OLG Frankfurt vom 11.11.2020 (3 UF 156/20)

Stichworte: Umgangsrecht; Umgangspflicht; Umgangsverweigerung; umgangsverweigernder Elternteil; umgangsunwilliger Elternteil; erzwungener Umgang
Normenkette: BGB 1684 Abs. 1; GG 1 Abs. 1; GG 2 Abs. 1; GG 6 Abs. 2 Satz 1; GG 6 Abs. 2 Satz 2
Orientierungssatz:
  • Die in § 1684 Abs. 1 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind.
  • Die Aufgabe der Pflege und Erziehung ihres Kindes ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG eine den Eltern zuvörderst obliegende Pflicht. Mit dieser den Eltern auferlegten Pflicht korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
  • Die Verweigerung von Umgang mit dem Kind stellt einen maßgeblichen, für das Kind und seine Entwicklung entscheidenden Entzug elterlicher Verantwortung und zugleich die Vernachlässigung eines wesentlichen Teils der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den Eltern auferlegten Erziehungspflicht dar.
  • Einem Elternteil ist es auch gegen seinen ausdrücklichen Willen zumutbar, zum persönlichen Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient.
  • 15 F 670/19 UG
    AG Königstein

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache betreffend den Umgang …

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 3. Senat für Familiensachen, auf die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 29.06.2020 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritz sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Kummer-Sicks und Dr. Fink am 11.11.2020 beschlossen:

    Die Beschwerde des Kindesvaters wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kindesvater auferlegt.

    Der Beschwerdewert wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Aus der Ehe der getrenntlebenden aber noch nicht geschiedenen Kindeseltern sind die drei Söhne S1, S2 und S3 hervorgegangen. Den Kindeseltern steht für alle drei Söhne das gemeinsame Sorgerecht zu. Anfang 2017 zog der Kindesvater aus der gemeinsamen Wohnung aus. Seitdem fanden nur noch sporadische Umgangskontakte zwischen dem Kindesvater und seinen drei Söhnen statt.

    Das Umgangsverfahren wurde auf Anregung der Kindesmutter am 30.09.2019 eingeleitet. Die Kinder würden den Kindesvater vermissen und sich einen regelmäßigen Umgang mit ihm wünschen.

    Mit Beschluss vom 30.09.2019 bestellte das Amtsgericht für alle drei Kinder einen Verfahrensbeistand.

    In ihrer amtsgerichtlichen persönlichen Anhörung am 17.01.2020 erklärten S1, S2 und S3 – in Kenntnis des Umstandes, dass der Kindesvater die Kinder derzeit nicht sehen wolle –, dass sie sich einen Umgang mit dem Kindesvater wünschten und ihnen der Kontakt zum Kindesvater fehlte.

    In der amtsgerichtlichen persönlichen Anhörung der übrigen Verfahrensbeteiligten am 06.11.2019 erklärte der Kindesvater, dass er absolut kein Interesse daran habe, dass es den Kindern schlecht ergehe. Er sei in großer Sorge um die Kinder. Dennoch sei es ihm schlicht und ergreifend nicht möglich, derzeit einen Umgang wahrzunehmen. Er sei erneut Vater geworden. Er stünde unter starkem beruflichen Druck, schlafe lediglich drei bis vier Stunden in der Nacht und sei auch schon in Therapie.

    In der amtsgerichtlichen persönlichen Anhörung der übrigen Verfahrensbeteiligten am 29.01.2020 erklärte der Kindesvater erneut, dass er beruflich, wie privat, enorm unter Druck stehe, da er ein neugeborenes Kind habe. Er habe in seiner aktuellen Position ein enormes Arbeitspensum. Teilweise arbeite er bis zu 120 Stunden die Woche. Er habe sich vor dem Hintergrund nicht in der Lage gesehen, einen Umgangskontakt mit seinen drei Kindern wahrzunehmen. Er wolle die Kinder kontaktieren und mit ihnen sprechen und versuchen, ein Konzept zu erarbeiten, nach dem der Kontakt wieder intensiviert werden könne.

