OLG Frankfurt vom 07.12.1998 (3 UF 173/98)

Stichworte: Pflegegeld, Anrechung Fahrtkosten
Normenkette: SGB XI 37, BGB 1361, 1601 ff
Orientierungssatz: 1) Bei höheren Kilometerleistungen verteilen sich die regelmäßigen Kosten wie Abschreibung, Finanzierung, Steuern und Versicherung so, daß der auf einen Kilometer entfallende Anteil sinkt. Die sich zu den Autokosten verhaltende, allerdings zeitlich überholte Literatur - etwa aus dem ADAC-Verlag -zeigt auf: Je höher die Kilometerleistung, desto niedriger der Kilometersatz.Von daher ist es keineswegs zwingend, die 0,52 DM allen mit dem PKW zur Arbeit Fahrenden gleichermaßen zuzubilligen. 2) Das Pflegegeld soll gem. § 37 SGB XI einem Behinderten ermöglichen, seine Grundpflege und Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherzustellen. Daß dies die Mutter ohne jedwede Vergütung durch ihr Kind auch überobligationsmäßig täte, steht außer Frage. Soweit Mittel vom Pflegebedürftigen als Vergütung freigegeben werden, ist die unterhaltsrechtliche Entlastungswirkung des Pflegegeldes höchstrichterlich gebilligt ( vgl. BGH FamRZ 1993, 417, 419 m.w.N. noch zu § 69 BSHG a.F. ).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Remlinger als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. 10. 1998 für Recht erkannt:

Auf Berufung und Anschlußberufung wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 26. 6. 1998 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Ehegattenunterhalt von 24.490,41 DM und Kindesunterhalt von 2.527 DM sowie ab 1. 12. 1998 laufend monatlich im voraus 1.281,60 DM Ehegatten- und 396,00 DM Kindesunterhalt für Xxx zu zahlen.

Unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel wird die Klage im übrigen abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Beklagte 3/4 und die Klägerin 1/4 zu tragen ( § 92 ZPO ).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ( §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO ).

T a t b e s t a n d

Die 1961 geborene Klägerin und der 1957 geborene Beklagte lebten in Xxx zusammen, waren beide berufstätig und erwarben am 20. 4. 1994 zu je hälftigem Eigentum das jetzt vom Beklagten bewohnte Fachwerkhaus in Xxx. Dieses war Ende 1997 noch mit 74.000 DM belastet. Es ist nicht fertig ausgebaut und nicht vermietbar.

Am 16. 12. 1994 schlossen die Parteien die Ehe, aus der am 13. 4. 1995 Xxx hervorging. Das Kind ist schwerbehindert. Die Klägerin stellte ihre Berufstätigkeit mit der Geburt des Kindes ein. Sie bezog bis April 1997 Erziehungsgeld von 600 DM und erhält seit 1996 Pflegegeld aus der Pflegestufe II für Felix in Höhe von mtl. 800 DM. Im März 1996 trennten sich die Parteien. Die Klägerin zog mit dem Kind zu ihren Eltern nach Xxx. Seit Februar 1997 erhält sie das Kindergeld.

Der Beklagte bediente die Annuitäten für Xxx weiter und bewarb sich im dortigen Raum in seinem Beruf als Informatiker. Im September 1996 löste er die Ehewohnung auf und zog in das gemeinsame Haus. Weil seine Bewerbungen ohne Erfolg geblieben waren, behielt er seine frühere Arbeitsstelle in Xxx bei. Er legt die 125 km einfache Entfernung mit dem PKW zurück. Den PKW muß er für bundesweite Einsatzfahrten für seinen Arbeitgeber vorhalten, der ihm 0,65 DM/km ersetzt.

Die Klägerin forderte vom Beklagten Unterhalt, den dieser bis Januar 1997 mit mtl. 1.316 DM erbrachte, davon 816 DM Ehegattenunterhalt, derzeit aber nur in Höhe von 265 DM für das Kind und 79,60 DM für die Klägerin zahlt.

