OLG Frankfurt vom 21.11.2003 (3 UF 119/02)

Stichworte: Elternunterhalt, Bedürftigkeit
Normenkette: BGB 242, 1601,1602, BSHG 91
Orientierungssatz: Einem Kind, das im Sozialhilfeantrag eines seiner Eltern falsche Angaben zu dessen Vermögen gemacht hat, ist es verwehrt, sich gegenüber dem übergeleiteten Unterhaltsanspruch auf fehlende Bedürftigkeit des Elternteils zu berufen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß-Gerau vom 05.04.2002 (63 C 674/97 (12)) aufgrund der mündlichen Verhand-lung vom 19.09.2003 durch Richter am Oberlandesgericht Kirschbaum als entschei-dender Einzelrichter gemäß § 526 ZPO für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.005,79 EUR (41.083,59 DM) nebst 6 % Zinsen aus 13.171,87 EUR (25.761,94 DM) seit 01.11.1994 sowie aus weiteren 7.833,84 EUR (15.321,65 DM) seit 05.09.1997 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Der Kläger macht Ansprüche aus übergeleitetem Recht geltend. Es handelt sich hierbei um Unterhaltsansprüche des verstorbenen Vaters des Beklagten, der in der hier betroffenen Zeit vom 01.02.1994 bis zum 01.02.1995 Leistungen nach den Vorschriften des BSHG vom Kläger erhalten hat.

Die vorgenannten Sozialhilfeleistungen wurden dem verstorbenen Vater des Beklagten aufgrund von dessen Sozialhilfeantrag vom 26.11.1993 gewährt. Diesen Sozialhilfeantrag hat der Beklagte für seinen Vater ausgefüllt, der Vater hat ihn dann unterschrieben; auf den Sozialhilfeantrag nebst Anlage (vgl. Bl. 61 bis 67 d.A.). wird Bezug genommen. In diesem Sozialhilfeantrag hat der Beklagte das seinem Vater zustehende Nießbrauchsrecht am damals im Eigentum des Beklagten stehenden Hausgrundstückes nicht erwähnt. Die Frage, nach Schenkungen seines Vaters in den letzten 10 Jahren wurde in dem Sozialhilfeantrag ausdrücklich verneint.

Aus dem Übergabevertrag des betroffenen Hausgrundstücks vom Beklagten an seinen Sohn aus dem Dezember 1993 ergibt sich, dass dieses Hausgrundstück mit einem Nießbrauchsrecht des verstorbenen Vaters des Beklagten belastet war. Im vorliegenden Verfahren verteidigt sich der Beklagte u.a. damit, dass sein Vater im Jahre 1993 ca. 40.000,-- DM an eine Nichte verschenkt habe, diese Schenkung war dem Beklagten im November 1993, d.h. bei der Stellung des Sozialhilfeantrags, aber bekannt.

Der Kläger hat in einem Schreiben vom 16.02.1994 mitgeteilt, dass ab dem 01.02.1994 die Kosten der Heimunterbringung des verstorbenen Vaters des Beklagten vom Sozialamt übernommen würden (vgl.die Klagebegründung vom 23.12.1997, Bl. 9 - 10 - d.A.), an wen dieses Schreiben gerichtet ist, ergibt sich nicht aus der Akte. Die Wahrungsanzeige des Klägers an den Beklagten datiert vom 09.03.1994 (vgl. Bl. 34. d.A.).

Der Beklagte war zum damaligen Zeitpunkt (November 93 ff.) beim Sozialamt der Stadt Mörfelden beschäftigt.

Auf den Inhalt des angefochtenen Urteils vom 05.04.2002 wird hinsichtlich des weiteren Tatbestandes Bezug genommen, ebenso auf die Berechnung der Klageforderung gemäß Klagebegründung vom 23.12.1997, schließlich auch auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 19.09.2003 (vgl. Bl. 121 ff. d.A.).

Die Klage ist im wesentlichen begründet, lediglich für die Zeit vom 01.02.1994 bis einschließlich 08.03.1994 war die Klage abzuweisen.