    Mit angegriffenem Beschluss vom 29.06.2020 regelte das Amtsgericht den Umgang des Kindesvaters mit S1, S2 und S3 dergestalt, als er das Recht und die Pflicht habe, S1, S2 und S3 an jedem ersten Sonntag im Monat von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr und für die letzte Woche in den Sommerferien 2020, im Übrigen in den geraden Kalenderjahren in der zweiten Ferienhälfte, in den ungeraden Kalenderjahren während der ersten Hälfte der hessischen Schulferien zu sich zu nehmen. Bezüglich der Anordnung im Einzelnen wird auf den Tenor des Beschlusses vom 29.06.2020 (Bl. 126 ff. d.A.) Bezug genommen. Das Gericht wies ferner auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die vorliegende Entscheidung hin.

    Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass der Kindesvater das Recht und insbesondere die Pflicht habe, mit den gemeinsamen Kindern Umgang zu pflegen. Der Umfang des Umgangskontakts entspreche dem Kindeswohl am besten. Dabei sei einerseits zu berücksichtigen, dass der Kindesvater sich im Hinblick auf seine berufliche und private Situation zeitlich nicht in der Lage sehe, überhaupt Umgänge mit S1, S2 und S3 wahrzunehmen. Andererseits wünschten sich die drei Söhne einen Umgang sehnlichst, teilweise drei Mal wöchentlich. Das Gericht sei daher gehalten gewesen, den Wunsch der Kinder nach einem – in Bezug auf den Umfang über das übliche Maße hinausgehenden – Umgang mit dem Kindesvater mit den geringen zeitlichen Ressourcen des Kindesvaters in Einklang zu bringen. Es galt eine Überforderung des Kindesvaters und eine damit einhergehende Enttäuschung der Kinder zu vermeiden, aber andererseits dem Wunsch der Kinder nach einem Umgang mit dem Vater dadurch Rechnung zu tragen, dass dieser zumindest in Form eines Mindestmaßes bindend festgelegt werde.

    Mit seiner gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegten Beschwerde vom 06.08.2020 beanstandet der Kindesvater, dass das Amtsgericht verkannt habe, dass es ihm schlicht und ergreifend nicht möglich sei, Umgang mit seinen Söhnen auszuüben. Einerseits stehe er beruflich enorm unter Druck, da er maßgeblich an der Neuausrichtung und Umstrukturierung des Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank beteiligt sei, aber anderseits auch sehr unter den gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung seiner Ehe leide. Erschwerend komme hinzu, dass er nachts nur drei bis vier Stunden schlafe, da er in seiner neuen Beziehung wiederum Vater geworden sei, und der Säugling naturgemäß nachts Aufmerksamkeit verlange. Sein Therapeut habe ihn gewarnt, dass er unter dem enormen Druck zusammenbrechen könne, wenn er seine psychischen und physischen Belastungen nicht minimiere. Das Gericht habe übersehen, dass der Wunsch des Kindesvaters nicht lediglich von zeitlichen, sondern vielmehr auch von gesundheitlichen Überlegungen motiviert sei.

    Der Kindesvater beantragt nunmehr,

    den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass ein Umgang des Kindesvaters mit S1, S2 und S3 derzeit nicht stattfindet.

    Die Kindesmutter beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Mit Schreiben vom 02.11.2020 hat der Senat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde zurückzuweisen und dass weitere Verfahrenshandlungen im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht für erforderlich erachtet werden.

    II.

    Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Königstein im Taunus vom 29.06.2020 hat in der Sache keinen Erfolg.

    Nach § 1684 Abs. 1 BGB ist der Kindesvater zum Umgang mit S1, S2 und S3 in der vom Amtsgericht tenorierten Form verpflichtet.

    1. Die in § 1684 Abs. 1 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind.

    Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG macht den Eltern die Aufgabe der Pflege und Erziehung ihres Kindes zu einer zuvörderst ihnen obliegenden Pflicht. Dabei können die Eltern grundsätzlich frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. BVerfGE 107, 104, 117). Maßgebliche Richtschnur für ihr Handeln muss aber das Wohl des Kindes sein, denn das Elternrecht ist ein Recht im Interesse des Kindes (vgl. BVerfGE 103, 89, 107). Es ist ihnen um des Kindes willen verbürgt. Die elterliche Pflicht zur Pflege und Erziehung ihres Kindes besteht nicht allein gegenüber dem Staat, sondern auch - unmittelbar - ihrem Kind gegenüber (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).

