OLG Frankfurt vom 02.09.1999 (3 UF 209/99)

Stichworte: Unterhaltsbestimmung Zuständigkeit Übergangsvorschriften
Normenkette: KindRG ÜbergVorschr Art 15 Par. 1 Abs 1, 2 S. 1, Par. 3
Orientierungssatz: Für das Verfahren (der Unterhaltsbestimmung nach § 1612 BGB), das auch nach Verkündung des KindRG eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrifft und für das die Familiengerichte nunmehr zuständig sind, gelten nach dem aufgrund des Art 15 1 Abs 1, 2 Satz 1, 3 Übergangsvorschriften zum KindRG anwendbaren §§ 64 Abs. 3 Satz 1 FGG grundsätzlich die Vorschriften des Zweiten und Dritten Abschnitts im Sechsten Buch der ZPO..... Unverändert ist davon auszugehen, daß die Unterhaltsbestimmung nicht als Ausfluß des Erziehungs- bzw Sorgerechts anzusehen ist, sondern als Ausfluß der durch Verwandtschaft begründeten gesetzlichen Unterhaltspflicht ( § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Hieran hat die Zuständigkeitsverschiebung nichts geändert, denn die Bestimmung ist in erster Linie für volljährige Kinder von Bedeutung, gegenüber denen kein Erziehungsrecht mehr besteht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerden der Antragsgegner vom 27.7.1999 und 11.8.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Vormundschaftsgericht - Frankfurt am Main vom 2.7.1999 am 02. September 1999 beschlossen:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragsgegnern als Gesamtschuldner auferlegt ( § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG).

Beschwerdewert: DM 5.000,- ( § 94 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 30 Abs. 2 KOSTO).

G R Ü N D E

Der am 7.1.1964 geborene Antragsteller ist Sohn der Antragsgegner aus deren geschiedener Ehe. Nach dem Abitur begann er in der Universität in Frankfurt am Main ein Studium der Amerikanistik und war gleichzeitig in verschiedenen Bereichen beruflich tätig. Nach dem Erwerb zweier Eigentumswohnungen in Bad Homburg vor der Höhe, von denen er eine selbst bewohnte, zog er in dem Zeitraum 1994/1995 in eine Wohngemeinschaft in Frankfurt am Main um. Das Studium gab er im Jahre 1995 ohne Abschluß auf. Nachdem er im Jahre 1996 wegen fehlender Einkünfte beim Sozialamt der Stadt Frankfurt am Main Sozialhilfe beantragt hatte, wurde ihm von der wegen Unterhalts in Anspruch genommenen Antragsgegnerin zu 1) für den Fall bestehender Bedürftigkeit Naturalunterhalt durch Wohnungsgewährung angeboten. Unter dem 18.12.1996 wurde dem Antragsteller von der Stadt Frankfurt am Main nahegelegt wurde, entweder dieses Angebot anzunehmen oder einen Abänderungsantrag nach 1612 Abs. 2 BGB zu stellen.

Am 19.3.1997 stellte der Antragsteller Abänderungsantrag beim Vormundschaftsgericht Frankfurt am Main.

Der Antragsteller stützte seinen Antrag zum einen auf seinen Gesundheitszustand, der ein gemeinsames Wohnen mit einem der Elternteile ausschließe. Nach dem Inhalt der vorgelegten Atteste leidet er an Angstzuständen und basalen Depressionen mit Anorexa nervosa. Er befand sich zeitweise in der Fachklinik Hofheim in stationärer Behandlung und befindet sich weiterhin in ambulanter psychoanalytischer Behandlung und medikamentöser Therapie. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der ärztlichen Atteste und Bescheinigungen vom 26.11.1996 (Dr. Winter-Apsel), 4.2.1997 (Dr. Kunstreich-Grißmer), 8.2.1997 (A. Menninger), 13.10.1998 (Dr. Winter-Apsel) und 11.1.1999 (A. Menninger) Bezug genommen.