Aufgrund der dem Beklagten Ende April 1997 übersandten Klage streiten die Parteien um wechselnde Unterhaltsspitzen für die Zeit ab Oktober 1996. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der Beklagte hat über seine freiwilligen Zahlungen hinaus zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet. Er bekämpft mit seiner alle Form- und Fristerfordernisse wahrenden Berufung seine Verurteilung. Die Klägerin verfolgt mit ihrem unselbständigen Anschlußrechtsmittel die versagten Ansprüche unter Erweiterung der Klage. Mit seiner Hilfswiderklage verlangt der Beklagte für den Fall seines Obsiegens in der Berufungsinstanz die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Beträge zurück.

Die Parteien haben sich mit der Endentscheidung durch den Einzelrichter einverstanden erklärt.

Von der weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 ZPO abgesehen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Berufung des Beklagten sowie die Anschlußberufung der Klägerin sind ebenso zulässig wie die an den prozessualen Erfolg des Hauptrechtsmittels geknüpfte Hilfswiderklage.

In der Sache haben beide Rechtsmittel teilweise Erfolg.

1. Den dem Grunde nach unangefochtenen Kindesunterhalt für Xxx hat das Amtsgericht für die Anfangszeit im Ergebnis zutreffend bemessen. Mit Recht hat es insbesondere keinen Teil des dem Kind gezahlten Pflegegeldes von mtl. 800 DM bedarfsdeckend herangezogen, weil der Beklagte die Vermutung des § 1610a BGB nicht widerlegt hat, daß das Kind von dem Pflegegeld nichts für seinen Elementarunterhalt übrig behält.

Dieser richtet sich nach dem unterhaltsrechtlich zuzurechnenden Verfügungseinkommen aus einem Bruttojahreseinkommen des Beklagten, das im Jahre 1996 106 TDM betragen hat. Die Parteien und der Vorderrichter sind zu Recht davon ausgegangen, daß für 1996 die vom Arbeitgeber einbehaltenen Abzüge für Sozialabgaben und Steuern abzuziehen sind. Erstattungen aus früheren Jahren sind nicht ersichtlich. Die erst am 10. 7. 1998 festgesetzte tatsächlich für 1996 geschuldete Einkommensteuer kann nach dem In-Prinzip nicht herangezogen werden. Es kann nicht einmal davon ausgegangen werden, daß der für 1996 festgesetzte Erstattungsbetrag von über 6.000 DM vor der mündlichen Verhandlung an eine der Parteien bereits ausgezahlt worden wäre. Die umgerechnet mtl. 500 DM haben deswegen bei den folgenden Berechnungen außer Betracht zu bleiben.

Nach Sozialabgaben und Gewerkschaftbeitrag blieben dem Beklagten im Jahre 1996 unstreitig monatlich 5.700 DM netto.

Dieser Betrag ist um die festen Hauslasten für das gemeinsame Objekt Xxx zu vermindern, die von den Parteien ursprünglich mit 1.500 DM Lastentragung und 200 DM verbrauchsunabhängigen Fixkosten ( ohne Reisekosten ) berücksichtigt wurden. Diese mtl. 1.700 DM können für die Unterhaltsberechnung übernommen werden. Soweit die Klägerin rügt, sie habe dem Beklagten schon seit langem die Veräußerung des Objektes vorgeschlagen, ändert dies nichts. Die einer Veräußerbarkeit zu vernünftigem Preis entgegenstehenden Gründe - Lage und Zustand des Hauses sowie die Marktlage - sind auf Grund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hinzunehmen. Daß der Beklagte der Klägerin als Miteigentümerin eine konkrete Verkaufsmöglichkeit ausgeschlagen hätte, wirft die Klägerin dem Beklagten nicht vor.