    Das Kind hat eine eigene Würde und eigene Rechte. Als Grundrechtsträger hat es Anspruch auf den Schutz des Staates und die Gewährleistung seiner grundrechtlich verbürgten Rechte. Eine Verfassung, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertesystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren. Dies gilt auch für die Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem Kind. Das Elternrecht dem Kind gegenüber findet seine Rechtfertigung darin, dass das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 24, 119, 144). Dieses Recht ist deshalb untrennbar mit der Pflicht der Eltern verbunden, dem Kind diesen Schutz und diese Hilfe zu seinem Wohl angedeihen zu lassen. Dabei bezieht sich diese Pflicht nicht lediglich auf das Kind, sie besteht auch gegenüber dem Kind. Denn das Kind ist nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung, es ist Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).

    Mit dieser den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auferlegten Pflicht gegenüber dem Kind, es zu pflegen und zu erziehen, korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Wird jemandem eine Pflicht auferlegt, die sich auf eine andere Person bezieht und die zugleich mit dem Recht verbunden ist, auf diese Person einzuwirken, für sie Entscheidungen zu treffen, ihre Interessen zu vertreten und auf ihre Persönlichkeitsentfaltung maßgeblich und zuvörderst Einfluss zu nehmen, so berührt dies den Kern höchstpersönlicher Lebensentfaltung des Anderen und schränkt dessen freie Willensentscheidung ein. Den Eltern eine solch tiefgreifende Einflussnahme auf das Leben ihres Kindes einzuräumen, rechtfertigt sich allein aus dem Umstand, dass das Kind noch nicht selbst für sich Verantwortung tragen kann und zu Schaden käme, wenn es hierbei keine Hilfe erführe. Bedarf aber das Kind solcher Unterstützung durch seine Eltern und ist deshalb die Elternverantwortung allein dem Wohle des Kindes verpflichtet wie geschuldet, dann hat das Kind auch einen Anspruch darauf, dass zuvörderst seine Eltern Sorge für es tragen, und ein Recht darauf, dass seine Eltern der mit ihrem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflicht auch nachkommen. Dieses Recht des Kindes findet insofern in der elterlichen Verantwortung seinen Grund und wird damit von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt. Es steht in engem Zusammenhang mit dem Grundrecht des Kindes auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, denn es sichert dem Kind den familiären Bezug, der für seine Persönlichkeitsentwicklung von Bedeutung ist. Die persönliche Beziehung zu seinen Eltern, ihre Pflege, Hilfe wie Zuwendung tragen wesentlich dazu bei, dass sich das Kind zu einer Persönlichkeit entwickeln kann, die sich um ihrer selbst geachtet weiß und sich selbst wie andere zu achten lernt (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).

    Das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Erziehungsrecht der Eltern ist ein Recht im Interesse des Kindes (vgl. BVerfGE 75, 201, 218; 103, 89, 107), das auf das Kindeswohl ausgerichtet ist. Dem Wohl des Kindes aber kommt es grundsätzlich zugute, wenn es durch Umgang mit seinen Eltern die Möglichkeit erhält, seinen Vater und seine Mutter kennenzulernen, mit ihnen vertraut zu werden oder eine persönliche Beziehung zu ihnen mit Hilfe des Umgangs fortsetzen zu können. In der Kommunikation mit seinen Eltern kann das Kind Zuneigung erfahren, von diesen lernen und Impulse wie Ratschläge erhalten, was ihm Orientierung gibt, zu seiner Meinungsbildung beiträgt und ihm dazu verhilft, sich zu einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln.

    Die Verweigerung jeglichen Umgangs mit dem Kind und damit die Loslösung von einer persönlichen Bindung zu diesem stellen einen maßgeblichen, für das Kind und seine Entwicklung entscheidenden Entzug elterlicher Verantwortung und zugleich die Vernachlässigung eines wesentlichen Teils der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den Eltern auferlegten Erziehungspflicht dar. In Wahrnehmung der dem Staat in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zugewiesenen Aufgabe, darüber zu wachen, dass die Elternverantwortung zum Wohle des Kindes ausgeübt wird, wozu als gewichtige Voraussetzung der elterliche Kontakt mit dem Kind gehört, hat der Gesetzgeber deshalb in § 1684 Abs. 1 BGB die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet und damit angemahnt, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind nachkommen. Dabei hat er gleichzeitig dem Kind ein Recht auf Umgang mit seinen Eltern eingeräumt und damit das Recht des Kindes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern in diesem Punkt konkretisiert (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).

