OLG Frankfurt vom 28.12.1999 (2 WF 350/99)

Stichworte: Prozessbevollmächtigter, Beiordnung Beiordnung, Anwaltswechsel
Normenkette: ZPO 121
Orientierungssatz: . Wenn.... ein Grund gegeben ist, der auch eine auf eigene Kosten prozessierende Partei zu einem Anwaltswechsel veranlaßt hätte, ist ihr in der Regel ein anderer Anwalt beizuordnen, vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 34 zu § 121 ZPO m.w.N.). Dies gilt vor allem dann, wenn wie hier einem bereits in der Klageschrift gestellten Prozeßkostenhilfeantrag gleichen Inhalts spätestens bei Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung hätte stattgegeben werden müssen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 28. Dezember 1999 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Amtsgerichts Melsungen vom 19. November 1999 abgeändert.

Dem Kläger wird im Rahmen der bereits durch Beschluß des Amtsgerichts vom 10. Juni 1999 bewilligten Prozeßkostenhilfe und in Abänderung dieses Beschlusses Rechtsanwalt X., Melsungen, als Prozeßbevollmächtigter sowie Rechtsanwalt Holger L., Hamburg, als Verkehrsanwalt beigeordnet.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

Der Kläger ist der Vater der am 25. Oktober 1980 geborenen Beklagten. Durch am 4. Juli 1994 vor dem Bezirksamt Mitte der Freien und Hansestadt Hamburg - Jugendamt - errichtete Urkunde verpflichtete sich der Kläger zur monatlichen Zahlung von 253 DM Unterhalt ab 17. September 1994.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger die Beklagte auf Abänderung des Titels dahin in Anspruch genommen, daß mit Wirkung ab dem 15. Januar 1999 kein Kindesunterhalt mehr geschuldet wird. Er hat dies unter Vorlage seines Rentenbescheides damit begründet, daß er, weil er nunmehr wegen Erwerbsunfähigkeit Rentner sei, der inzwischen volljährigen Beklagten unter Berücksichtigung weiterer ihr vorgehender Unterhaltsberechtigten keinen Unterhalt mehr leisten könne. Zugleich hat er für seine Abänderungsklage Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts L. aus Hamburg beantragt. Rechtsanwalt L. meldete sich zu den Akten als Prozeßbevollmächtigter und gab zu erkennen, daß er wegen der Eindeutigkeit der Sachlage davon ausgehe, daß im schriftlichen Verfahren entschieden werde und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich sei. Durch Beschluß vom 10. Juni 1999 wurde Rechtsanwalt L. zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines Rechtsanwaltes mit Sitz in Melsungen beigeordnet. Ebenfalls durch Verfügung vom 10. Juni 1999 ordnete das Amtsgericht das schriftliche Vorverfahren an. Nach Eingang der Verteidigungsanzeige und der Klageerwiderung, die im wesentlichen darauf gestützt war, daß der Kläger nur noch einen Selbstbehalt von 1.500 DM gegenüber der Beklagten verteidigen könne, weil er inzwischen nicht mehr erwerbstätig sei, bestimmte das Amtsgericht durch Verfügung vom 7. September 1999 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 4. Oktober 1999. Zugleich wies es den Prozeßkostenhilfeantrag der Beklagten mangels Erfolgsaussicht zurück. Mit Schriftsatz vom 16. September 1999 stellte Rechtsanwalt L. für den Kläger den Antrag, den Prozeßkostenhilfebewilligungsbeschluß dahingehend abzuändern, daß er selbst nur als Verkehrsanwalt und Rechtsanwalt X. als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet wird. Durch Telefax vom 28. September 1999, bei Gericht am 29. September 1999 eingegangen, hat die Beklagte den Klageantrag anerkannt und zugleich gebeten, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Mit Telefax vom 30. September 1999 hat Rechtsanwalt L. für den Kläger den Antrag gestellt, das schriftliche Verfahren anzuordnen, ein Anerkenntnisurteil zu erlassen und den Verhandlungstermin aufzuheben. Diesen Anträgen der Parteien ist das Amtsgericht nachgekommen und hat am 25. Oktober 1999 im schriftlichen Verfahren ein Anerkenntnisurteil erlassen.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den Antrag des Klägers, ihm Rechtsanwalt X. als Prozeßbevollmächtigten und Rechtsanwalt L. als Verkehrsanwalt beizuordnen, mit der Begründung zurückgewiesen, anerkennenswerte Gründe für die Auswechslung des Hauptbevollmächtigten des Klägers seien nicht dargetan.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, Rechtsanwalt L. habe aus guten Gründen das Verfahren von vornherein in der Erwartung betrieben, eine Entscheidung könne im schriftlichen Verfahren ergehen. Wenn gleichwohl mündliche Verhandlung bestimmt worden sei, sei die Hinzuziehung eines Prozeßbevollmächtigten in Melsungen erforderlich und geboten gewesen.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO) und in der Sache begründet.

