OLG Frankfurt vom 04.05.2001 (2 WF 60/01)

Stichworte: Verfahrenspfleger, Vergütungsanspruch Verfahrenspfleger, Zeitaufwand.
Normenkette: FGG 67 Abs. 3 S. 2, BGB 1908e, 1908i, 1835, 1835a, 1836d
Orientierungssatz: Zum Vergütungsanspruch des Verfahrenspflegers. Der Verfahrenspfleger hat keine Mediation durchzuführen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und von Lipinski am 4. Mai 2001 beschlossen:

Die Beschwerde der Verfahrensbeteiligten zu 1) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Kirchhain vom 14. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Durch Beschluß vom 28.10.1999 ist die Verfahrensbeteiligte zu 1) in dem vorliegenden Sorgerechtsverfahren zur Verfahrenspflegerin für die Kinder X. und Y. XYZ. bestellt worden. Im Zuge des Verfahrens nahm sie an einem Anhörungstermin des Amtsgerichts am 17.11.1999 teil und reichte eine schriftliche Stellungnahme zur Akte. Nach Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens durch Beschluß vom 14.12.1999 berechnete sie unter dem 16.12.1999 ihre Vergütung mit 3.773,94 DM. Auf die Einzelheiten der Abrechnung wird Bezug genommen (Bd. I, Bl. 176 ff.).

In einem anschließenden Beschwerdeverfahren war die Verfahrensbeteiligte zu 1) ebenfalls mit einbezogen. Ihr wurden die gewechselten Schriftsätze und die Entscheidung des Senats vom 15.03.2000 zugeleitet. Die Beschwerde wurde wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig verworfen. Unter dem 30.03.2000 reichte die Verfahrensbeteiligte zu 1) über ihre weitere Tätigkeit eine zusätzliche Rechnung über 521,16 DM ein, auf die ebenfalls Bezug genommen wird (Bd. II, Bl. 126 ff.).

Auf ihre Rechnungen wurde ihr vom Amtsgericht unter dem 02.02.2000 und 20.10.2000 Vorschüsse von 2.500 DM und 1.200 DM angewiesen.

Durch Beschluß vom 14.02.2001 wurde die Vergütung der Verfahrensbeteiligten zu 1) auf insgesamt 3.234,56 DM festgesetzt. In Anbetracht der erhaltenen Vorschüsse von 3.700 DM wurde eine Überzahlung von 465,44 DM festgestellt und die Verfahrensbeteiligte zu 1) aufgefordert, diesen Betrag an die Staatskasse zurückzuführen.

Gegen diese Entscheidung, die der Verfahrensbeteiligten zu 1) am 17.02.2001 zugestellt worden ist, richtet sich ihre am 02.03.2001 eingegangene Beschwerde. Sie hält die Absetzungen des Amtsgerichts - bis auf geringfügige Ausnahmen - für ungerechtfertigt und bittet um antragsgemäße Festsetzung.

Die am Verfahrens beteiligte Staatskasse verteidigt den angefochtenen Beschluß und die darin enthaltenen Kürzungen der berechneten Vergütung.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 S. 3, 56 Abs. 5 FGG zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die an die Verfahrenspflegerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung bestimmt sich nach § 67 Abs. 3 S. 2 FGG in entsprechender Anwendung der §§ 1908e, 1908i BGB, mit Ausnahme der dort in Bezug genommenen § 1835 Abs. 3 und 4, §§ 1835a, 1836d S. 1 Nr. 2 BGB; die Höhe der zu bewilligenden Vergütung ist stets nach Maßgabe des § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern zu bemessen. Nach dieser Vorschrift beträgt danach die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für jede Stunde der für die Führung der Vormundschaft (hier: Verfahrenspflegschaft) aufgewandten und erforderlichen Zeit 18 Euro. Sie steigt auf 31 Euro, wenn der Verfahrenspfleger - wie vorliegend - über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Pflegschaft nutzbar und die durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

Die Höhe der Vergütung und die damit verbundene Frage, wann Rückerstattung erhaltener Vorschüsse zu erfolgen hat, hängt danach entscheidend davon ab, welcher Tätigkeitsumfang der Verfahrensbeteiligten zu 1) erforderlich war. Der Senat hat sich bereits an anderer Stelle grundsätzlich dazu geäußert, wie sich die Rechtsstellung eines Verfahrenspflegers definiert und welche Tätigkeit von ihm zu erwarten ist (vgl. Beschlüsse vom 23.02.2000 - 2 WF 32/00 und ). Er hat danach die Aufgabe, die rechtlichen Interessen des von ihm vertretenen Kindes wahrzunehmen, die Entscheidung des Gericht in diesem Sinne mit vorzubereiten und darüber zu wachen, daß die zu beachtenden Interessen des Kindes angemessen zur Geltung kommen. Der zu entfaltende Tätigkeitsumfang kann von Fall zu Fall verschieden sein. Der Verfahrenspfleger hat insoweit einen Beurteilungs- und Handlungsspielraum, was er im Einzelfall für erforderlich ansieht. Die Überprüfung seiner Abrechnung ist danach nur eingeschränkt möglich. Dem Amtsgericht und im Beschwerdeverfahren dem Senat steht jedoch gemäß § 287 ZPO ein Schätzungsermessen zu. Im übrigen ist die Abrechnung auf ihre Plausibilität zu überprüfen.

