OLG Frankfurt vom 08.07.2003 (3 UF 120/03)

Stichworte: Einstweilige Anordnung, negative Feststellungsklge, Abänderungsverfahren Abänderung der EA in der Berufungsinstanz, Rücknahme des Rechtsmittels in der Hauptsache
Normenkette: ZPO 620b
Orientierungssatz: Zur Zulässigkeit eines Antrags nach § 620b ZPO, wenn in der Hauptsache da s Rechtsmittel zurückgenommen wurde.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 8. Juli 2003 beschlossen:

I. Die Rücknahme der gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß-Gerau vom 17. 3. 2003 eingelegten Berufung hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.

II. Der Antragsgegnerin wird die zur Rechtsverteidigung gegen Berufung und Abänderungsantrag begehrte Prozeßkostenhilfe versagt. Die Berufung ist vor ihrer Begründung zurückgenommen worden, so daß die Beteiligung am Berufungsverfahren noch nicht erforderlich war. Die Rechtsverteidigung gegen den Abänderungsantrag hat keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO.

III. Die Einstweilige Anordnung des Amtsgerichts -Familiengericht -Groß-Gerau vom 9. 12. 2002 wird auf Antrag des Antragstellers dahin abgeän-dert, daß die Zahlungspflicht der mtl. 600 EUR mit dem 30. 6. 2003 endet.

IV. Der Berufungskläger hat die Kosten der Berufung gemäß § 516 Abs. 3 ZPO zu tragen; die Kosten des Anordnungsabänderungsverfahrens folgen gem. § 620g ZPO der erstinstanzlichen Kostenentscheidung (Kostenquotelung).

V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.700 EUR festgesetzt; der Wert des Abänderungsverfahrens auf 3.600 EUR.

Gründe:

Die analphabetische Antragsgegnerin hat im Scheidungsverbundverfahren am 9. 12. 2002 nach mündlicher Verhandlung - ausgehend von einem Einkommen des Antragstellers von 1.500 EUR - im Wege der einstweiligen Anordnung einen monatlichen Unterhalt von 600 EUR erwirkt. Dieser als "Trennungsunterhalt" begehrte Betrag ist nicht bis zur Rechtskraft der Scheidung befristet worden. Mangels eines Hauptsacheantrages der Antragsgegnerin hat der Antragsteller wegen unterlassener Erwerbsbemühungen der Antragsgegnerin im Verbund die Feststellung begehrt, daß der Antragsgegnerin ab Scheidung kein Unterhalt mehr zustehe. Im Verbundurteil vom 17. 3. 2003 ist dieser Antrag abgewiesen worden, weil es die Antragsgegnerin schwer habe, einen Arbeitsplatz zu finden und deswegen jetzt noch nicht festgestellt werden könne, daß ihr kein Unterhaltsanspruch zustehe.

Gegen das Verbundurteil hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung insoweit eingelegt, als sein Feststellungsantrag abgewiesen worden ist. Innerhalb der bis 20. 6. 2003 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begehrt er gem. § 620b ZPO die Abänderung der einstweiligen Anordnung. Er rügt die fehlende Befristung auf die Dauer des Getrenntlebens und macht geltend, er habe der Antragsgegnerin unter dem 12. 2. 2003 zwei Arbeitsstellen als Putz- bzw. Küchenhilfe nachgewiesen, bei denen er zuvor abgeklärt habe, daß der Ausbildungsstand der Antragsgegnerin einer Einstellung nicht entgegenstünde. Die Antragsgegnerin habe sich bei diesen Firmen "offensichtlich nicht einmal gemeldet und damit ihre Arbeitslosigkeit selbst verschuldet".

Innerhalb der bis 2. 6. 2003 gesetzten Erwiderungsfrist hat die Antragsgegnerin ihre Unterhaltsbegehr auf den Folgesachenunterhalt erweitert, hat aber keinerlei Erwerbsbemühungen dargelegt und ist insbesondere der Sachdarstellung des Antragstellers nicht entgegengetreten.

Seine Berufung hat der Antragsteller am 18. 6. 2003 zurückgenommen, gleichzeitig aber die Bescheidung seines Abänderungsantrages beantragt.