Den dem Beklagten zuzurechnenden Wohnwert hat das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht gem. § 287 ZPO auf 1.000 DM mtl. geschätzt. Soweit der Beklagte nur ( 700 - 100 = ) 600 DM angesetzt wissen will, setzt er sich mit seiner eigenen Darstellung in Widerspruch, daß er im Rhein-Main-Gebiet selbst für eine kleine Wohnung mindestens 1.000 DM aufzuwenden haben würde. Zumal er die zuvor gezahlte, durch den Umzug ersparte Warmmiete in Xxx mit mtl. 1.750 DM angibt, erscheint die Schätzung des Amtsgerichts mit 800 DM kalt zzgl. 200 DM Umlage der Fixkosten für das Wohnen in einem Einfamilienhaus unabhängig von dessen Erhaltungszustand nicht übersetzt. Vor Fahrtkosten verbleiben mithin 5.000 DM mtl.

Hinsichtlich der Fahrtkosten ist zunächst davon auszugehen, daß der Beklagte nicht auf ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrgemeinschaften verwiesen werden kann, weil sein Arbeitgeber die Bereithaltung des PKW für Servicefahrten fordert. Gleichwohl ist es vorliegend unangemessen, wenn der Beklagte sein Verfügungseinkommen um mtl. 2.383 DM Fahrtkosten mindern will. Dies entspricht nämlich nahezu der Hälfte des für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommens. Die 400 DM des Amtsgerichts sind indessen viel zu niedrig. Die Berechnung des Beklagten scheint zunächst der Nr. 14 der Unterhaltsrichtlinien des OLG Frankfurt zu entsprechen, wenn er für 55.000 km jährlich ( 220 Tage x 125 km x 2 ) regelmäßig anerkannte 0,52 DM /km ansetzt, die aus der Sachverständigenentschädigung des § 9 III Nr. 1 ZSEG abgeleitet sind, wie es der Rechtsprechung des BGH ( zuletzt in FamRZ 1994, 87 [ 88 ] ) "mangels sonstiger konkreter Anhaltspunkte" grundsätzlich entspricht. Nach Nr. 14 S. 3 der Unterhaltsrichtlinien ist indessen eine Angemessenheitsprüfung geboten, wenn die geltend gemachten Kosten nicht mehr der schematisierenden Betrachtung einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle zugänglich sind. Dies ist bei hohen Kosten oder einem Mißverhältnis der Kosten zum Nettoeinkommen der Fall.

Bei höheren Kilometerleistungen verteilen sich die regelmäßigen Kosten wie Abschreibung, Finanzierung, Steuern und Versicherung so, daß der auf einen Kilometer entfallende Anteil sinkt. Die sich zu den Autokosten verhaltende, allerdings zeitlich überholte Literatur - etwa aus dem ADAC-Verlag -zeigt auf: Je höher die Kilometerleistung, desto niedriger der Kilometersatz.Von daher ist es keineswegs zwingend, die 0,52 DM allen mit dem PKW zur Arbeit Fahrenden gleichermaßen zuzubilligen. Auch die nach Schluß der mündlichen Verhandlung vom Beklagten eingereichte Aufstellung sämtlicher Kostenpositionen des PKWs kommt konsequenterweise nur zu einem niedrigeren Kilometersatz als 0,52 DM, nämlich bei einem Aufwand von 56.132 DM verteilt auf 120.000 km zu knapp 0,47 DM/km. Dabei geht er von einem Zwei-Jahres-Zeitraum und einer Totalabschreibung des PKW in dieser Zeit aus.

Die Aufstellung gibt keinen Anlaß zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung, weil sie - abgesehen von Anschaffungspreis, Steuer und Versicherungen - nur fiktiv rechnet. Sie erlaubt aber, die gem. § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung zu konkretisieren.

Zunächst einmal ist eine Grundabschreibung - wie bei einem Zeugen nach § 9 III Nr. 2 ZSEG - jedenfalls nicht in voller Höhe zuzubilligen, weil es den ehelichen Lebensverhältnissen entsprach, einen PKW nicht nur für die Fahrten zur Arbeitsstelle sondern auch privat vorzuhalten. Auf das Ausmaß der Privatfahrten kommt es nicht an, die Nutzungsmöglichkeit ist entscheidend. Damit wird der Beklagte nicht schlechter gestellt als ein Unterhaltspflichtiger, der nur wenige Kilometer mit dem PKW zur Arbeitsstelle zu fahren hat. Auch dieser kann selbst mit dem vollen Pauschalsatz von 0,52 DM die Vorhaltekosten auch nicht annähernd umlegen.