Der Beklagte schuldet dem Kläger aus übergeleitetem Recht gemäß der §§ 1602, 1603 BGB, 91 BSHG den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Unterhaltsbetrag nebst entstandener Verzugszinsen. Der Beklagte ist mit seinem verstorbenen Vater in gerader Linie verwandt im Sinne des § 1601 BGB, d.h. er ist insoweit verpflichtet, Unterhalt entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu gewähren.

Der Beklagte kann sich hier nicht auf fehlende Unterhaltsbedürftigkeit seines verstorbenen Vaters berufen. In Kenntnis eines seinem Vater zustehenden Nießbrauchsrechts an einem Grundstück, hat der beim Sozialamt der Stadt Mörfelden beschäftigte Beklagte dieses Recht im von ihm für den Vater ausgefüllten Sozialhilfeantrag vom 26.11/01.12.1993 nicht erwähnt, ebenso nicht die ihm damals bekannte Schenkung seines Vaters an die beigetretene Streitverkündete, Frau XYZ.. Eine Berufung auf fehlende Bedürftigkeit im Hinblick auf diese fehlerhaften Angaben ist dem Beklagten gemäß Treu und Glauben (§ 242 BGB) nunmehr verwehrt.

Der Beklagte muss auch hinsichtlich des hier eingeklagten Unterhaltsbetrages für leistungsfähig angesehen werden, er hat seine Leistungsfähigkeit zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt, im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass er Eigentümer einer Ferienimmobilie im Ausland ist.

Lediglich für die Zeit vom 01.02. bis 08.03.1994 kann der Kläger vom Beklagten keine Unterhaltsleistungen für den verstorbenen Vater des Beklagten fordern. Insoweit fehlt es an einer rechtzeitigen Inverzugsetzung. § 91 Abs. 3 BSHG in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung (vgl. insoweit den Schriftsatz des Klägervertreters vom 08.10.2003) steht dem nicht entgegen. Nach dieser Regelung musste ein übergegangener Unterhaltsanspruch dem Unterhaltspflichtigen unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden. Frühestens mit dem Schreiben des Kreises vom 16.02.1994 könnte dies überhaupt erfolgt sein, im vorliegenden Verfahren ist jedoch nicht vorgetragen, an wen dieses Schreiben gerichtet war, eine in der Akte (vgl. Bl. 10 d.A.) befindliche Kopie dieses Schreibens ist sowohl in der Adresse, als auch im Fertigungsdatum nicht leserlich. Zu Gunsten des Beklagten musste daher davon ausgegangen werden, dass ihm erst mit der Rechtswahrungsanzeige vom 09.03.1994 die Unterhaltsbedürftigkeit und damit der übergeleitete Unterhaltsanspruch seines Vaters bekannt wurde.

Der auf die Zeit 01.02. - 08.03.1994 entfallene Betrag errechnet sich wie folgt: Aus dem nicht widersprochenen Vortrag der Klagebegründung vom 23.12.1997 ergibt sich, dass in der Zeit vom 01.02. bis 08.03.1994 der Heimtagessatz 206,80 DM betragen hat, dieser sich für 36 Tage, also auf 7.444,80 DM summierte. Da weiterhin das Einkommen des Vaters des Beklagten zu berücksichtigen war, dass sich für die Zeit vom 01.02.1994 bis zum 31.03.1994 auf 5.027,96 DM belief, d.h. dass hiervon 3.067,91 DM auf den betroffenen Zeitraum 01.02. bis 08.03.94 entfielen (5.027,96 : 59 x 36), verblieb für den obengenannten Zeitraum ein ungedeckter Unterhaltsbedarf von 2237,87 EUR (= 4376,89 DM = 7444,80 DM - 3067,91 DM) den der Kläger hier nicht einfordern kann.

Für die Zeit 09.03.1994 bis 01.02.1995 hat der Beklagte jedoch den insoweit geforderten Unterhalt vom 21005,70 EUR (= 41083,59 DM = 45460,48 DM - 4376,89 DM) an den Kläger zu zahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 97, 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziff. 10 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, das Urteil

Kirschbaum