Zum anderen macht er geltend, daß die Beziehungen zu den Eltern völlig zerrüttet seien. Insoweit nimmt er u.a. Bezug auf die von seiner Mutter durchgeführte Zahlungklage vor dem LG Frankfurt am Main (Az 2/25 O 309/96), die zu einem Versäumnisurteil über 63.200,45 DM führte, und auf das von seinem Vater gegen ihn veranlaßte Strafverfahren (Az 770 Js 38883.56/96), daß in der Verhandlung vom 5.10.1998 mit einer Einstellung nach 153 StPO endete.

Beide Antragsgegner haben vorgetragen, daß sie eine Unterhaltsbedürftigkeit bestreiten, gegebenenfalls aber Unterhalt jeweils durch Wohnungsgewährung leisten würden. Im übrigen haben sie sich in einem ausführlichen Bericht vom 10.9.1998 im einzelnen zu der Entwicklung des Antragstellers und zu den bestehenden Beziehungen geäußert. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bericht Bezug genommen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat der Rechtspfleger beim Vormundschaftsgericht durch den angefochtenen Beschluß vom 2.7.1999 festgestellt, daß die Antragsgegner verpflichtet sind, an den Antragsteller Unterhalt in Geld zu leisten. Auf den Inhalt des Beschlusses wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Antragsgegner mit ihren Beschwerden, indem sie geltend machen, dem Antragsteller sei, soweit überhaupt eine Bedürftigkeit bestehe, die Entgegennahme von Naturalunterhalt zumutbar. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeschriften Bezug genommen.

Die Beschwerden sind zulässig.

Nach Art 15 1 Abs. 2 Satz 1, 3 Übergangsvorschriften zum KindRG in Verbindung mit §§ 64 Abs. 3 FGG, 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG ist die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Beschwerden begründet.

Das Verfahren auf Abänderung der Unterhaltsbestimmung nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB war nach dem bis zum 1.7.1998 geltenden Recht ein vor den Vormundschaftsgerichten durchzuführendes FGG-Verfahren ( § 43 FGG), für das nach dem seit 1.7.1998 geltenden Recht die Familiengerichte zuständig sind.

Unverändert ist davon auszugehen, daß die Unterhaltsbestimmung nicht als Ausfluß des Erziehungs- bzw Sorgerechts anzusehen ist, sondern als Ausfluß der durch Verwandtschaft begründeten gesetzlichen Unterhaltspflicht ( § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Hieran hat die Zuständigkeitsverschiebung nichts geändert, denn die Bestimmung ist in erster Linie für volljährige Kinder von Bedeutung, gegenüber denen kein Erziehungsrecht mehr besteht. In solchen Verfahren nach 621 Abs. 1 Nr.4 ZPO, die vor dem 1.7.1998 anhängig wurden und in denen die erstinstanzliche Entscheidung des Vormundschaftsgerichts nach dem 1.7.1998 verkündet wurde, richtet sich die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel nach den Vorschriften, die für die von den Familiengerichten entschiedenen Sachen gelten (Art 15 1 Abs 1, 2 Satz 1, 3 Übergangsvorschriften zum KindRG).

Die Zulässigkeit der gegen die Abänderung der Unterhaltsbestimmung gerichteten Beschwerde folgt aus § 621 e ZPO.

Für das Verfahren, das auch nach Verkündung des KindRG eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrifft und für das die Familiengerichte nunmehr zuständig sind, gelten nach dem aufgrund des Art 15 1 Abs 1, 2 Satz 1, 3 Übergangsvorschriften zum KindRG anwendbaren §§ 64 Abs. 3 Satz 1 FGG grundsätzlich die Vorschriften des Zweiten und Dritten Abschnitts im Sechsten Buch der ZPO.

Eine für die Anwendbarkeit des FGG notwendige Rückverweisung enthält § 621a ZPO für die dort aufgezählten Verfahren. Allerdings umfaßt dieser Katalog nicht alle durch die Gesetzesänderung auf die Familiengerichte übertragenen FGG-Verfahren, insbesondere fehlt eine Einbeziehung der Familiensachen, die die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen ( § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

Gleiches gilt für die im Zweiten Abschnitt im Sechsten Buch der ZPO enthaltene Sondervorschrift des 621 e ZPO für Rechtsmittel in FGG-Verfahren. Auch der Katalog dieser Vorschrift enthält keine Nennung des § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Daß dies entgegen der Ansicht des OLG Köln (FamRZ 1999, 734) nicht automatisch zur Anwendbarkeit des § 19 FGG führen kann, folgt bereits daraus, daß hierfür zumindest die Rückverweisung des § 621 a ZPO diese Verfahren nennen müßte.

