OLG Frankfurt vom 05.01.2000 (2 WF 328/99)

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Mutwilligkeit, Verbundverfahren, Prozeßrisiko
Normenkette: ZPO 114, BGB 1378 Abs. 2
Orientierungssatz: Der Partei kann vorliegend die Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, sie hätte ihren Zugewinnausgleichsanspruch kostengünstiger im Verbundverfahren geltend machen können

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 5. Januar 2000 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Marburg vom 23. September 1999 betreffend die Prozeßkostenhilfe abgeändert.

Der Klägerin wird für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt X., Marburg, Prozeßkostenhilfe bewilligt. Von der Festsetzung von Raten wird zunächst abgesehen. Die Klägerin hat die Prozeßkosten aus ihrem Vermögen zu zahlen, soweit ihr innerhalb von vier Jahren nach rechtskräftigem Abschluß dieses Verfahrens aus dem Zugewinn mehr als 5.000 DM zufließen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

Die Parteien haben 25. Juni 1966 die Ehe geschlossen, die im Verfahren 19 F 538/95 - Amtsgericht Marburg - durch Urteil vom 30. Mai 1996, seit diesem Tage rechtskräftig, geschieden worden ist. Im damaligen Verfahren war über die Scheidungsfolgen mit Ausnahme des Zugewinns ein Vergleich geschlossen worden.

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin in der Form der Stufenklage ihren Zugewinnausgleichsanspruch geltend. Nachdem der Beklagte außergerichtlich bereits eine Auskunft über seinen Zugewinn erteilt hat, beantragt sie nun, den Beklagten zur eidesstattlichen Versicherung der Vollständigkeit dieser Auskunft sowie zur Zahlung eines hiernach zu bestimmenden Zugewinns zu verurteilen, höchstens zu 10.000 DM. Hierfür hat sie die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei deshalb mutwillig, weil die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, den Zugewinn kostengünstig im Verbundverfahren als Folgesache geltend zu machen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, der Zugewinnausgleichsantrag sei aus sachlich gerechtfertigten Gründen zunächst zurückgestellt worden, weil die Miteigentumsverhältnisse an dem Hausgrundstück, in dem sich auch die eheliche Wohnung befunden hat, zuvor hätten geregelt werden sollen, was erst 1998 durch Bildung von Wohnungseigentum geschehen sei.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Zum einen bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung die für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Anspruch der Klägerin auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB ist zumindest hinreichend substantiiert begründet worden. Die Klägerin hat nämlich unter genauer Bezeichnung der Bausparverträge, Lebensversicherung und Sparkonten dargelegt, daß die bislang erteilte Auskunft unvollständig sei. In der Auskunft vom 30. November 1998 fehlen in der Tat die in der Klageschrift aufgeführten Vermögensgegenstände. Deshalb werden auch durch die inzwischen mit Schriftsatz vom 8. Juli 1999 erteilte weitere Auskunft Zweifel an der Vollständigkeit der Angaben des Beklagten nicht ausgeräumt.

Auch ist davon auszugehen, daß angesichts des Umstandes, daß die Klägerin selbst keinen Zugewinn erzielt hat, mit einer Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Zugewinn in Höhe von 10.000 DM zu rechnen. Die genaue Höhe muß der Prüfung im Verfahren vorbehalten bleiben.

Nach Auffassung des Senats kann der Klägerin die Prozeßkostenhilfe auch nicht mit der Begründung versagt werden, ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig, weil die Zugewinnausgleichsforderung in Verbundverfahren hätte geltend gemacht werden können. Auch der Senat vertritt zwar mit der weitaus überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur den Standpunkt, daß die zur sparsamen Prozeßführung verpflichtete Partei möglichst alle Verfahren im kostengünstigeren Verbund zusammenzufassen hat; dabei kann dahinstehen, ob bei Verstoß gegen diese "Verbundpflicht" Mutwillen anzunehmen ist oder eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Prozeßkostenhilfe (vgl. zum Ganzen Musielak/Fischer, ZPO, Rdn. 36 zu § 114 m.w.N.). Ein Verstoß gegen diese verfahrensrechtliche Obliegenheit kann allerdings nach Auffassung des Senates nicht den vollständigen Verlust des Anspruchs auf Prozeßkostenhilfe nach sich, ziehen; insbesondere wenn - wie hier - Anwaltszwang besteht, würde dies rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen. Da die Versagung keinen Strafcharakter trägt, sondern lediglich die übermäßige Inanspruchnahme öffentlicher Mittel verhindern soll, kann nur daran gedacht werden, die Prozeßkostenhilfe insoweit zu versagen, als kostenrechtliche Interessen der Staatskasse berührt werden. Prozeßkostenhilfe könnte in diesen Fällen in der Form bewilligt werden, daß die Mehrkosten durch die Rechtsverfolgung in verschiedenen Verfahren gegenüber dem Verbundverfahren von der Prozeßkostenhilfebewilligung ausgenommen werden (vgl. Musielak/Fischer a.a.O.). Letztlich kann diese Frage hier aber ebenso dahinstehen wie die Auffassung von Zöller/Philippi (ZPO, 21. Aufl., Rdn. 24 zu § 623), der bedürftigen Partei sei generell die Wahlmöglichkeit zuzubilligen, Folgesachen im Verbund oder isoliert geltend zu machen. Denn im vorliegenden Verfahren hat sich die Klägerin nicht anders verhalten, als dies von einer Partei zu erwarten gewesen wäre, welche die Verfahrenskosten auch aus eigenen Mitteln aufzubringen hätte. Zum einen ist es für den zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten mit einem geringeren Prozeßrisiko verbunden, wenn zunächst die Rechtskraft der Ehescheidung und damit das Ende des Güterstandes abgewartet wird. Erst dann kann nämlich beurteilt werden, ob ein Zugewinnausgleichsanspruch deshalb entfällt, weil zwar zum Stichtag, nicht aber bei Ende des Güterstandes noch Vermögen vorhanden ist (§ 1378 Abs. 2 BGB).

Zum anderen hat die Klägerin hier in überzeugender und nachvollziehbarer Weise dargetan, daß es zweckmäßig war, mit dem Beklagten zunächst eine Einigung über die Auseinandersetzung des Miteigentums zu suchen. Damit ist jedenfalls für die Beurteilung des Grundvermögens im Endvermögen der Parteien eine Grundlage geschaffen worden.

Der Senat hat bereits jetzt die Anordnung nach § 115 Abs. 2 ZPO getroffen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf Nr. 1952 des Kostenverzeichnisses zu § 11 Abs. 1 GKG, § 127 Abs. 4 ZPO.

Schreiber Kirsch Krämer