Nach dieser Maßgabe konnten mehrere Positionen in den Abrechnungen der Verfahrensbeteiligten zu 1) nicht bzw. nicht in vollem Umfang akzeptiert werden.

Hierzu gilt im einzelnen folgendes:

Rechnung vom 16.12.1999:

Der Senat teilt die Ansicht des Amtsgerichts, daß der berechnete Zeitaufwand von 13 Stunden für das Aktenstudium über das hinaus geht, was auch bei großzügiger Beurteilung noch akzeptiert werden kann. Es gibt zwar keine allgemein verbindlichen Erfahrungswerte, in welcher Zeit ein bestimmter Lesestoff bewältigt werden kann. Die Lesegeschwindigkeit und die Aufnahmefähigkeit sind individuell verschieden und können nicht verallgemeinert werden. Soweit zur Entschädigung von Sachverständigen in der Literatur nach in der Sozialgerichtsbarkeit ausgestellten Grundsätzen ein Zeitaufwand von einer Stunde für 60 Seiten für angemessen erachtet wird (Meyer, Höfer, Bach, ZSEG, 20. Aufl., § 3 Rdnr. 43.3 m.w.N.), folgt dem der Senat nicht, weil die dortigen Verhältnisse nicht ohne weiteres übertragen werden können. Für ein Aktenstudium von 420 Blatt erscheint indessen auch bei großzügiger Bewertung ein Zeitaufwand von 10 Stunden in jedem Fall angemessen. Danach sind 3 Stunden der berechneten Zeit abzusetzen.

Es steht außer Frage, daß die Verfahrensbeteiligte zu 1) mit den von ihr vertretenen Kindern Rücksprache nehmen mußte, um sich mit ihnen bekannt zu machen und um deren Wünsche und Interessenlage zu erfahren. Dazu reichte jedoch ein ausführliches Gespräch, wie es offenbar am 06.11.1999 stattgefunden hat. Es war nicht erforderlich, Verhaltensbeobachtungen in der mütterlichen und väterlichen Wohnung durchzuführen und mit den Kindern wiederholt zu Essen zu gehen. Zu den Aufgaben eines Verfahrenspflegers gehört es nicht, das psychische Befinden der Kinder zu erforschen, um daraus Rückschlüsse für die Ausgestaltung des Sorgerechts zu ziehen. Dies ist die Aufgabe eines Sachverständigen, dessen Hilfe sich das Gericht bedienen muß, wenn eine entsprechende Aufklärung notwendig erscheint. Der für die Besuche vom 20.11., 23.11. und 27.11.1999 berechnete Zeitaufwand von insgesamt 12 Stunden ist danach ebenfalls nicht anzuerkennen.

Im Ergebnis verhält es sich nicht anders mit den Elterngesprächen. Der Senat hält es für vertretbar, solche Gespräche in deren Wohnung zu führen um sich vom Umfeld der Kinder einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen und um die Wünsche und Vorstellungen der Kinder aufgrund des persönlichen Eindrucks von den Eltern besser zu verstehen. Dazu reichen jedoch Gespräche von jeweils rund einer Stunde aus, zumal die unterschiedlichen Standpunkte bereits regelmäßig schriftsätzlich vorgetragen sind. Wenn durch das Amtsgerichts inklusive Fahrzeit ein Zeitaufwand von jeweils 3 Stunden für akzeptabel gehalten worden ist, dann ist dies jedenfalls nicht zu beanstanden. Es ist nicht Aufgabe des Verfahrenspflegers, bei den verfahrensbeteiligten Eltern Überzeugungsarbeit zu leisten und/oder Vermittlungsversuche zur Lösung des vom Gericht zu entscheidenden Konflikts zu unternehmen. Es müssen danach von der Rechnung der Verfahrensbeteiligten zu 1) weitere 4 Stunden und 50 Minuten (Gespräch mit dem Vater) sowie 2 Stunden 40 Minuten (Gespräch mit der Mutter) als nicht notwendig abgesetzt werden.

Soweit das Amtsgericht außerdem 1 Stunde 10 Minuten für Telefonate bezüglich einer Mediation nicht anerkannt hat, folgt dem der Senat nicht. Es ist zwar richtig, daß ein Verfahrenspfleger für die Durchführung einer Mediation nicht zu sorgen hat. Wenn allerdings der entscheidende Richter die Verfahrensbeteiligte zu 1) zu einer entsprechenden Mithilfe gebeten hat, dann ist es nicht zu beanstanden, wenn sie daraufhin bemüht war, dem Gericht eine Unterstützung zu geben. Es wäre unangemessen ihr den darauf entfallenden Zeitaufwand nicht zu vergüten.