Im Rahmen der dem Kläger bereits bewilligten Prozeßkostenhilfe waren ihm Rechtsanwalt X. als Prozeßbevollmächtigter und Rechtsanwalt L. als Verkehrsanwalt beizuordnen. Zwar hatte das Amtsgericht durch Beschluß vom 10. Juni 1999 antragsgemäß Rechtsanwalt L. zunächst als Prozeßbevollmächtigten beigeordnet. Auch besteht nur in Ausnahmefällen ein Anspruch der Partei auf Beiordnung eines anderen Anwalts. Wenn aber ein Grund gegeben ist, der auch eine auf eigene Kosten prozessierende Partei zu einem Anwaltswechsel veranlaßt hätte, ist ihr in der Regel ein anderer Anwalt beizuordnen, vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 34 zu § 121 ZPO m.w.N.). Dies gilt vor allem dann, wenn wie hier einem bereits in der Klageschrift gestellten Prozeßkostenhilfeantrag gleichen Inhalts spätestens bei Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung hätte stattgegeben werden müssen.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Rechtsanwalt L. hat zunächst aus guten Gründen darauf vertraut, wegen der Eindeutigkeit des Sachverhaltes werde es nicht zu einer mündlichen Verhandlung kommen müssen. Nachdem allerdings die Beklagte mit ihrer Klageerwiderung vom 1. September 1999 sachliche Einwendungen gegenüber der Abänderungsklage erhoben hat, war mit einem Anerkenntnis der Beklagten nicht mehr zu rechnen, auch wenn ihre Rechtsverteidigung im wesentlichen auf der rechtlich haltlosen Erwägung beruhte, der Kläger könne als Rentner auch gegenüber einem volljährigen Kind nur den notwendigen Mindestbedarf verteidigen. Bei dieser Verfahrenssituation war es sachgerecht, daß das Amtsgericht mündliche Verhandlung anberaumte. Damit konnte dem beigeordneten Prozeßbevollmächtigten des Klägers allerdings nicht zugemutet werden, auf eigene Kosten von Hamburg nach Melsungen zur mündlichen Verhandlung zu reisen. Vielmehr war dem Kläger ein Prozeßbevollmächtigter am Sitz des Gerichtes in Abänderung der Prozeßkostenhilfebewilligung beizuordnen. Hätte nämlich Rechtsanwalt L. von vornherein gewußt, daß es zu einer mündlichen Verhandlung kommen würde, hätte er seinen Beiordnungsantrag bereits in der Klageschrift, aus der erkennbar wurde, daß er von einem problemlosen Verfahren ausging, so gefaßt wie später im Schriftsatz vom 16. September 1999. Dieser Antrag hätte Erfolg gehabt. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist zumindest für den ersten Rechtszug in Familiensachen, an denen im allgemeinen rechtsunerfahrene und auch schreibungewandte Parteien beteiligt sind und die deshalb schon ihren Prozeßbevollmächtigten nicht sachgemäß schriftlich informieren können, großzügige Vorgehensweise bei der Frage geboten, ob für den ersten Rechtszug ein Verkehrsanwalt beigeordnet werden soll.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf Nr. 1952 des Kostenverzeichnisses zu § 11 Abs. 1 GKG, § 127 Abs. 4 ZPO.

Schreiber Kirsch Krämer