Sachliche Gründe für das Fehlen einer Rückverweisung bzw einer Einbeziehung in die Rechtsmittelvorschrift sind nicht ersichtlich. Sinn und Zweck der Zuständigkeitsänderung durch das KindRG war es nicht, diese Verfahren aus dem Kreis der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit heraus zu lösen bzw für Entscheidungen in diesen Verfahren keine Rechtsmittel mehr vorzusehen. Im Gegenteil war es nach der Begründung des Entwurfs des KindRG der ausdrückliche Wille, die bestehende Einbettung der in die Zuständigkeit der Familiengerichte übernommenen Verfahren in die jeweiligen Verfahrensordnungen der ZPO und des FGG beizubehalten. Hiermit sollte erreicht werden, daß diese Verfahren weiterhin, unter Einbeziehung in den bislang schon für die Familiensachen geltenden Verfahrensrahmen der § 621 a bis 621 e ZPO, nach dem der Praxis vertrauten Verfahrensrecht abgewickelt werden. Auf ein neues einheitliches Familienverfahrensrecht wurde im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich verzichtet. Auf dieser Grundlage muß davon ausgegangen werden, daß die fehlende ausdrückliche Einbeziehung des § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bzw zumindest des 1612 Abs. 2 BGB in die §§ 621 a, 621 e ZPO eine versehentliche Regelungslücke darstellt.

Zur Schließung dieser Lücke bedarf es der am Normzweck und den Geboten der Prozeßökonomie orientierten entsprechenden Gesetzesanwendung. Eine solche Analogie ist auch im Prozeßrecht grundsätzlich zulässig. Der Senat knüpft hierbei an die Regelungen der §§ 621 a, 621 e ZPO an. Zwar handelt es sich bei diesen Vorschriften um Ausnahmenormen, es ist aber anerkannt, daß auch Ausnahmeregelungen analogiefähig sind, soweit ihnen ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde liegt (vgl Zöller, ZPO, Einl. Rn 97 m.w.N.). Hiervon ist auszugehen.

Durch die Rückverweisung des § 621 a ZPO sollte sichergestellt werden, daß für die aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit herrührenden Verfahren grundsätzlich die Verfahrensordnung des FGG Anwendung finden sollte, soweit sich aus dem GVG und der ZPO keine Besonderheiten ergeben.

Desweiteren sollten durch die Sondervorschrift des § 621 e Abs.1 ZPO die §§ 19 ff FGG für das Rechtsmittel verdrängt werden. Der aus den Gesetzesmaterialien abzuleitende Zweck dieser Norm besteht darin, für alle diejenigen Entscheidungen, die für das Verfahren in der Instanz insgesamt oder bezüglich eines abtrennbaren Teils abschließende Endentscheidungen sind, die Beschwerde berufungsähnlich auszugestalten, um sie der Berufung gegen Endurteile in Ehesachen und anderen zivilprozessualen Familiensachen zum Zwecke der Vereinheitlichung des Rechtsmittelverfahrens in Familiensachen möglichst anzugleichen (BGH NJW 1979, 39; 821). Demgegenüber soll die Anwendbarkeit des § 19 FGG auf sogenannte Zwischen- oder Nebenentscheidungen beschränkt bleiben.

