OLG Frankfurt vom 22.02.1999 (2 WF 45/99)

Stichworte: Entbindungskosten, Anerkenntnis, kostensparendes, Erlaßvertrag, Forderungsübergang, Schriftformerfordernis
Normenkette: BGB 1615k, 1615l, ZPO 114, SGB X 56
Orientierungssatz: Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats kann einem Beklagten Prozeßkostenhilfe zur Rechtsverteidigung nur versagt werden, wenn die Sach- und Rechtslage so eindeutig ist, daß ihm vom Standpunkt einer das Kostenrisiko bedenkenden Partei nur die Anerkennung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs nahegelegt werden kann (OLG Frankfurt MDR 87, 61; Beschlüsse des Senats vom 16. Oktober 1995 - 2 WF 193/95 -; vom 14. Juli 1992 - 2 WF 91/92 - und vom 20. März 1998 - 2 WF 61/98).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 22. Februar 1999 beschlossen

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Prozeßkostenhilfebeschluß des Amtsgerichts Melsungen vom 8. Januar 1999 aufgehoben.

Dem Beklagten wird für den ersten Rechtszug rückwirkend Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X., Homberg, bewilligt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

Der Beklagte ist der Vater des Kindes J. H., das am 13. März 1996 geboren wurde. Er war mit der Mutter des Kindes F. H., seiner Lebensgefährtin, die am 25. November 1996 verstorben ist, zu keinem Zeitpunkt verheiratet. Er hat seine Vaterschaft anerkannt; der Kläger hat namens des Kindes zugestimmt. Das Kind lebt beim Beklagten.

F. H. war nicht krankenversichert. Die Entbindungskosten wurden zunächst für Mutter und Kind als Krankenhilfekosten im Rahmen der Sozialhilfe vom Kläger übernommen, nach Erstattung der auf das Kind entfallenden Kosten durch die Krankenkasse des Beklagten verblieben ungedeckte Kosten in Höhe von 11.398,10 DM. Den Anspruch auf Ersatz der Entbindungskosten hat der Kläger auf sich übergeleitet. Die Überleitungsanzeige wurde dem Beklagten am 4. Dezember 1996 zugestellt. Am gleichen Tage ging mit eingeschriebenem Brief die an F. H. gerichtete Nachricht von der Überleitung ein.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger den Beklagten im übergeleiteten Recht in Anspruch genommen. Der Beklagte hat eingewandt, das Sozialamt des Klägers habe ihm gegenüber einen Verzicht auf die Forderung erklärt, und in dem Klageerwiderungsschriftsatz vom 27. Oktober 1998 zur Verteidigung gegen die Klage Prozeßkostenhilfe beantragt.

Durch Urteil vom 14. Dezember 1998 hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben. Durch den am 8. Januar 1999 ergangenen angefochtenen Beschluß hat es den Prozeßkostenhilfeantrag des Beklagten aus den Gründen des bereits verkündeten Urteils zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde. Er beanstandet, daß das Amtsgericht erst nach Erlaß des Urteils über die Prozeßkostenhilfe entschieden habe und deshalb kostensparende prozessuale Erklärungen seinerseits nicht mehr möglich gewesen seien.

Die Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 127 ZPO zulässig und in der Sache auch begründet.

Die Rechtsverteidigung des Beklagten bot die für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats kann einem Beklagten Prozeßkostenhilfe zur Rechtsverteidigung nur versagt werden, wenn die Sach- und Rechtslage so eindeutig ist, daß ihm vom Standpunkt einer das Kostenrisiko bedenkenden Partei nur die Anerkennung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs nahegelegt werden kann (OLG Frankfurt MDR 87, 61; Beschlüsse des Senats vom 16. Oktober 1995 - 2 WF 193/95 -; vom 14. Juli 1992 - 2 WF 91/92 - und vom 20. März 1998 - 2 WF 61/98). Gemessen hieran lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für den Beklagten vor, damit ihm Gelegenheit gegeben werden konnte, seine Einwendungen im Rechtsstreit überprüfen zu lassen. Diese waren keineswegs so offensichtlich unbeachtlich, daß nur ein Anerkenntnis in Frage kam. Zwar war nicht zweifelhaft, daß der Beklagte der Vater von J. H. ist. Auch kam es nach dem hier noch anwendbaren § 1615k BGB, der bis zum 30. Juni 1998 den Anspruch auf Erstattung von Entbindungskosten regelte, entgegen dem jetzt maßgeblichen unterhaltsrechtlich ausgestalteten § 1615 l BGB nicht auf die Leistungsfähigkeit des Beklagten an. Gleichwohl bestand bezüglich des Ausgangs des Verfahrens für den Kläger eine gewisse Unsicherheit. Zum einen konnte die Wirksamkeit der Überleitungsanzeige zweifelhaft sein. Diese hat zwar nach § 90 Abs. 1 BSHG in erster Linie gegenüber dem Schuldner, hier also dem Beklagten zu erfolgen. Gleichwohl wird vielfach auch die Bekanntmachung der Überleitung gegenüber dem Anspruchsberechtigten, nämlich dem Hilfeempfänger, gemäß § 37 SGB X für notwendig erachtet, die deswegen nicht mehr erfolgen konnte, weil F. H. am 4. Dezember 1996, dem Zustellungstag, bereits verstorben war. Möglicherweise war der Anspruch deshalb zwischenzeitlich bereits auf das Kind als Erben übergegangen, für das der Beklagte nicht sorgeberechtigt war. Auch enthält das Schreiben des Klägers vom 22. November 1996 die ausdrückliche Erklärung, daß der Anspruch F. H.s übergeleitet werde, die zum Zeitpunkt der Zustellung aber nicht mehr Anspruchsinhaberin war.

Darüber hinaus war die unter Beweis gestellte Behauptung, der Mitarbeiter des Klägers XX. habe auf den Anspruch auf Ersatz der Entbindungskosten verzichtet, möglicherweise nicht völlig unbeachtlich. Zwar bedarf ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß § 56 SGB X der Schriftform. Indes erscheint es äußerst zweifelhaft, ob ein Verzicht auf die übergegangene Forderung überhaupt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt. Vielmehr ist das Sozialamt des Klägers insoweit lediglich in die zivilrechtliche Stellung der Mutter des Kindes eingetreten, wie auch der Umstand zeigt, daß die übergegangene Forderung nicht durch Leistungsbescheid, sondern durch zivilrechtliche Klage geltend zu machen war. Eine solche Vereinbarung wäre daher ein Erlaßvertrag nach § 397 BGB gewesen, ebenso wie auch ein Vergleich in diesem Rechtsstreit keinen öffentlich-rechtlichen Charakter aufgewiesen hätte.

Der Senat weist außerdem darauf hin, daß nach seiner Auffassung die Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag unter Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht unzulässig verzögert und damit dem Beklagten die Möglichkeit genommen worden ist, spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 1998 den Anspruch kostensparend anzuerkennen.

Nach allem war der angefochtene Beschluß abzuändern und dem Beklagten Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Die Festsetzung von Raten kommt angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten, der noch dazu dem Anspruch auf Ersatz der Entbindungskosten ausgesetzt ist, nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht auf Nr. 1908 des Kostenverzeichnisses zu § 11 Abs. 2 GKG, § 127 Abs. 4 ZPO.

Schreiber Krämer Kirsch