OLG Frankfurt vom 05.03.1999 (2 WF 59/99)

Stichworte: PHKH, Widerruf
Normenkette: ZPO 124 Nr. 3, 120 Abs. 4
Orientierungssatz: Unterläuft dem Gericht ein Fehler bei der Würdigung vollständiger und richtiger Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse, so darf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht deshalb nachträglich aufgehoben werden, weil das Gericht aufgrund der schon bei Erlaß des Beschlusses vorliegenden Unterlagen nunmehr zu einer anderen Bewertung der Bedürftigkeit des Antragstellers kommt (Zöller/Philippi a.a.O., Rdnr. 13 zu § 124 ZPO).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 5. März 1999 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der die Prozeßkostenhilfe betreffende Beschluß des Amtsgerichts Korbach vom 2. Dezember 1998 aufgehoben.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e

Die Parteien haben am 26. September 1980 die Ehe geschlossen, aus der der am 25. März 1993 geborene Sohn F. hervorgegangen ist, der bei der Antragstellerin lebt.

Die Antragstellerin ist selbständige Physiotherapeutin, der Antragsgegner angestellter Masseur in einem Krankenhaus in X.

Die Antragstellerin hat in diesem Verfahren die Scheidung der Ehe begehrt und hierfür die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt. Sie hat zugleich eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Abrechnungsbelege für Januar und Februar 1998 der Zentralen Abrechnungsstelle für Heilberufe, Nachweise über die Einkommensteuervorauszahlungen, über Grundstückskosten und Wohnungskosten sowie Versicherungen vorgelegt. Mit Zwischenverfügung vom 2. Oktober 1998 hat das Amtsgericht der Antragstellerin aufgegeben, die Bilanzen für 1997 und die Kontoauszüge für die Monate August und September 1998 zu den Akten zu reichen. Dieser Aufforderung ist die Antragstellerin mit einem am 20. Oktober 1998 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben nachgekommen.

Durch Beschluß vom 21. Oktober 1998 hat das Amtsgericht der Antragstellerin ratenlos Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 1998, auf den das Scheidungsurteil ergangen ist, hat es den Beschluß vom 21. Oktober 1998 gemäß § 124 Nr. 3 ZPO aufgehoben und den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.

Diese ist gemäß § 127 ZPO zulässig und in der Sache auch begründet.

Das Amtsgericht durfte den Prozeßkostenhilfebeschluß vom 21. Oktober 1998 nicht aufheben. Gemäß § 124 Nr. 3 ZPO, worauf sich die angefochtene Entscheidung stützt, kann das Gericht die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zwar aufheben, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozeßkostenhilfe nicht vorgelegen haben, ohne daß es auf ein Verschulden der Partei ankäme. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nur dann vor, wenn der Bewilligungsbeschluß entweder auf einer fehlerhaften Berechnung oder auf objektiv fehlerhaften Unterlagen beruhte (Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl, Rdnr. 11 zu § 124 ZPO). Unterläuft dem Gericht dagegen ein Fehler bei der Würdigung vollständiger und richtiger Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse, so darf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht deshalb nachträglich aufgehoben werden, weil das Gericht aufgrund der schon bei Erlaß des Beschlusses vorliegenden Unterlagen nunmehr zu einer anderen Bewertung der Bedürftigkeit des Antragstellers kommt (Zöller/Philippi a.a.O., Rdnr. 13 zu § 124 ZPO). Die bedürftige Partei darf nämlich darauf vertrauen, daß das Gericht die vorgelegten Unterlagen überprüft hat und deshalb zur ratenlosen Prozeßkostenhilfebewilligung gelangt ist, weil es die Partei für bedürftig hält. Könnte während jedes Verfahrensstadiums immer wieder erneut das Vorliegen der Prozeßkostenhilfevoraussetzungen ohne Einschränkungen geprüft werden, so würde der Prozeßführung nachträglich eine wesentliche Grundlage entzogen werden. Dies hat der Gesetzgeber mit § 124 Nr. 3 ZPO nicht beabsichtigt.

Bereits bei Erlaß des Beschlusses vom 21. Oktober 1998 lagen sämtliche Unterlagen vor, die das Amtsgericht im Termin vom 2. Dezember 1998 abweichend von seiner früheren Einschätzung neu bewertet hat, nämlich die Einnahmeüberschußrechnung für 1997 und die Kontoauszüge. Die Verpflichtung der Antragstellerin, an den Antragsgegner 20.000,00 DM zu zahlen, war ebenso wie der Unterhaltsverzicht, den das Amtsgericht als für die Prozeßkostenhilfe unerheblich ansieht, aus dem Ehevertrag vom 2. April 1997 ersichtlich, der schon als Anlage zum Scheidungsantrag vorgelegt worden ist.

Nach allem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben, es muß beim Beschluß vom 21. Oktober 1998 bleiben.

Auch die (nachträgliche) Festsetzung von Raten - wie sie das Amtsgericht hilfsweise in Erwägung gezogen hat - kommt nicht in Betracht. Eine solche Maßnahme wäre nur bei Vorliegen der Voraussetzung des § 120 Abs. 4 ZPO zulässig. Danach kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistende Zahlung ändern, wenn sich die für die Prozeßkostenhilfe maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Dafür bestehen hier keinerlei Anhaltspunkte, zumal seit der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe erst knapp 5 Monate vergangen sind. Auch § 120 Abs. 4 ZPO bezweckt nicht, dem Gericht nachträglich die Korrektur einer zu großzügigen Prozeßkostenhilfeentscheidung zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf Nr. 1908 des Kostenverzeichnisses zu § 11 Abs. 2 GKG, § 127 Abs. 4 ZPO.

Schreiber Kirsch Krämer