OLG Frankfurt vom 02.07.1999 (2 WF 92/99)

Stichworte: Scheidungsfolgenvereinbarung, Teilnichtigkeit, Wirksamkeit, formlos, Vertreter, Verzicht, Gütertrennung
Normenkette: BGB 125, 139, 242, 1585, 1378 Abs. 3 Satz 2, 1408, 1410
Orientierungssatz: Der Gesetzeswortlaut (§ 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB) scheint zwar dafür zu sprechen, daß ein Scheidungsverfahren bereits anhängig, also ein Scheidungsantrag bereits eingereicht sein muß. Sinn und Zweck dieser Vorschrift gebieten allerdings die Auslegung dahin, daß es auf die Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens nicht ankommen kann (vgl. hierzu BGHZ 86, 143, 150).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 2. Juli 1999 beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 12. März 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Parteien haben am 31. März 1964 die Ehe geschlossen und sich am 15. August 1989 endgültig getrennt. In Vorbereitung des Scheidungsverfahrens sind die Parteien übereingekommen, die Scheidungsfolgen durch einen notariellen Vertrag zu regeln. Der Beklagte hat am 15. März 1990 vor dem Notar Starke (UR-Nr. 29/1990) der Klägerin ein Angebot gemacht, wonach die Klägerin ihren hälftigen Miteigentumsanteil an einem Baugrundstück auf den Beklagten zu Alleineigentum überträgt, als Gegenleistung hierfür einen Betrag von 130.000 DM erhält, damit etwaige Zugewinnausgleichsansprüche abgegolten sind, vom Zeitpunkt der Zahlung des Betrages an Gütertrennung eintreten soll und für die Zeit nach der Scheidung auf sämtliche Unterhaltsansprüche einschließlich des Notunterhalts verzichtet werden soll. Dieses Angebot hat die Klägerin durch Urkunde vom 28. Mai 1990 des Notars Senger (UR-Nr. 64/90) angenommen. Der Vertrag wurde in der Folgezeit ausgeführt. Auf den am 17. Juli 1990 eingereichten, am 24. Juli 1990 zugestellten Antrag des Beklagten hin hat das Amtsgericht durch Urteil vom 25. März 1991 (seit diesem Tage rechtskräftig) die Ehe geschieden.
BR Die Klägerin war Eigentümerin eines Drei-Familien-Hauses, das sie am 31. Januar 1991 für 310.000 DM veräußert hat.

Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunft über seine Einkünfte sowie auf Zahlung von mindestens 1.000 DM Unterhalt monatlich für die Zeit ab 1. Juli 1998 in Anspruch, und hat sie hierfür Prozeßkostenhilfe beantragt. Sie beruft sich darauf, der Unterhaltsverzicht in der notariellen Urkunde vom 15. Mai 1990 sei unwirksam. Zum Zeitpunkt der Scheidung und danach habe sie aus Altersgründen und wegen langjähriger ausschließlicher Haushaltstätigkeit einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können.

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluß der Klägerin die beantragte Prozeßkostenhilfe mit der Begründung versagt, sie habe wirksam auf Unterhalt für die Zeit nach Scheidung verzichtet.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

Diese ist gemäß § 127 Abs. 4 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der beabsichtigten Rechtsverfolgung der Klägerin fehlt die für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Dem von ihr geltend gemachten Unterhaltsanspruch steht ein wirksamer Unterhaltsverzicht für die Zeit nach der Scheidung gemäß § 1585 c BGB entgegen. Die Parteien haben zwar den Unterhaltsverzicht mit formbedürftigen anderen Vereinbarungen über Zugewinnausgleich und Güterstand verbunden, so daß auch der Verzicht regelmäßig zur Vermeidung der Nichtigkeit nach § 139 BGB der entsprechenden Form bedarf, obwohl er im allgemeinen auch formlos möglich ist (vgl. Palandt/Diederichsen, Rdnr. 14 zu § 1585 c BGB). Zwar erstreckt sich nach § 139 BGB eine Teilnichtigkeit auf das ganze Rechtsgeschäft, jedoch dann nicht, wenn anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Nichtig ist jedoch lediglich die Vereinbarung der Gütertrennung vom Zeitpunkt der Zahlung des Betrages von 130.000 DM ab, also ab 30. Juni 1990. Denn die Vereinbarung eines vom gesetzlichen Güterstand abweichenden Güterstandes war nach § 1408 BGB nur durch Ehevertrag möglich, der nach § 1410 BGB der Beurkundung durch einen Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile geschlossen werden mußte, wobei Vertretung, auch durch einen vollmachtlosen Vertreter, möglich gewesen wäre. Der Vertrag über die Scheidungsfolgen ist jedoch auf andere Weise zustandegekommen, nämlich durch ein notariell beurkundetes Angebot, das die Klägerin durch notarielle Urkunde angenommen hat. Der Vertrag ist also nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragsschließenden geschlossen worden, sondern durch Willenserklärungen unter Abwesenden.