Da es sich bei dem Verfahren nach § 1612 Abs. 2 BGB unverändert um ein FGG-Verfahren handelt und dieses Verfahren durch eine Endentscheidung abgeschlossen wird, gebietet sich eine entsprechende Anwendung der §§ 621 a und 621 e ZPO. Hierdurch wird die Einheitlichkeit dieses Verfahrens mit den neuen FGG-Familiensachen hergestellt, für die wegen ihrer inhaltlichen Zugehörigkeit zum Recht der elterlichen Sorge gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - wie beispielsweise das Verfahren zur Ersetzung der Einwilligung bei der Namenserteilung nach 1618 Satz 4 BGB (vgl. Beschluß des Senats vom 9.8.1999, Az 3 UF 132/99) oder das Verfahren zur Verbleibensanordnung nach 1632 Abs. 4 BGB (vgl. Beschluß des Senats vom 30.8.1999, Az 3 UF 43/99) - ohnehin die 621 a und 621 e ZPO anwendbar sind (so im Ergebnis auch Künkel, Neue Zuständigkeiten des Familienrechts ab 1.7.1998, FamRZ 1998, 877, 878, der ebenfalls als Hauptrechtsmittel in den neuen FGG-Familiensachen nicht mehr die einfache Beschwerde nach § 19 FGG, sondern die befristete Beschwerde nach § 621 e ZPO sieht).

Der Umstand, daß die Zuständigkeit für das Verfahren nach § 1612 Abs. 2 BGB gemäß 3 Nr. 2a RPflG beim Rechtspfleger liegt, hat auf die Anwendbarkeit der §§ 621 a, 621 e ZPO ebensowenig Einfluß wie beispielsweise im Verfahren nach § 1618 BGB. Im Gegenteil spricht die in 11 Abs. 1 RPflG zum Ausdruck kommende Aufwertung der Tätigkeit des Rechtspflegers, nach der gegen dessen Entscheidungen grundsätzlich die nach den allgemeinen Vorschriften zulässigen Rechtsmittel gegeben sind, für die Anwendbarkeit des für Endentscheidungen geltenden 621 e ZPO.

Die am 27.7.1999 und 11.8.1999 beim Beschwerdegericht eingegangenen Beschwerden der Antragsgegner sind danach zulässig, insbesondere form- und fristgericht eingereicht und begründet worden ( §§ 621 e Abs. 1 und 3 ZPO, 20 FGG).

In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg.

Zutreffend ist das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Frankfurt am Main davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für eine Abänderung der Unterhaltsbestimmung der Antragsgegner vorliegen.

Das auf Abänderung einer Unterhaltsbestimmung gerichtete Verfahren nach § 1612 Abs. 2 BGB hat zum Gegenstand nur die Art und Weise einer etwaigen Unterhaltsgewährung, nicht aber die Frage des Umfangs einer Bedürftigkeit oder der Höhe einer Unterhaltsschuld. Nachdem der volljährige Antragsteller Sozialhilfe begehrte, haben die wegen ihrer Unterhaltspflicht in Anspruch genommenen Antragsgegner neben dem Bestreiten einer Unterhaltsbedürftigkeit erklärt, daß sie Unterhalt durch Wohnungsgewährung leisten wollen. Will der Unterhaltsberechtigte diese Form des Unterhalts nicht annehmen, muß er auf eine gerichtliche Abänderung der Unterhaltsbestimmung hinwirken.

Voraussetzung für eine solches Abänderungsverfahren ist in der Regel, daß eine wirksame Unterhatlsbestimmung der Eltern vorliegt. Da nach der gesetzlichen Bestimmung des § 1612 Abs. 1 BGB der Unterhalt grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren ist, muß der Unterhaltsverpflichtete, wenn er künftigen Unterhalt statt in Bar- in Naturalleistungen gewähren will, dem Berechtigten im einzelnen mitteilen, wie er sich die Durchführung denkt. Die Unterhaltsbestimmung muß deshalb den gesamten Lebensbedarf umfassen und darf sich nicht allein auf die Wohnungsgewährung beschränken, sondern muß auch Verpflegung, Bekleidung und die Gewährung von Taschengeld umfassen (BGH, FamRZ 1983, 369, NJW 1984, 305).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist für den Senat nicht davon auszugehen, daß es sich bei den Erklärungen der Eltern überhaupt um eine wirksame Naturalunterhaltsbestimmung handelt. Beide haben nämlich ohne nähere Spezifizierung lediglich Wohnungsgewährung angeboten, und dabei noch offen gelassen, in welcher der Wohnungen der geschiedenen Elternteile die Unterkunft gewährt werden soll.