    Die Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind greift zwar in dessen Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit in der Ausformung des Rechts auf Wahrung seiner Privatsphäre und seiner persönlichen Beziehungen ein, denn es verpflichtet ihn, in persönliche Beziehung zu seinem Kind zu treten, auch wenn er eine solche Beziehung nicht aufnehmen oder fortsetzen will. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, insbesondere wegen der den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten wie auferlegten Verantwortung für ihr Kind und wegen des Rechtes des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern, das ebenfalls von dieser Grundrechtsnorm geschützt ist (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).

    Die elterliche Umgangspflicht dient dem vom Gesetzgeber in § 1684 Abs. 1 BGB verfolgten Zweck, dem gesetzlich zuerkannten Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern durch eine entsprechende Verpflichtung der Eltern dazu Nachdruck zu verleihen und so dem Kind zu ermöglichen, mit seinen Eltern zusammenzutreffen. Ein solcher Umgang ist für die kindliche Entwicklung von herausragender Bedeutung. Es ist nicht zu beanstanden und wird durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, wenn der Gesetzgeber bei seiner Inpflichtnahme der Eltern davon ausgegangen ist, ein beständiger persönlicher Kontakt zwischen Eltern und Kind nehme positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung und sei grundsätzlich dem Kindeswohl dienlich. Die Umgangspflicht ist auch geeignet, die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern zu fördern. Es ist nicht auszuschließen, dass ein zum Umgang verpflichteter Elternteil, selbst wenn er zunächst an einer regelmäßigen Begegnung mit seinem Kind kein Interesse hat und von sich aus den persönlichen Kontakt mit seinem Kind nicht sucht, sich durch die in § 1684 Abs. 1 BGB enthaltene Verpflichtung zum Umgang mit seinem Kind oder durch die darauf gestützte gerichtliche Anordnung, die seine Umgangspflicht konkretisiert, beeindrucken und bewegen lässt, dieser Pflicht im wohlverstandenen Sinne des Kindes nachzukommen und diesem damit zu ermöglichen, eine Beziehung zu ihm aufzubauen oder fortzusetzen. Ein milderes Mittel, dem Umgangsrecht des Kindes zu seinem Wohle Nachdruck zu verleihen und zur Durchsetzung zu verhelfen, ist nicht ersichtlich, sodass die elterliche Umgangsverpflichtung auch erforderlich ist (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).

    Schließlich ist es einem Elternteil auch zumutbar, angehalten zu werden, mit seinem Kind Umgang zu pflegen. Einem Elternteil wird in aller Regel nicht nur abverlangt, eine Begegnung mit seinem Kind zu erdulden. Vielmehr wird von ihm erwartet, dass er sich dem Kind zuwendet, mit ihm kommuniziert und eine persönliche Beziehung zum Kind herstellt oder fortsetzt. Ein dazu nicht bereiter Elternteil kann hierdurch unter nicht unerheblichen psychischen Druck geraten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Eltern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht allein das Recht, sondern auch die Pflicht zur Pflege und Erziehung ihres Kindes haben. Dieser Pflicht können Eltern zwar auch dadurch nachkommen, dass sie das Kind der Obhut anderer anvertrauen. Eine solche Delegation der Erziehung entbindet jedoch nicht von der Verantwortung, die Eltern für ihr Kind tragen. Ohne einen Umgang mit dem Kind wird es schwerlich möglich sein, als Elternteil so auf das Kind Einfluss zu nehmen, wie es dessen speziellem Wohl entspricht und dessen persönlicher Entwicklung förderlich ist. Insofern ist der Umgang mit dem Kind eine wesentliche Voraussetzung und Grundlage für die Ausübung des Elternrechts im Interesse des Kindes (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).

    Es ist einem Elternteil deshalb zumutbar, auch unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845; OLG Hamm FamRZ 2018, 111).

