OLG Frankfurt vom 07.11.2019 (3 UF 163/19)

Stichworte: Interne Teilung; gepfändetes Anrecht; Ausgleichsreife; Drittschuldner; Pfändungsgläubiger
Normenkette: VersAusglG 10; VersAusglG 19; ZPO 829; ZPO 835, ZPO 836
Orientierungssatz:
  • Gepfändete und zur Einziehung übertragene Anrechte können durch interne Teilung ausgeglichen werden.
  • 92 F 1352/17
    AG Bad Homburg v.d.H.

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – 3. Senat für Familiensachen – auf die Beschwerden der weiteren Beteiligten zu 1) und 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. Höhe vom 25.06.2019 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritz sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Kummer-Sicks und Knauth am 07.11.2019 beschlossen:

    1) Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Tenor in den Ziff. II. 1. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung … zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 7,1581 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung …, bezogen auf den 30.06.2018, übertragen.

    2) Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor unter Ziff. II. 3 nach Satz 1 wie folgt zu ergänzen ist:

    Die Übertragung erfolgt mit allen sich aus den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des Finanzamtes … vom 01.02.2018 (Nr.: … über 25.089,37 € und Nr. … über 6.701,27 €) ergebenden Beschränkungen.

    Zusätzlich wird der Anspruch des Antragsgegners gegen das Finanzamt … auf Rückgewähr der diesem mit den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 01.02.2018 übertragenen Bezugsrechte an der oben genannten Rente auf beide Ehegatten als Mitgläubiger übertragen.

    3) Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    4) Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 1.800 €.

    5) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht Bad Homburg hat mit der angefochtenen Entscheidung auf den am 18.07.2018 zugestellten Antrag die am 18.10.1985 geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es u. a. im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der weiteren Beteiligten zu 1) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6,9916 Entgeltpunkten auf dessen Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.06.2018, übertragen. Des Weiteren ist angeordnet worden, dass ebenfalls im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der weiteren Beteiligten zu 3) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 1.255,74 € monatlich nach Maßgabe von § 23 Abs. 1, 2 der Satzung der weiteren Beteiligten zu 3), Stand 28.06.2017, bezogen auf den 30.06.2018, übertragen werde.

    Gegen diese ihr am 12.07.2019 zugestellte Entscheidung wendet sich die weitere Beteiligte zu 1) mit der am 22.07.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie rügt, dass bei der von ihr erteilten Auskunft für die Antragsgegnerin mit dem 31.03.2018 ein fehlerhaftes Ehezeitende zugrunde gelegt worden sei. Die daraufhin neu erteilte Auskunft vom 30.10.2019 weist mit Ehezeitende 30.06.2018 einen Ausgleichswert von 7,1581 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert 50.424,36 €) aus.

    Die weitere Beteiligte zu 3) wendet sich mit der am 02.08.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde ebenfalls gegen die ihr am 11.07.2019 zugestellte Entscheidung des Amtsgerichts und macht geltend, der Ausgleich des bei ihr bestehenden Anrechts des Antragsgegners sei dem Ausgleich nach der Scheidung vorbehalten, weil die Versorgungsanrechte durch zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des Finanzamtes … vom 01.02.2018 in Höhe von 6.701,27 € und 25.089,37 € gepfändet worden seien. Eine Teilung des Anrechts sei nicht mehr möglich, weil der Antragsgegner als Vollstreckungsschuldner sich jeder Verfügung über das Anrecht zu enthalten habe. Der Anspruch der Antragstellerin auf Ausgleich dieses Anrechts bleibe daher dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten

    Die Antragstellerin beantragt,

    die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3) zurückzuweisen.

    Allein der Kapitalwert des Anrechts des Antragsgegners gehe weit über dessen Abgabeschuld von insgesamt 31.790,64 € gegenüber dem Finanzamt … hinaus. Die Gefahr einer Doppelzahlung bei interner Teilung bestehe daher nicht

    II.

    Beide Beschwerden sind statthaft (§ 58 FamFG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurden sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 64, 63 FamFG).