Für diese bleibt der Senat zuständig, nachdem die Hauptsache bei ihm angefallen war ( vgl. den Hinweis auf den Grundsatz der perpetuatio fori bei Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 620b, Rz. 11 sowie § 620a, Rz. 12 und 13 ). Dabei weist der Senat auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin, daß der Antragsteller durch seine Beschränkung der Berufung, nicht gehindert gewesen wäre, sein Rechtsmittel mit der Begründung auf weitere, ihn beschwerende Teile der angefochtenen Entscheidung zu erstrecken, weil in der Bezeichnung des Anfechtungsumfanges in aller Regel ein Verzicht auf weitergehende Anfechtung nicht zu erblicken ist ( vgl. BGH FamRZ 1981, 946 und 1983, 685, jeweils m. w. N.). Zumal wegen der Möglichkeit für die Antragsgegnerin, sich der Berufung anzuschließen ( vgl. § 629a III ZPO ), waren im Zeitpunkt der Anbringung des Abänderungsantrages sowohl die Ehesache als auch die beschiedenen Folgesachen Unterhalt und Versorgungsausgleich noch in der Schwebe.

Infolge der Rechtsmittelrücknahme ist indessen nunmehr die Rechtskraftwirkung des Verbundurteils auf die Abänderungsbegehr des Antragstellers zu prüfen.

Grundsätzlich hat ein Urteil, das eine negative Feststellungsklage aus sachlichen Gründen abweist, dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil, das das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt;allerdings ergibt sich der Umfang der Rechtskraft - wie bei jedem klageabweisenden Urteil - stets erst aus den Gründen, so daß er sich im Einzelfall verschieden gestalten kann ( vgl. BGH FamRZ 1986, 565 ). Vorliegend hat das Verbundurteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. 2. 2003 ausgeführt, daß die Arbeitssuche mehrere Monate dauern könne und "jetzt" noch nicht festgestellt werden könne, daß der Antragsgegnerin kein Unterhaltsanspruch zusteht. Der Abänderungsantrag bringt demgegenüber unwidersprochen vor, daß die Antragsgegnerin auch nach der mündlichen Verhandlung keinerlei Erwerbsbemühungen unternommen habe. Damit ist der Senat in Rahmen des summarischen EA-Verfahrens frei, die Unterhaltsbegehr der Antragstellerin in diesem Lichte zu beurteilen.

Daß erstinstanzlich nur Trennungsunterhalt beantragt war, führt nicht zur Notwendigkeit einer Befristung des Titels bis zur Rechtskraft der Scheidung.Der Verstoß gegen § 308 I ZPO ist dadurch geheilt worden, daß die Antragsgegnerin in zweiter Instanz die Zurückweisung der gegnerischen Abänderungsbegehr beantragt, sich den Unterhaltsausspruch des Amtsgerichts damit zu eigen gemacht und ihre Unterhaltsbegehr entsprechend erweitert hat ( vgl. BGH FamRZ 1981, 944, 945, m. w. N. und FamRZ 1986, 661 ).

"Mehrere" Monate seit der mündlichen Verhandlung und dem Verbundurteil sind am 30. 6. 2003 verstrichen. Daß die Antragsgegnerin, hätte sie sich um eine Stelle bemüht, seit dem 2. Halbjahr 2003 immer noch ohne Beschäftigung wäre, hat sie nicht dargetan und ist nach dem unwiderlegten Vorbringen des Antragstellers nicht anzunehmen. Bei dem von ihm behaupteten Stundenlohn von 6,50 EUR bzw. 7,00 EUR wäre es der Antragsgegnerin möglich, den titulierten Betrag und deutlich mehr netto zu erzielen. Daß ihr etwa ein Aufstockungsunterhalt in Höhe wenigstens eines Teilbetrages der 600 EUR zustünde, hat die Antragsgegnerin ebenfalls nicht substantiiert. Die ehelichen Lebensverhältnisse, die durch hohe Schuldverbindlichkeiten des Antragstellers geprägt gewesen sein sollen, sind von ihr nicht dargelegt, so daß der Senat im vorliegenden summarischen Eilverfahren keine Feststellungen zum eheangemessenen Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin treffen kann. Die Darlegungs- und Beweislast für einen eventuellen trotz Erwerbstätigkeit noch bestehenden Unterhaltsanspruch trifft aber die Antragsgegnerin.

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