Schon danach ist ein Zeitaufwand von insgesamt 22 Stunden und 30 Minuten ungerechtfertigt. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen zu den ebenfalls zweifelhaften Fragen. Ob neben dem Aktenstudium noch ein zusätzlicher Zeitaufwand von 2 Stunden für die Vorbereitung des Anhörungstermins anzuerkennen ist, und ob für die Fertigung einer vierseitigen schriftlichen Stellungnahme ein Zeitaufwand von 5 Stunden gerechtfertigt werden kann.

Soweit das Amtsgericht für den Besuch eines Restaurants in Marburg am 27.11.1999 Auslagen für 66 Fahrtkilometer abgesetzt hat, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Wie bereits ausgeführt, war eine solche fahrt nicht notwendig. Im übrigen ist nicht dazu dargelegt, warum nicht aus Kostengründen ein Restaurant in Neustadt oder in der näheren Umgebung aufgesucht werden konnte. Es wird im übrigen darauf verzichtet, Auslage für nach den vorstehenden nicht notwendige Fahrten ebenfalls in Abzug zu bringen.

Ein Ersatz der Auslagen für Bastelmaterial, Essen etc. wird nicht mehr verfolgt. Soweit danach noch Ersatz für 2 Telefonkarten à 12 DM begehrt wird, war dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Die Verfahrensbeteiligte zu 1) hatte hinreichend Gelegenheit, mit den Kindern in Kontakt zu treten. Es sind keine konkreten Gesichtspunkte dafür erkennbar, daß etwa wegen bestehender Spannungen zwischen den Kindern und ihren Eltern diesen die Möglichkeit hätte eröffnet werden müssen, unbeobachtet mit der Verfahrensbeteiligten zu 1) in Verbindung zu treten.

Danach ist nur anzuerkennen:

Arbeitszeit: 34 Stunden 30 Minuten x 60 DM = 2.070,00 DM

Fahrtkosten: 420 km x 0,52 DM= 218,40 DM

Auslagen: Bürokostenpauschale 30,00 DM

2.318,40 DM

Zur Rechnung vom 30.03.2000:

Der Senat sieht keine Notwendigkeit dafür, daß die Verfahrensbeteiligte zu 1) die Kinder nochmals am 03.02. und 29.03.2000 in ihrer Wohnung besucht hat. Das erstinstanzliche Verfahren war mit Beschluß vom 14.12.1999 beendet. Danach war eine erneute Kontaktaufnahme mit den Kindern nicht mehr angezeigt. Die Verfahrensbeteiligte zu 1) konnte sich vielmehr darauf beschränken, das Beschwerdeverfahren zu beobachten und bei Bedarf den Interessen der Kinder erneut Gehör zu verschaffen. Nachdem die Beschwerde aus formalen Gründen verworfen worden war, bestand keine Notwendigkeit mehr, den von ihr vertretenen Kindern etwa das Ergebnis des Verfahrens in für sie geeigneter Weise mitzuteilen.

Ebenso war die für das weitere Aktenstudium angesetzte Zeit von 2 Stunden und 15 Minuten nicht in voller Höhe zu akzeptieren. Dem Amtsgericht ist darin beizupflichten, daß ein solcher Zeitaufwand für das Lesen und Erfassen der Beschwerdebegründung, der Erwiderung und des Senatsbeschlusses vom 15.03.2000 - insgesamt 63 Seiten - unangemessen ist, zumal der Akteninhalt weitgehend in Fragen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stand, der für die Verfahrensbeteiligte zu 1) nur von sekundärer Bedeutung sein konnte.

Da die Fahrten vom 03.02. und 29.03.2000 zur mütterlichen Wohnung nicht notwendig waren, sind deshalb auch die Auslagen für die aufgewandten Fahrtkilometer nicht zu erstatten.

Danach ist anzuerkennen:

Arbeitszeit: 1 Stunde 45 Minuten x 60 DM = 105 DM

Auslagen: Bürokostenpauschale 10 DM

115 DM

Die der Verfahrensbeteiligten zu 1) zustehende Vergütung und ihr Auslagenersatz errechnet sich danach insgesamt mit 2.433,40 DM. Da sie Vorschüsse in Höhe von 3.700 DM erhalten hat, ist ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 4465,44 DM berechtigt. Ein weitergehender Rückzahlungsanspruch scheidet nur deshalb aus, weil die Staatskasse ihrerseits kein Rechtsmittel gegen den Festsetzungsbeschluß vom 14.02.2001 eingelegt hat und eine Abänderung zum Nachteil der Verfahrensbeteiligten zu 1) auf ihre Beschwerde nicht zulässig ist.

Die Beschwerde war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 131 Abs. 1 S. 2 KostO, 13a Abs. 1 FGG.

Schreiber Krämer von Lipinski