Bei den reinen Betriebskosten hat der Beklagte einen Kraftstoffpreis von 1,70 DM/l zugrundegelegt, wie er gerichtsbekannt deutlich übersetzt ist und allenfalls 1,60 DM/l beträgt. Für 100 km ist bei einem Verbrauch von 7,5 l mithin Benzin für 12 DM erforderlich. Dies macht per anno bei 55 TKM 6.600 DM aus.

Wartungs- oder Reparaturkosten sind weder konkretisiert noch belegt. Der Aufwand für Pflegearbeiten, Öl- und Zündkerzenwechsel kann deswegen ebenso wie der Verschleiß der Reifen nur auf die Hälfte dieses Betrages, also 3.300 DM, geschätzt werden, wie sie aber in etwa auch der Aufstellung des Beklagten entsprechen.

Dem erhöhten, berufsbedingten Verschleiß des PKWs ist durch einen Kilometerzuschlag Rechnung zu tragen, weil das Wirtschaftsgut seine technische Lebensdauer vor dem Ablauf von fünf Jahren erreicht, und zwar mutmaßlich schon nach drei Jahren ( mit 180.000 km ). Die übliche, den Beklagten zunächst selbst belastende 5-Jahres-Abschreibung von ( 26.300 : 5 = ) ca. 5,3 TDM/Jahr erhöht sich auf ( 26.300 : 3 = ) knapp 8,8 TDM/Jahr. Die fahrleistungsbedingt zwei Jahre kürzere Lebensdauer des PKW schlägt also mit nochmals jedenfalls 3.300 DM/Jahr zu Buche.

Ergeben sich vorliegend mithin reine "technische" Kosten von 0,24 DM/km, hat es dabei aus Billigkeitsgründen nicht sein Bewenden. Denn für die restlichen "sonstigen" Kosten - wie Reparaturen, Zinsen und Unfallrisiken - ist ein weiterer Zuschlag zu machen, der in Höhe von weiteren 3.300 DM jährlich angemessen erscheint.

Das Ergebnis von 0,30 DM/km liegt zwar etwas unter dem vom OLG Celle ( OLGR 1994, 157 ) mit Urteil vom 15. 10. 1993 - 18 UF 66/93 - bei allerdings nur 100 km Gesamtstrecke zugebilligten Kilometersatz von 0,36 DM, übersteigt aber den vom OLG Hamm ( OLGR 1997, 124 ) mit Urteil vom 25. 2. 1997 - 13 UF 380/96 - bei 84 km Gesamtstrecke zugebilligten Kilometersatz von sogar nur knapp 0,20 DM um 50 %. Der Kilometersatz von 0,30 DM erscheint zumal mit Rücksicht darauf jedenfalls ausreichend, daß der Arbeitgeber für Dienstfahrten nach der Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung einen Kilometersatz von 0,65 DM erstattet, so daß pro Kilometer ein Gewinn anfällt.

Die anzuerkennenden berufsbedingten Gesamtkosten belaufen sich mithin auf 13.200 DM p.a. bzw. mtl. 1.100 DM.

Für Unterhaltszwecke bleiben danach ( 5.000 - 1.100 = ) 3.900 DM. Würde der Beklagte darauf verwiesen, noch intensiver nach einem anderen Arbeitsplatz in größerer räumlicher Nähe zu seinem Wohnort zu suchen, um diese immer noch sehr hohen Fahrtkosten herabzusetzen, müßte er bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage mit einer deutlichen Reduzierung seines erzielbaren Bruttoeinkommens rechnen; für Unterhaltszwecke bliebe der Klägerin und dem Kind dann auch nicht mehr.

