OLG Frankfurt vom 04.10.1999 (3 UF 184/99)

Stichworte: Sorgerechtsentscheidung, ausländische, Anerkennung, Abänderung, Rechtsschutzinteresse
Normenkette: FGG 16a
Orientierungssatz: Ein förmliches Anerkennungsverfahren für ausländische Sorgeentscheidungen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es erfolgt eine inzidente Prüfung der Anerkennungsfähigkeit im Rahmen von laufenden Verfahren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 9.7.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelnhausen vom 22.6.1999 am 04.10.1999 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluß aufgehoben, soweit der Antrag auf Regelung der elterlichen Sorge zurückgewiesen wurde.

Das Verfahren wird insoweit an das Amtsgericht - Familiengericht - Gelnhausen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Soweit durch den angefochtenen Beschluß Prozeßkostenhilfe versagt wurde, wird der Beschluß abgeändert.

Der Antragstellerin wird des weiteren Prozeßkostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwältin Z.,H., beigeordnet.

G R Ü N D E

Die Antragstellerin begehrt die Abänderung der Entscheidung zur elterlichen Sorge im Urteil des District Court 90th Judicial District, Young County, Texas, USA vom 26.6.1998 Az.: 26, 921. Mit dem vorgenannten Urteil wurde die Ehe der Parteien geschieden sowie das gemeinsame Sorgerecht bezüglich des Kindes L. L. angeordnet, dem Vater jedoch das Recht zuerkannt, den Hauptwohnsitz des Kindes zu bestimmen. Die ausgesprochene Ehescheidung wurde mit Entscheidung der Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22.4.1999 anerkannt.

Die Antragstellerin, die deutsche Staatsangehörige ist und sich mit dem Kind seit 1994 ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, wo auch der Antragsgegner, der US-amerikanischer Staatsangehöriger ist, bis zur Trennung der Parteien im Jahre 1996 lebte, wurde mit Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelnhausen vom 17.3.1998 die elterliche Sorge für die Dauer des Getrenntlebens allein übertragen.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 22.6.1999, auf den verwiesen wird, wies das Amtsgericht - Familiengericht - Gelnhausen den im hiesigen Verfahren gestellten Antrag auf Abänderung der US-amerikanischen Entscheidung mit dem Ziel der alleinigen Ausübung der elterlichen Sorge ohne Anhörung des Antragsgegners wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurück und versagte zugleich die von der Antragstellerin beantragte Prozeßkostenhilfe.

Gegen diese ihr am 6.7.1999 zugestellte Entscheidung legte die Antragstellerin am 9.7.1999 Beschwerde sowohl zur Hauptsache als auch zur PKH-Versagung ein.

Die Beschwerde ist hinsichtlich der Hauptsacheentscheidung gemäß § 621 e ZPO, hinsichtlich der Prozeßkostenhilfeversagung gemäß § 127 ZPO zulässig und führt in der Sache selbst zu der aus dem Tenor ersichtlichen Entscheidung.

Soweit das Amtsgericht in der Sache selbst entschieden hat, beruht der angefochtene Beschluß auf schwerwiegenden Verfahrensmängeln, so daß er aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war (§ 575 ZPO).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlt dem Antrag der Antragstellerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dies ergibt sich daraus, daß zwei sich widersprechende Sorgerechtsentscheidungen, nämlich die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelnhausen vom 17.3.1998 sowie die Entscheidung des texanischen Gerichts im Scheidungsurteil existent sind. Da die US-amerikanische Entscheidung später als die deutsche Entscheidung ergangen ist, erweckt sie den Rechtsschein, daß damit die ursprüngliche deutsche Entscheidung abgeändert wurde und somit die Eltern gemeinsame Inhaber der elterlichen Sorge sind, wobei das Recht, den Wohnsitz des Kindes zu bestimmen, dem Vater zusteht. Dem steht auch nicht entgegen, daß durch Entscheidung der Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22.4.1999 lediglich der Ausspruch zur Ehescheidung in dem US-amerikanischen Urteil anerkannt wurde. Daraus folgt nicht, daß die Entscheidung zum Sorgerecht im vorgenannten Urteil in der Bundesrepublik Deutschland per se unbeachtlich wäre. Ein förmliches Anerkennungsverfahren für ausländische Sorgeentscheidungen ist nämlich gesetzlich nicht vorgesehen. Es erfolgt vielmehr eine inzidente Prüfung der Anerkennungsfähigkeit im Rahmen von laufenden Verfahren.

Eine solche Prüfung hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung jedoch erkennbar nicht vorgenommen, so daß insoweit ein schwerer Verfahrensfehler vorliegt. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Amtsgericht zu berücksichtigen haben, daß für den Fall, daß die Anerkennungsfähigkeit der US-amerikanischen Entscheidung nach § 16 a FGG zu bejahen ist, ein Rechtsschutzbedürfnis auf Abänderung dieser Entscheidung ohne weiteres zu bejahen ist.

Sofern eine Anerkennung zu verneinen ist im Hinblick auf § 16 a Nr. 1 FGG fehlt es ebenfalls nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, da sich aus dem Antrag der Antragstellerin die Zielrichtung ergibt, die Rechtsscheinwirkung der US-amerikanischen Entscheidung zu beseitigen. Hierauf hat die Antragstellerin auch dann einen Rechtsanspruch, wenn das Amtsgericht an seine im angefochtenen Beschluß geäußerten Rechtsauffassung festhält, wonach die Entscheidung vom 17.3.1998 auch über die Ehescheidung hinaus fortgilt. Nur durch einen entsprechenden klarstellenden Beschluß, der die Rechtsscheinwirkung der US-amerikanischen Entscheidung beseitigt, könnte in einem solchen Fall die Antragstellerin im Rechtsverkehr ihre Alleinsorgeberechtigung nachweisen. Der angefochtene Beschluß war damit bezüglich der Hauptsacheentscheidung aufzuheben und zurückzuverweisen, wobei die Entscheidung ohne Gewährung von rechtlichem Gehör für den Antragsgegner ergehen konnte, da es sich nicht um eine Sachentscheidung handelt.

Soweit das Amtsgericht der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe wohl aus dem Gesichtspunkt der fehlenden Erfolgsaussicht versagt hat, war diese Entscheidung abzuändern und der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug zu bewilligen, da unter den vorgenannten Umständen die Erfolgsaussicht nicht verneint werden kann. Die Kostenarmut ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen. Die Voraussetzung für die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten sind nach § 121 Abs. 2 ZPO gegeben. Entsprechend war der Antragstellerin auch Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Amthor Remlinger Diehl