Dies schließt aber eine gerichtliche Entscheidung nach § 1612 Abs. 2 BGB nicht aus, denn es ist anerkannt, daß das Vormundschaftsgericht nicht gehindert, auch bei unvollständigen Unterhaltsbestimmungen auf Antrag eines Beteiligten eine anderweitige Bestimmung zu treffen, damit zwischen den Beteiligten die erforderliche Rechtsklarheit darüber herrscht, in welcher Weise in Zukunft der Unterhalt zu gewähren sein wird. Die weitergehende Frage, ob und in welchem Umfang überhaupt eine Bedürftigkeit besteht, bleibt dann der prozeßgerichtlichen Entscheidung vorbehalten.

Sachlich kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag des Kindes eine solche Unterhaltsbestimmung ändern, wenn dies aus besonderen Gründen gerechtfertigt ist. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Festlegungen bedarf es einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls.

Abzuwägen sind auf der einen Seite die Interessen der Unterhaltspflichtigen an einer möglichst ökonomischen Art der Unterhaltsgewährung, die insbesondere darin liegen kann, daß die Gewährung des Wohnens im eigenen Hause und die Dispositionsfreiheit bei der Verköstigung im eigenen Haushalt den erforderlichen Barbedarf des Kindes reduziert und den Unterhaltspflichtigen insoweit entlastet.

Dem steht auf der anderen Seite das Interesse des Kindes gegenüber, Art und Ort seiner Lebensführung selbst zu bestimmen. Dabei verschieben sich nach Volljährigkeit des Kindes die Gewichtungen. Das Element der selbständigen Entscheidung des Kindes über die Art seiner Lebensführung nimmt bei der gebotenen Interessenabwägung größeren Raum ein, was durch die gesetzliche Neuregelung des 1612 Abs.2 Satz 1, letzter Halbsatz BGB, wonach auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht zu nehmen ist, besonders hervorgehoben wird.

Der Wunsch des volljährigen unverheirateten Kindes nach einer selbständigen, vom Haushalt des Unterhaltspflichtigen getrennten Lebensführung führt zwar wegen § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB noch nicht generell zur Unzulässigkeit einer Unterhaltsbestimmung des Verpflichteten. Allerdings sind für eine gerichtliche Änderung der Unterhaltsbestimmung auch weniger gewichtige Gesichtspunkte ausreichend, wenn für die Entscheidung des Kindes, außerhalb des Haushalts der Eltern zu leben, Gründe vorhanden sind, die sich nicht nur in dem bloßen Wunsch nach einer von den Lebensverhältnissen der Eltern gelösten Lebensführung erschöpfen.

Der Senat teilt insoweit die Ansicht des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Frankfurt am Main, daß derartige ausreichende Gründe vorhanden sind.

Der inzwischen 35-jährige Antragsteller hatte bereits vor einigen Jahren, als noch keine Unterhaltsbedürftigkeit im Raum stand, einen eigenen Hausstand und damit eine eigene Lebensstellung entwickelt. Diese Situation unterscheidet sich erheblich von den Fallgestaltungen, in denen das Kind sich erst aus dem Haushalt eines Elternteils löst oder lösen will. Wegen seines Alters und seiner seit Jahren gepflegten Selbständigkeit wäre das Verlangen, in den Haushalt eines Elternteils zurückzukehren, ein gravierender Einschnitt in seine Persönlichkeitsentfaltung.

Erschwert wird die Vorstellung einer Rückkehr in eine elterliche Wohnung durch die zwischen den Beteiligten bestehenden erheblichen Spannungen und Zerwürfnisse. Der Antragsteller genießt bei den Antragsgegnern nahezu keine Achtung und Wertschätzung mehr. Ob diese Beurteilung des Antragstellers, die die Eltern in ihrem ausführlichen Bericht vom 10.9.1998 eingehend begründet haben, zutreffend ist, kann für die vorliegende Entscheidung dahingestellt bleiben. Entscheidend ist für den Senat vielmehr, ob ein gedeihliches Zusammenleben unter einem Dach überhaupt noch vorstellbar ist. Hiervon kann aus mehreren Gründen nicht ausgegangen werden.