Soweit der Vertrag jedoch Regelungen über den Zugewinnausgleich sowie die Verpflichtung zur Übereignung eines ideellen Miteigentumsanteils beinhaltet, ist die erforderliche Form gewahrt. Nach § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB bedarf eine Vereinbarung, welche die Ehegatten während eines Verfahrens, das auf die Auflösung der Ehe gerichtet ist, für den Fall der Auflösung der Ehe über den Ausgleich des Zugewinns treffen, der notariellen Beurkundung. Dieser Voraussetzung genügen beide Parteierklärungen. Insoweit ist auch ohne Belang, daß der Vertragsschluß, der mit dem Zugang der Annahme des Angebots vom 28. Mai 1990 erfolgt ist, zeitlich vor Stellung des Scheidungsantrages liegt. Der Gesetzeswortlaut scheint zwar dafür zu sprechen, daß ein Scheidungsverfahren bereits anhängig, also ein Scheidungsantrag bereits eingereicht sein muß. Sinn und Zweck dieser Vorschrift gebieten allerdings die Auslegung dahin, daß es auf die Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens nicht ankommen kann (vgl. hierzu BGHZ 86, 143, 150). Auch die für die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücksanteils nach § 313 BGB zu beachtende notarielle Form ist gewahrt. Die Klägerin beruft sich zwar darauf, daß auch § 925 Abs. 1 BGB die gleichzeitige Anwesenheit beider Vertragsschließenden voraussetze. Diese Bestimmung regelt jedoch nur die Auflassung, also die dingliche Einigung, nicht das Verpflichtungsgeschäft. Nach § 5 Abs. 1 der notariellen Urkunde vom 15. Mai 1990 sollte die Auflassung erst nach Annahme des Vertragsangebotes erfolgen. Da offenbar inzwischen der Beklagte auch als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen ist, ist davon auszugehen, daß eine wirksame Auflassung vorgelegen hat, jedenfalls ist anderes nicht vorgetragen.

Wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form (§ 125 BGB) war damit lediglich die Vereinbarung der Gütertrennung nichtig. Die übrigen Vereinbarungen werden hiervon jedoch schon deshalb nicht erfaßt, weil davon auszugehen ist, daß die Scheidungsfolgenvereinbarung auch ohne die Vereinbarung eines anderen Güterstandes geschlossen worden wäre, denn diese Klausel wird üblicherweise in Scheidungsfolgenvereinbarungen aufgenommen, die bereits vor dem Stichtag gemäß § 1384 BGB geschlossen werden, weil noch bis zur Zustellung des Scheidungsantrages Veränderungen eintreten könnten. Etwas anderes könnte nur dann angenommen werden, wenn in diesem Zeitraum noch nennenswerte Veränderungen zu Lasten der Klägerin zu erwarten gewesen wären, die beispielsweise einen Zugewinnausgleichsanspruch des Beklagten hätten entstehen lassen können. Dafür bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte.

Diese im Hinblick auf § 139 BGB aus der Sicht bei Vertragsschluß vorzunehmende Wertung wird auch durch das nachfolgende (an § 242 BGB zu messende) Verhalten der Parteien bestätigt.

Der Klägerin ist es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, aus der Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Gütertrennung über § 139 BGB auch eine Unwirksamkeit der Unterhaltsvereinbarung herzuleiten. Sie hat die Leistung des Beklagten entgegengenommen, über Jahre hinweg keinen Unterhalt vom Beklagten gefordert und so bei ihm das Vertrauen geweckt, es werde bei der einmal getroffenen Regelung verbleiben. Dies gilt um so mehr, als die getroffenen Vereinbarungen einschließlich des Unterhaltsverzichtes auch ihrem damaligen Willen entsprachen. Denn sie verfügte, insbesondere nach Zahlung der 130.000 DM in Verbindung mit dem ihr allein gehörenden Drei-Familien-Haus über ausreichendes Vermögen, um nicht in Not zu geraten. Außerdem war es ihr durchaus möglich, ihren Lebensunterhalt durch Aufnahme einer Berufstätigkeit zu bestreiten, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Ehescheidung vorübergehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sein mag. Sie war seinerzeit erst 46 Jahre alt und gelernte Apothekenhelferin. Ihr Wohnbedarf war gedeckt, eine Teilzeitbeschäftigung hätte also ausgereicht, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Demgegenüber würde es zu einem schlechterdings unerträglichen Ergebnis führen, wollte man den Scheidungsfolgenvertrag insgesamt als nichtig ansehen. Denn dies hätte zur Folge, daß der Beklagte möglicherweise Unterhalt zu leisten und andererseits keine Aussicht hätte, von der Klägerin jemals die gezahlten 130.000 DM zurückzuerhalten. Auch sähe er sich unter Umständen Ansprüchen der Klägerin ausgesetzt, gerichtet auf Rückübertragung des Miteigentumsanteils, und wäre hiergegen allenfalls durch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geschützt. Demgegenüber entspricht es den wohlverstandenen Interessen beider Parteien, trotz Teilnichtigkeit an der Scheidungsfolgenvereinbarung festzuhalten. Insbesondere besteht für die Klägerin keine Gefahr mehr, wegen der Nichtigkeit der Gütertrennung auf Zugewinnausgleich in Anspruch genommen zu werden. Etwaige Ansprüche des Beklagten sind längst verjährt. Die Klägerin mag sich jetzt in wirtschaftlicher Not befinden, dies hat sie aber selbst zu vertreten. Denn das von den ihr bis 1991 zugeflossenen insgesamt 440.000 DM nichts mehr übrig ist, kann nur darin begründet sein, daß sie über ihre Verhältnisse gelebt hat.

Nach allem war die Beschwerde mit der sich aus den §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Schreiber Kirsch Krämer