Auch für die Folgezeit ab 1997 gelten die nämlichen Überlegungen zum Einkommen. Soweit das Amtsgericht - und eingangs auch die Klägerin - von einem niedrigeren Verfügungseinkommen des Beklagten ausgegangen ist, ist dem nicht zu folgen. Der Beklagte hat außer seinem Jahreseinkommen 1996 keine Zahlen offenbart. Vielmehr rechnet er in der Klageerwiderung mit einem fiktiv ermittelten niedrigeren Nettoeinkommen 1997 auf der Basis des Bruttoeinkommens 1996 und macht geltend, von einem solchen sei wegen geänderter Steuerklasse und Freibeträge auszugehen. Seinen Vortrag hat er trotz der mehrfachen Aufforderungen der Klägerin nicht konkretisiert, er möge über seine Einkünfte 1997 Auskunft erteilen. Eine Gehaltsabrechnung, aus der sich auch der tatsächliche Steuerabzug ergeben würde, hat der Beklagte anders als für 1996 nicht vorgelegt. Auch die nach der mündlichen Verhandlung eingereichte Ablichtung der Vorderseite der Lohnsteuerkarte 1997 weist nur die Steuerklasse und keine Gehaltsabrechnung aus. Solchenfalls ist nicht davon auszugehen, daß der für eine Einkommenseinbuße darlegungs- und beweisbelastete Unterhaltsschuldner tatsächlich nur noch über geringere Einnahmen verfügt, und wird er kurzerhand so behandelt, als erziele er sein früheres Einkommen weiter. Schließlich können sich die entfernungsbedingt jetzt viel höheren Werbungskosten des Beklagten und das mögliche steuerliche Realsplitting steuermindernd auswirken, so daß die halbierten Freibeträge aus Eigenheimförderung und außergewöhnlicher Belastung sowie der Unterschied zwischen Grund- und Splittingtabelle entschärft werden.

Bei 3.900 DM Einkommen ist der Beklagte in Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle Stand 1996 einzustufen. Weil er nur der Klägerin und einem Kind unterhaltsverpflichtet ist, wird er in Gruppe 6 aufgestuft, die das Amtsgericht ebenfalls zugrundegelegt hat, und schuldet zunächst einen Tabellenunterhalt von mtl. 515 DM. Zumal der Senat zu dem bereinigten Einkommen unter Zugrundelegung deutlich höherer Kosten beim Beklagten gekommen ist, besteht kein Grund mehr, wie das Amtsgericht wegen der Belastungen von einer Aufstufung abzusehen.

Von den 515 DM ausgehend sind die Ausführungen des Amtsgerichts zum Verzug in Höhe von nur 475 DM für die Monate Oktober 1996 bis April 1997 rechtsfehlerfrei. Die Anschlußberufung übersieht den vom erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten in der Klageschrift noch berücksichtigten § 1613 I BGB, wonach Unterhaltsrückstände nur im Umfange des Verzuges geltend gemacht werden können. Insoweit hat es bei dem angefochtenen Urteil aus dessen zutreffenden Gründen sein Bewenden. Die Rückstandsberechnung des Amtsgerichts läßt einerseits die 100 DM Zahlung hälftigen Kindergeldes - insoweit hat die Berufung des Beklagten Erfolg - , andererseits aber den Monat April 1997 außer Betracht, so daß sich ergeben: für 1996 die 525 DM lt. Urteil abzüglich 300 DM Kindergeld = 225 DM, für Januar 1997 aber ( 475 + 110 = ) 585 DM ./. Zhlg. 500 DM = 85 DM, für Februar bis April ( 475 - 110 ) x 3 = 1.095 DM ./. Zahlungen von 2 x 475 DM + 1 x 265 = 1.215 DM =./. 120 DM, so daß sich ein Rückstand ergibt in Höhe von nur 190 DM.

Ab Mai 1997 hat der Beklagte - entgegen der Fomulierung des Tenors des angefochtenen Urteils - ebenfalls nur die 265 DM gezahlt, auf die er den Kindesunterhalt herabgesetzt wissen will.

Ab diesem Zeitpunkt befand er sich mit dem vollen geschuldeten Kindesunterhalt von mtl. 515 DM in Verzug, so daß er für Mai und Juni abzüglich des hälftigen Kindergeldes ( 405 x 2 = ) 810 DM schuldet, auf die er 530 DM gezahlt hat. Insoweit erhöht sich der Rückstand von 190 DM um 280 DM auf 470 DM.