    Entgegen der Auffassung des Kindesvaters, in seiner Beschwerdeschrift vom 06.08.2020, ist also allein der entgegenstehende Wille des Umgangsverpflichteten nicht ausschlaggebend (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845). Auch die von dem Kindesvater zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm kommt zu keinem anderen Ergebnis. Dient der Umgang dem Kindeswohl ist es einem Elternteil – auch entgegen seinem Willen – zumutbar, zum Umgang mit dem Kind verpflichtet zu werden (OLG Hamm FamRZ 2018, 111).

    2. Ein Umgang des Kindesvaters mit seinen drei Kindern S1, S2 und S3 dient deren Wohl.

    Dem Vermerk der erstinstanzlichen persönlichen Anhörung der drei Kinder vom 17.01.2020 ist zu entnehmen, dass sich alle drei Kinder – in Kenntnis des Umstandes, dass der Kindesvater die Kinder derzeit nicht sehen wolle – einen Umgang mit dem Kindesvater wünschen und ihnen der Kontakt zum Kindesvater fehlt.

    So hat S1 erklärt, dass er den Papa drei Mal die Woche sehen wolle und auch in den Urlaub mit ihm wolle. Er wolle wissen, wie sein Halbbruder heiße und ihn gerne mal kennenlernen. Ebenso hat S3 berichtet, dass er den Papa treffen, mal wieder ein Wochenende mit ihm verbringen und auch mal wieder mit ihm reisen wolle. Er sei traurig darüber, dass er keinen Kontakt zu seinem Vater habe. Auch S2 hat erklärt, dass er den Papa sehr bald wiedersehen möchte. Möglichst zudem regelmäßig mittwochs und am Wochenende, wobei ihm die Wochenenden wesentlich wichtiger seien.

    Ebenso ist den Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2019 und vom 29.01.2020, den Schreiben vom 07.04.2020 und 24.08.2020 zu entnehmen, dass alle drei Kinder über einen längeren Zeitraum hinweg deutlich gemacht hätten, wie sehr sie sich einen Umgang mit dem Kindesvater wünschten.

    In der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2020 wies der Verfahrensbeistand darauf hin, dass tatsächlich eine ausgesprochen bemerkenswerte Sehnsucht nach dem Papa feststellbar sei. Die Kinder dürsteten förmlich nach einem Kontakt zum Papa, und man müsse ihnen unbedingt eine Aussicht, eine Hoffnung geben. Es sei bemerkenswert, dass entgegen dem, was sich aus sonstigen Kindschaftsverfahren im Rahmen von Trennungskonflikten ableiten lasse, die Kinder keinerlei Wut oder Verärgerung gegenüber dem Papa zum Ausdruck gebracht hätten. Allein im Vordergrund habe das Bedürfnis gestanden, den Papa gerne wieder zu sehen und ihn als Teil ihres Lebens zurückzugewinnen.

    Auch erklärte die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamts in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2019, dass die Kinder ihr berichtet hätten, dass der Kindesvater den Kindern im Zug erklärt habe, die Kinder eine Zeit lang nicht mehr sehen zu können, da er beruflich und privat sehr eingespannt sei. Trotz der Ablehnung des Kindesvaters würden die Kinder sich sehnlichst einen wie auch immer gearteten Umgangskontakt mit dem Kindesvater wünschen. Sie hätten der Mitarbeiterin des Jugendamts mitgeteilt, dass sie den Wunsch hätten, richterlich angehört zu werden, da sie die Hoffnung hätten, dem Richter Tipps dafür zu geben, wie dieser den Papa davon überzeugen könne, Umgang mit ihnen zu haben.

    Ferner führte die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamts in ihrer Stellungnahme vom 05.05.2020 aus, dass regelmäßige Treffen zwischen dem Kindesvater und den Kindern unerlässlich seien.

    Angesichts von S1´, S2´ und S3´ Alter bei ihrer letzten Anhörung und der Beharrlichkeit ihrer Willensäußerungen bis zur Einreichung des Beschwerdeschriftsatzes des Kindesvaters kann ihr Wille nicht übergangen werden, dass sie sich persönlichen Kontakt zum Kindesvater wünschen. Hier ist auch in den Blick zu nehmen, dass alle drei Kinder mit der Kundgabe ihres Willens von ihrem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerfGK 15, 509, 515) und ihrem Willen mit zunehmenden Alter vermehrt Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGK 9, 274, 281; 10, 519, 524). Der Kindeswille hat bei Kindern im Alter von S1 (9 Jahre im Zeitpunkt seiner erstinstanzlichen persönlichen Anhörung), S3 (11 Jahre im Zeitpunkt seiner erstinstanzlichen persönlichen Anhörung) sowie S2 (13 Jahre im Zeitpunkt seiner erstinstanzlichen persönlichen Anhörung) ein nicht geringes Gewicht (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 1093; BVerfGK 9, 274, 281; 10, 519, 524).