    Zu 1)

    Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) hat in der Sache Erfolg und führt dazu, dass statt der vom Amtsgericht unter Ziff. II. 1, tenorierten 6,9916 Entgeltpunkte 7,1581 Entgeltpunkte von dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung … auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung …, bezogen auf den 30.06.2018, zu übertragen sind. Die der amtsgerichtlichen Entscheidung zugrundeliegende Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1) vom 04.02.2019 war fehlerhaft, weil sie irrtümlich von einem Ehezeitende zum 31.03.2018 ausgegangen war.

    Zu 2)

    Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3) hat nur insoweit Erfolg, als die zu treffende Anordnung wie aus dem Tenor ersichtlich zu ergänzen war. Entgegen der Auffassung der weiteren Beteiligten zu 3) war der Ausgleich des dem Antragsgegner bei ihr erworbenen Anrechts nicht dem schuldrechtlichen Ausgleich vorzubehalten.

    Dabei ist der Senat ebenso wie die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass die bei ihr bestehenden gepfändeten Versorgungsanrechte des Antragsgegners grundsätzlich dem Versorgungsausgleich unterliegen, solange die Verwertung (noch) nicht erfolgt ist. Bei der Pfändung eines Anrechts durch Überweisung zur Einziehung nach § 835 Abs. 1 ZPO steht das Anrecht nach wie vor rechtlich und wirtschaftlich der ausgleichspflichtigen Person zu (Wick, Versorgungsausgleich, 4.A., Rn. 96; Bührer, FamRZ 2019, 947 m.w.N; i. E. auch BGH FamRZ 2019, 785). Wird dem Vollstreckungsgläubiger eine gepfändete Forderung zur Einziehung überwiesen, so wird er durch die Überweisung zur Einziehung lediglich ermächtigt, die Forderung des Vollstreckungsschuldners geltend zu machen (§ 836 ZPO). Die Vollstreckungsforderung des Gläubigers wird mit der Überweisung zur Einziehung also noch nicht befriedigt, sodass die Zwangsvollstreckung somit nicht beendet ist (Zöller/Herget, ZPO, 32. A., § 835 Rn. 7).

    Abweichend von der Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Ausgleich dieses Anrechts aber nicht dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten, sondern unterliegt trotz der Pfändung weiter der internen Teilung.

    Ob die Pfändung solcher Anrechte der Anordnung einer internen Teilung gem. §§ 10 ff VersAusglG entgegensteht, ist streitig. Teilweise wird – wie von der Beschwerdeführerin - vertreten, dass ein mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss belastetes Anrecht in direkter oder entsprechender Anwendung des § 19 VersAusglG als nicht ausgleichsreifes Anrecht zu behandeln und der Ausgleichsberechtigte auf Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gem. §§ 20 ff VersAusglG zu verweisen sei (KG FamRZ 2012, 1218, 1219 mit Anm. Schwamb FamRB 2012, 140 ff., 141; OLG Hamm, Beschluss vom 06.06.2013, 2 UF 250/12; OLG Stuttgart FamRZ 2014, 391 – mit Anm. Borth S. 393, der für eine Aussetzung des Versorgungsausgleichsverfahrens plädiert).

    Nach anderer Meinung (OLG Nürnberg, FamRZ 2018, 336; Norpoth/Sasse in Erman, BGB, 15. A., § 19 VersAusglG Rn. 15; Breuers in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, juris PK-BGB, 8. A. § 19 VersAusglG Rn. 24.1; Götsche, VersAusglG, 3. A., § 2 Rn. 39, Fn. 39 hält die Rspr. des OLG Stuttgart a. a. O. für zweifelhaft, ohne sich jedoch klar zu positionieren) kann auch ein gepfändetes Anrecht im Wege der internen Teilung ausgeglichen werden. Es sei aber sicherzustellen, dass auch die Rechtsstellung des Pfändungsgläubigers berücksichtigt werde, weshalb die Übertragung des Anrechts mit den sich aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergebenden Beschränkungen zu erfolgen habe.

    Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an (so bereits mit der Entscheidung vom 26.07.2017, 3 UF 56/17 – nicht veröffentlicht). Eine fehlende Ausgleichsreife gem. § 19 VersAusglG kann nicht angenommen werden, gilt diese Bestimmung doch nur für solche Anrechte, denen es an Rechtsbeständigkeit fehlt, weil noch nicht alle Voraussetzungen für die Begründung nach Grund und Höhe erfüllt sind. Demgegenüber bewirkt das gepfändete Anrecht aber nur einen Rangrücktritt des Inhabers der Versorgungsanwartschaft.

    Außerdem ist die Rechtsprechung des BGH zu den sicherungsabgetretenen Rechten (BGH FamRZ 2014, 279, Rn.5; FamRZ 2013, 1715 Rn. 8) auf die Situation von gepfändeten Versorgungsanrechten übertragbar. Der BGH hat ausgeführt, dass Anrechte aus einer privaten Altersversorgung, die zur Sicherheit abgetreten sind, ausgleichsreif i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG seien, damit dem Versorgungsausgleich unterlägen und intern geteilt werden könnten. In diesem Falle müsse jedoch zusätzlich der schuldrechtliche Rückgewähranspruch aus der Sicherungsvereinbarung anderen einrückenden nachrangigen Bezugsberechtigten – den anderen Ehegatten – mit übertragen werden.

    Diese Ausführungen sind auf den hier vorliegenden Fall der Pfändung eines Anrechts einer berufsständischen Versorgung übertragbar. Dass die Pfändung einer Forderung die Beschlagnahme der Forderung und die Verstrickung, also die Begründung der staatlichen Verfügungsmacht über die Forderung, verbunden mit einem Verfügungsverbot des Gläubigers der Forderung und mit einem Verfügungsverbot an den Drittschuldner, an den Gläubiger der Forderung zu zahlen, zur Folge hat, steht einer grundsätzlichen Gleichbehandlung einer zur Sicherheit abgetretenen und einer gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Forderung im Versorgungsausgleich nicht entgegen (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 44 – zitiert nach juris). Insbesondere hindert – entgegen der Auffassung der weiteren Beteiligten zu 3) - das in § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO niedergelegte Verbot für den Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, die Durchführung der Teilung nach dem VersAusglG nicht. Verboten ist dem Drittschuldner im Rahmen der Rechtsbeziehung zum Schuldner diesem gegenüber die Erfüllung der Forderung. Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der Vorschrift werden davon staatliche Eingriffe in den Bestand der Forderung berührt, wie sie im Rahmen der Teilung von Anrechten bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs aufgrund gerichtlicher Entscheidung angeordnet werden und vom Versorgungsträger durchzuführen sind (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 45 – zitiert nach juris).

    Da aber sicherzustellen ist, dass auch die Rechtsstellung des Pfändungsgläubigers berücksichtigt wird, war ergänzend anzuordnen, dass die Übertragung des Anrechts mit den sich aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergebenden Beschränkungen zu erfolgen hat.

    Wie bereits oben ausgeführt, bleibt auch bei der Pfändung der Antragsgegner weiter Inhaber der Forderung. Sein Recht tritt bei der Pfändung nur insoweit zurück, wie es zum Erreichen der Forderungserfüllung notwendig ist. Tilgt der Antragsgegner die der Pfändung zugrundeliegende Forderung auf andere Weise, hat er gegen den Gläubiger einen Anspruch auf Aufhebung der Pfändung und ist danach wieder erstrangig Bezugsberechtigter. Dieser schuldrechtliche Rückgewähranspruch ist an den ausgleichsberechtigten Ehegatten mit zu übertragen, weshalb der Tenor wie geschehen um einen weiteren Satz zu ergänzen war.

    Bezeichnenderweise sind die die Gegenauffassung vertretenden Entscheidungen vor den hier angeführten Beschlüssen des BGH zu den sicherheitshalber abgetretenen Versorgungsanrechten ergangen.

    Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 150 Abs. 1, 3, 5 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus den §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 FamGKG.

    Die Rechtsbeschwerde wird zur höchstrichterlichen Klärung der Behandlung von gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Anrechten im Versorgungsausgleich zugelassen.

    Rechtsbehelfsbelehrung: …

    Dr. Fritz Kummer-Sicks Knauth