Zunächst zeigt die Tatsache, daß der Antragsteller von seiner Mutter auf Rückzahlung geliehener Gelder vor dem LG Frankfurt am Main (Az 2/25 O 309/96) verklagt wurden mußte, daß es offenbar nicht mehr möglich ist, finanzielle Angelegenheiten einvernehmlich zu regeln, vielmehr wegen derartiger Differenzen erhebliche Spannungen bestehen.

Zum anderen sah sich der Vater des Antragstellers veranlaßt, bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges u.a. gegen seinen Sohn anzuregen. Daß das Verfahren durch Einstellung nach 153 StPO endete, spricht dafür, daß keine strafwürdigen Tatbestände verwirklicht wurden, ändert aber nichts daran, daß der Vater von der strafrechtlichen Relevanz des Handelns seines Sohnes überzeugt ist, was ein gedeihliches Zusammenleben ausschließt.

Die Wertschätzung der Antragsgegner für den Antragsteller wird in besonderem Maße in den Ausführungen ihres Berichts vom 10.9.1999 deutlich. Beispielhaft sei auf folgende Passagen verwiesen:

"... Droht "Unbill" durch seine Eltern..., wird er sich sofort -... - juristischen Rat ...bei seiner Rechtsanwältin holen, auch diese ... belügen, manipulieren und für seine Zwecke als eine Art "Lügensprachrohr" mißbrauchen..." oder " ..Für uns Eltern ist es kein Wunder, wenn ihm ... Angstzustände bescheinigt werden. Er.....dürfte eine geradezu panische Angst davor haben, daß für ihn die Sache mit einem Tribunal endet, bei dem er als verantwortungs- und skrupelloser Abzocker, dem ein Großteil seines Unrechtsbewußtsein .... abhanden gekommen ist, entlarvt wird.." oder "Ihm muß von kompetenter Seite unmißverständlich klargemacht werden, daß die Zeit des Müßigganges, des Lügens und Betrügens, der Manipulation und des Versteckens hinter ärztlichen Attesten ... vorbei ist."

Solche und ähnliche Ausführungen belegen neben den zivil- und strafrechtlichen Auseinandersetzungen, daß im Verhältnis zwischen Antragsteller und Eltern eine nicht unerhebliche persönliche Entfremdung verbunden mit erheblichen Abwertungen eingetreten ist, in deren Folge eine zwanglose und harmonische Lebensführung in einer Wohnung der Verpflichteten unvorstellbar ist.

Hinzu kommt, daß dem Antragsteller durch mehrere Atteste verschiedener Ärzte gesundheitliche Beeinträchtigungen bestätigt wurden, die sowohl zu stationären als auch ambulanten Behandlungen und Therapien geführt haben. Soweit die Antragsgegner die Richtigkeit der Atteste bezweifeln, vermag der Senat aus ihrem Vortrag keine Anhaltspunkte festzustellen, die gegen die Richtigkeit der von allen Ärzten diagnostizierten Erkrankung sprechen könnten, weshalb die Notwendigkeit eines weiteren Schverständigengutachtens auch schon vom Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Frankfurt am Main zutreffend nicht gesehen wurde.

Ob es objektiv zutrifft, wenn die Atteste ausführen, die Ursachen für die Erkrankung lägen in der Beziehung des Antragstellers zu den Eltern, insbesondere zur Mutter, ist nicht entscheidend, denn es geht nicht um die Frage einer Schuldzuweisung für diese Erkrankungen. Maßgebend ist allein, daß die attestierten und behandelten Krankheitsbilder bestehen. Wenn der Antragsteller, möglicherweise krankheitsbedingt, einen Zusammenhang zu seinen Eltern sieht und diese das von sich weisen, dann ist zweifelsfrei klar, daß ein zukünftigens Zusammenleben auch wegen dieses Hintergrundes konflikthaft sein wird.

Aufgrund dieser gesamten Umstände bedurfte es der Änderung der Bestimmung der Antragsgegner, den Unterhalt für den Antragsteller in einem der elterlichen Haushalte zu gewähren, in eine Verpflichtung zur Geldleistung.

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