    Soweit der Kindesvater vorträgt, er wolle und könne die Kinder derzeit nicht sehen, da er privat wie beruflich enorm unter Druck stehe, weil er mit seiner neuen Lebensgefährtin ein Kind habe und in seiner aktuellen beruflichen Position teilweise bis zu 120 Wochenstunden arbeiten müsse, ist dem durch die sehr eingeschränkte Umgangsverpflichtung bereits Rechnung getragen worden. Dabei ist festzuhalten, dass die vorgetragenen Belange des Kindesvaters ihn eher zu einer Umdisponierung seiner Prioritäten veranlassen sollten, statt seiner verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Umgangspflicht mit seinen drei älteren Kindern weiter nicht nachzukommen.

    Sofern der Kindesvater nunmehr in seinem Schriftsatz vom 26.10.2020 vorträgt, dass sich aus dem Schreiben des Verfahrensbeistands vom 08.09.2020 ergebe, dass seine drei Söhne nunmehr bis auf Weiteres auf Umgangskontakte mit ihrem Vater verzichten würden, da sie nicht möchten, dass ein Kontakt dem Kindesvater mit eventueller Verhängung von Ordnungsmitteln aufgezwungen werde, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

    Das Schreiben des Verfahrensbeistands zeigt, dass es sich dabei mitnichten um einen freiwilligen Verzicht der drei Kinder auf Umgangskontakte mit dem Kindesvater handelt. Vielmehr wollen S1, S2 und S3 die mit erheblichen Belastungen für sie einhergehende prozessuale Situation einer Vollstreckung eines von ihnen gewünschten Umgangs mit dem anscheinend unwilligen Kindesvater vermeiden. Bereits diese aus ihrer Reaktion ersichtliche Verzweiflung und Verletzung zeigt, wie wichtig ihnen ein Umgang – in dem ohnehin schon sehr begrenzten Umfang – mit dem Kindesvater wäre.

    Dabei ist festzustellen, dass S1, S2 und S3 laut der Stellungnahme des Verfahrensbeistands vom 08.09.2020 allein aufgrund des Umstandes, dass gegen den Kindesvater ein Umgangskontakt, gegebenenfalls unter Verhängung von Ordnungsmitteln, aufgezwungen werde, nunmehr auf einen weiteren Umgang verzichten. Von ihrem in der Vergangenheit mehrfach geäußerten Wunsch, regelmäßigen persönlichen Umgang mit ihrem Vater zu haben, sind sie dadurch nicht abgerückt. Der Sorge der Söhne, dass ein Umgangskontakt aufgezwungen werde, kann insoweit begegnet werden, als der Kindesvater den angeordneten Umgang einfach wahrnimmt. So will der Kindesvater selbst in seinem Schriftsatz vom 26.10.2020 klarstellen, dass es seinerseits nicht um eine Frage des Wollens gehe. Bezüglich eines Könnens bedarf es seitens des Kindesvaters lediglich einer Umstrukturierung seiner Prioritäten einmal im Monat an einem Sonntag und für eine Hälfte in den jeweiligen längeren hessischen Schulferien. Dass diese Zeiträume mit seiner beruflichen Tätigkeit (die ebenfalls dem Arbeitsrecht unterliegt und deren Arbeitszeiten von wöchentlich 120 Stunden gegebenenfalls einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden müssten) und der Versorgung seines jüngsten Kindes nicht vereinbar seien, hat der Kindesvater im Konkreten weder vorgetragen, noch nachgewiesen.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach sind die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten aufzuerlegen, der es eingelegt hat. Es bestand kein Anlass, von der gesetzlichen Regelfolge abzuweichen.

    Gemäß § 40 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG ist der Wert des Beschwerdeverfahrens auf 3.000,- EUR festzusetzen; Anhaltspunkte, die die Wertfestsetzung im Einzelfall unbillig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.

    IV.

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

    Dr. Fritz Kummer-Sicks Dr. Fink