierte Frist als erledigt abgehakt. Frau Rechtsanwältin X. hatte die Verlängerung der Begründungsfrist überprüft und die Akten sodann dem Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers an deren 2. Arbeitstag zur weiteren Veranlassung vorgelegt. Nachdem am 27.9.1999 die schriftliche Verlängerungsnachricht eingegangen war, hat dieser die Fristen verfügt, die jedoch dann trotz Verwendung einer roten Mappe aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen von der Mitarbeiterin des Prozeßbevollmächtigen des Antragstellers nicht in den Fristenkalender eingetragen wurden.

Die vom Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers nach dessen Vorbringen erfolgte Handhabung impliziert eine erhebliche Fehlerquelle dadurch, daß die ursprünglich notierte Frist gelöscht wurde, ohne daß die neue verlängerte Frist im Terminkalender notiert wurde. Dadurch wird aus dem Fristenkalender nicht erkennbar, daß in der Sache weitere Fristen zur Wahrung der Zulässigkeitsvoraussetzung zu beachten sind. Eine entsprechende Kontrollmöglichkeit anhand des Fristenkalenders entfällt damit, was die sich auch im vorliegenden Fall realisierte Gefahr mit sich bringt, daß Fehler bei der Notierung der Fristverlängerung nicht bemerkt werden. Ausgehend von dieser potentiellen Fehlerquelle entspricht es allgemeiner Meinung, daß Fristlöschungen nur dann erfolgen dürfen, wenn die vorzunehmende Maßnahme tatsächlich durchgeführt ist (Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 21. Aufl., Rdnr. 23, Stichwort Ausgangskontrolle, zu § 233 mit weiteren Nachweisen). Entsprechend darf bei Fristverlängerungen die zunächst eingetragene Frist erst gelöscht werden, wenn gleichzeitig die verlängerte Frist im Fristenkalender und in der Handakte eingetragen wird (Büttner, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 31 zu § 7, S. 110,111 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs in der Sammlung amtlich nicht veröffentlichte Entscheidungen des BFH 1993, 550). Wäre im vorliegenden Fall die ursprünglich notierte Frist nicht kurzerhand auf Grund des Telefonates mit dem Senat bzw. der Geschäftsstelle des Senats ersatzlos als erledigt abgehakt worden, hätte anhand des Fristenkalenders festgestellt werden können, daß hier eine Erledigung noch nicht eingetreten ist, und die fehlerhafte Nichtnotierung der später vom Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers verfügte Frist hätte bemerkt werden können. Soweit sich der Antragsteller zur Stützung der Ansicht, eine verlängerte Frist müsse nur alsbald vermerkt werden, auf die Entscheidung des BGH VersR 1999, 1171f. beruft, verkennt er, daß der BGH hier gerade die die doppelte Kontrollfunktion der schon bei der ersten Prozeßhandlung einzutragenden Frist für die Begründung herausstreicht und die entsprechende Erfordernis an die Büroorganisation bestätigt. Diese Fristnotierung ist anhand des Rücklaufs vom Gericht auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren. Wie bei der Berufungseinlegung ist daher auch bei der Anbringung eines Begründungsfristverlängerungsantrages die neue Begründungesfirst zu notieren.
BR Der Antragsteller hat insoweit nicht vorgetragen, daß es sich bei der Fristlöschung der zunächst notierten Frist vor Eintragung der verlängerten Frist um ein einmaliges Versehen des Büropersonals gehandelt hat und entsprechende gegenteilige Anweisungen bestehen. Hierzu hätte jedoch Gelegenheit bestanden, nachdem mit Schreiben des Senats vom 4.1.2000 um Mitteilung gebeten wurde, wann die ursprünglich notierte Frist gelöscht wurde. Damit ist davon auszugehen, daß hier keine einmalige Fehlleistung der Mitarbeiterin des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers gegeben ist, sondern es sich um ein Organisationsverschulden bei der Überwachung und Anordnung von Fristlöschungen handelt, die dem Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers zuzurechnen ist. Dieses wirkt sich, wie bereits dargestellt, gemäß § 85 Abs. 2 ZPO auch zu Lasten des Antragstellers aus, so daß die Wiedereinsetzung wegen fehlendem Verschulden an der Versäumung der Frist nicht in Betracht kam.

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