Ab Juli 1997 ist die Düsseldorfer Tabelle mit neuen Bedarfssätzen in Kraft getreten. Bei seinem Nettoeinkommen liegt der Beklagte genau an der Nahtstelle zwischen den Einkommensgruppen 5 und 6, so daß eine doppelte Aufstufung in die Gruppe 8 aus Billigkeitsgründen nicht möglich ist. Der Tabellenunterhalt ermäßigt sich daher auf mtl. 496 DM. Abzüglich des hälftigen Kindergeldes von 110 DM und der Zahlungen von 265 DM sind monatlich 121 DM offen, für die 17 Monate bis einschließlich November 1998 also 2.057 DM.

Insgesamt sind zu titulieren Rückstände von 2.527 DM und laufend ab 1. 12. 1998 mtl. 396 DM.

2. Der Trennungsunterhalt aus § 1361 BGB ist ebenfalls dem Grunde nach außer Streit. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist hierauf das bis April 1997 bezogene Erziehungsgeld von mtl. 600 DM gem. § 9 I 1 BErzGG nicht anzurechnen, weil für einen der Ausnahmefälle nichts ersichtlich ist ( vgl. OLG Köln FamRZ 1989, 1178 ). Auch die Pflegegeldanrechnung bedarf der Korrektur.

Das Pflegegeld soll gem. § 37 SGB XI einem Behinderten ermöglichen, seine Grundpflege und Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherzustellen. Daß dies die Mutter ohne jedwede Vergütung durch ihr Kind auch überobligationsmäßig täte, steht außer Frage. Soweit Mittel vom Pflegebedürftigen als Vergütung freigegeben werden, ist die unterhaltsrechtliche Entlastungswirkung des Pflegegeldes höchstrichterlich gebilligt ( vgl. BGH FamRZ 1993, 417, 419 m.w.N. noch zu § 69 BSHG a.F. ). Dies entscheidet vorliegend die sorgerechtigte Klägerin selbst. Mangels einer gesetzlichen Verpflichtung, das Pflegegeld ganz oder auch nur teilweise als Anerkennungsleistung auszugeben, und weil dem Kind auch ohne solche materiellen Gaben die volle Unterstützung der Mutter zukommt, kann es nach Bestimmung der Mutter auch für die Verbesserung der behinderungsbedingten Situation, also insbesondere für die von der Klägerin dargelegten therapeutischen Maßnahmen eingesetzt werden. Dabei handelt es sich streng genommen um krankheitsbedingten Sonderbedarf des Kindes, den - weil die Krankenkasse insoweit nicht einspringt - der Beklagte zu tragen hätte. Wenn die Mutter nun dem Streit um seine unterhaltsrechtliche Relevanz aus dem Wege geht und die dem Kinde zufließenden Mittel anstatt für Anerkennungszahlungen an sich selbst zur Abdeckung dieses Mehraufwandes verwendet, befreit sie sich vom Druck der Auseinandersetzung ( und den Beklagten mutmaßlich von der Zahlung von Sonderbedarf ). Damit erreicht das Pflegegeld mittelbar, daß die überobligationsmäßig sorgende Mutter nicht auch noch diese Belastung auf sich nehmen muß, geldwerter Vorteil ist dies aber nicht.

Daß auch der Vater durch Beteiligung an der Pflege unmittelbar von der Behinderung des Kindes betroffen wäre, ist nicht ersichtlich. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem durch Urteil des Einzelrichters vom 5. 10. 1998 - 3 UF 93/98 entschiedenen, in dem die Eltern sich die Pflege praktisch teilten, und wo der Mutter als Lösung des Streites um eine Aufteilung des Pflegegeldes der Pflegestufe III unterhaltsrechtlich ein größerer Anteil an dem Pflegegeld zugutegebracht wurde. Vorliegend aber gereicht der Umstand, daß die Parteien kein gesundes sondern ein behindertes Kind haben, dem Beklagten ohne ersichtliche Gegenleistung zum wirtschaftlichen Vorteil aus jeder Mark, die er wegen des Pflegegeldes an Unterhalt für die Mutter spart. Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit des Pflegegeld für das kleine Kind unterhaltsrechtliche Auswirkungen hat, darf zudem nicht übersehen werden, daß für die betreuende Mutter ungeachtet der Behinderung des Kindes der Parteien alleine schon mit Rücksicht auf dessen Alter von jetzt erst drei Jahren keinerlei Erwerbsobliegenheit bestand und besteht, die den Beklagten unterhaltsrechtlich zu entlasten geeignet wäre. Jedwede Erwerbseinkünfte sind deswegen aus Billigkeitsgründen in der Regel nur hälftig anzurechnen ( § 1577 II BGB ). Daß die Klägerin sich als gesetzliche Vertreterin des Kindes und damit Verwalterin des Pflegegeldes 200 DM als Einkommen anrechnen läßt, ist danach durchaus hinreichend.

Mit Recht hat das Amtsgericht wegen des zuzurechnenden Pflegegeldanteils die Differenzmethode angewandt. Die Klägerin war bis zur Geburt berufstätig und ist es qua vergüteter Pflegeleistung kurz danach wieder geworden. Zwischenzeitlich waren die ehelichen Lebensverhältnisse noch durch das Erziehungsgeld aufgebessert.

Für die drei letzten Monate des Jahres 1996 bemißt sich der eheangemessene Bedarf mithin mit 2/5 aus der Differenz von ( 3.900 - 475 = ) 3.425 DM und 200 DM, also aus 3.225 DM auf 1.290 DM, von denen aber nur 996 DM angemahnt waren. Weil das Amtsgericht diesen Betrag zugrundegelegt hat, bestehen aus den im Ergebnis zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils für 1996 Rückstände von 537 DM.

Bei den 996 DM hat es bis April 1997 sein Bewenden. Geschuldet waren mithin für vier Monate weitere 3.984 DM. Im Januar 1997 hat der Beklagte noch die 1.316 DM des Vorjahres überwiesen, der Klägerin selbst also 816 DM, erst ab Februar 1997 nur noch 79,06 DM. Die Zahlungen von ( 816 + 237,18 = ) 1.053 DM abgesetzt bleiben im ersten Jahresdrittel 2.931 DM offen.

Für Mai und Juni beträgt der Bedarf (3.900 - 515 =) (3.385 - 200) x 2/5 = 1.274 DM, ab Juli 1997 wegen des niedrigeren Kindesunterhalts (3.900 - 496 =) (3.404 - 200) x 2/5 = 1.281,60 DM. Mit Rücksicht auf § 1613 BGB können zunächst nur die mit der Klage geltend gemacht 1.107,71 DM zugebilligt werden. Erst aufgrund der am 17. 3. 1998 zugestellten Klageerweiterung vom 10.02.98 auf über 2 TDM kommt die Zubilligung der vollen ( dann ) 1.281,60 DM in Betracht. Die Rückstände von Mai 1996 bis 16. 3. 1997 belaufen sich auf (1.107,71 - 79,06 = ) 1.028,65 DM x 10,5 Monate = 10.800,82 DM, und die vom 17. 3. 1997 bis 30. 11. 1998 auf ( 1.281,60 - 79,06 = ) 1.202,54 x 8,5 = 10.221,59 DM

Insgesamt bestehen damit Ehegattenrückstände bis 30.11. 1998 von ( 537,-- + 2.931,-- + 10.800,82 + 10.221,59 = ) 24.490,41 DM.

3. Obwohl die Berufung wegen eines geringen Korrekturpostens Erfolg hatte, ist nicht davon auszugehen, daß die vom Beklagten gewollte prozessuale Bedingung der Hilfswiderklage eingetreten wäre, die immerhin eine ganz erhebliche Streitwerterhöhung zur Folge hätte und in der Sache praktisch gänzlich ohne Erfolg bliebe. Sie ist nämlich an das "Obsiegen" im Berufungsverfahren geknüpft, von dem keine Rede sein kann.

R e m l i n g e r