OLG Frankfurt vom 23.02.2000 (2 WF 32/00)

Stichworte: Verfahrenspfleger, Vergütung, Umfang der Tätigkeit, Erkundigungen
Normenkette: FGG 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 S. 3, 56g Abs. 5, ZuSEG 16 Abs. 2
Orientierungssatz: Der Verfahrenspfleger kann nach Auffassung des Senats seiner Rolle nur gerecht werden, wenn er auch im Umfeld des von ihm betreuten Kindes Erkundigungen einzieht. Die dafür aufgewandte Tätigkeit ist demnach auch zu vergüten.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 23. Februar 2000 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Verfahrensbeteiligten zu 1. wird der Beschluß des Amtsgerichts Biedenkopf vom 28. Juni 1999 betreffend die Festsetzung der Vergütung für den Verfahrensbeteiligten zu 2. aufgehoben.

Das Verfahren wird zu erneuter Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Übertragung der elterlichen Sorge für die Kinder Nicole und Stefanie auf sich mit der Begründung beantragt, das Wohl der Kinder sei bei einem weiteren Verbleib bei der Antragsgegnerin und deren jetzigem Ehemann gefährdet.

Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 1. Oktober 1998 den Verfahrensbeteiligten zu 2. gemäß § 50 FGG zum Verfahrenspfleger für die Kinder bestellt. Diesen Beschluß hat es am 17. März 1999 dahin ergänzt, daß eine berufsmäßige Führung der Verfahrenspflegschaft nach § 1836 Abs. 1 Nr. 1 BGB festgestellt wird.

Der Verfahrensbeteiligte zu 2. hat in der Folgezeit je nach Fortgang seiner Tätigkeit dem Amtsgericht Abrechnungen über seine Aufwendungen vorgelegt, in denen er den Zeitaufwand sowie den Gegenstand seiner Tätigkeit kurz dargestellt und seine Fahrtkosten abgerechnet hat. Er hat sich für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 4. Dezember 1998 insgesamt 1.748,36 DM errechnet (Bl. 56), für die Zeit vom 5. Dezember 1998 bis zum 20. Januar 1999 427,64 DM (Bl. 57), für die Zeit vom 21. Januar bis zum 24. Februar 1999 362,64 DM (Bl. 64), für die Zeit vom 1. März 1999 bis zum 25. März 1999 293,02 DM (Bl. 69) und für die Zeit vom 26. März bis zum 2. Juni 1999 342,30 DM (Bl. 72). Er hat einen Stundensatz von 75 DM sowie eine Wegstreckenentschädigung von 0,52 DM je Kilometer zugrunde gelegt.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten zu 1. die aufgrund dieser Abrechnungen an den Verfahrensbeteiligten zu 2. auszuzahlende Vergütung auf insgesamt 2.958,96 DM festgesetzt; über eine weitere Abrechnung des Verfahrensbeteiligten zu 2. für die Zeit vom 2. Juni bis zum 1. Juli 1999 (Bl. 79 d.A.) über 271,60 DM hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 12. Juli 1999 entschieden. Hiergegen ist kein Rechtsmittel eingelegt worden. Zwei weitere Abrechnungen für die Zeit vom 2. Juni 1999 bis zum 13. August 1999 (Bl. 110 d.A.) über 292,40 DM und für die Zeit vom 14. August 1999 bis zum 13. Oktober 1999 über 550,80 DM (Bl. 111 d.A.) sind noch nicht beschieden. Das Amtsgericht hat für die im Jahr 1999 erbrachte Tätigkeit den Stundensatz auf 60 DM und für die Zeit bis zum 31. Dezember 1998 die Wegestreckenentschädigung auf 0,40 DM je Kilometer herabgesetzt.

Die Vergütung ist unter dem 28. Juni 1999 zur Auszahlung angewiesen worden.

Gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 28. Juni 1999 wendet sich die Verfahrensbeteiligte zu 1. mit ihrer am 9. Juli 1999 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, der gesetzliche Auftrag des Verfahrenspflegers entspreche im wesentlichen dem Pflichtenkreis der von den Eltern berufenen Rechtsanwälte. Als reiner Parteivertreter habe er nicht die Aufgabe, über die rechtliche Vertretung im Verfahren hinaus Erkundigungen einzuziehen, zwischen den Eltern zu vermitteln und die Durchführung des Umgangsrechtes zu begleiten. Außerdem könne ein Stundensatz von höchstens 35 DM zugebilligt werden, weil der Verfahrensbeteiligte zu 2. nicht die erforderliche Qualifikation aufweise, die eine höhere Vergütung rechtfertigen würde.

Die Verfahrensbeteiligte zu 1. beantragt daher eine Neufestsetzung der Vergütung unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 Satz 3, 56 g Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 FGG, 16 Abs. 2 Satz 2 ZuSEG zulässig, wonach auch der Staatskasse ein eigenes Beschwerderecht zusteht.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.

Zwar spricht alles dafür, daß ein Großteil der vom Verfahrensbeteiligten zu 2. abgerechneten Tätigkeiten nach § 1836 BGB i.V.m. mit dem seit dem 1. Januar 1999 anzuwendenden § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern, §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3, 56 g Abs. 1 Satz 4 FGG aus der Staatskasse zu erstatten sind. Nach den die Grundlage der Vergütung bestimmenden Vorschriften der §§ 1908 i, 1836, 1835 Abs. 1 BGB können hierbei nur die Leistungen berücksichtigt werden, welche der Verfahrenspfleger im Rahmen seiner ihm übertragenen und mangels näherer Bestimmung durch das Gericht vom Gesetz vorgesehenen Aufgaben erbracht hat.

Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung dürfte es sich dabei um mehr als nur 12 Zeitstunden handeln.

Nach Auffassung des Senats ist zwar der Verfahrenspfleger nach § 50 FGG in erster Linie verpflichtet, die rechtlichen Interessen des von ihm vertretenen Kindes wahrzunehmen. Gleichwohl geht seine Stellung über die eines Rechtsanwaltes hinaus, wie er gerade in streitigen Sorgerechtsverfahren von den Parteien beauftragt wird. Gesetzgeberischer Grund für die Einführung des Instituts des Verfahrenspflegers waren zu befürchtende Defizite bei der Wahrung der Interessen der Kinder trotz des das Verfahren beherrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes sowie der in der Regel notwendigen Anhörung des Kindes und des Jugendamtes. Gerade weil Kinder nicht formell Beteiligte in dem sie betreffenden Sorgerechtsverfahren sind, können sie ihre Vorstellungen und Anliegen in der Regel nur bei der richterlichen Anhörung geltend machen, ohne daß ihnen eine lebenserfahrene Person zur Seite stünde, die nicht nur ihre rechtlichen Interessen wahrnehmen, sondern auch seine Wünsche und Probleme formulieren und fundierter und überzeugender in das Verfahren einbringen kann (vgl. die amtliche Begründung zum Kindschaftsrechtsreformgesetz Bundestagsdrucksache 13/4899, Seite 75, abgedruckt bei Mühlens/Kirchmeier/Greßmann, Das neue Kindschaftsrecht, 1. Auflage 1998, Seite 310). Zwar bestimmt § 50 Abs. 3 FGG, daß die Bestellung eines Verfahrensfehlers unterbleiben oder aufgehoben werden soll , wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. Hieraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Rolle des Verfahrenspflegers mit der eines Rechtsanwalts als Parteivertreter in jeder Hinsicht übereinstimmen soll. Dies wird schon daran deutlich, daß es nach § 50 Abs. 3 FGG nicht einmal ausgeschlossen ist, neben einem Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Kindes zusätzlich noch ein Verfahrenspfleger im Sinne des § 50 Abs. 1 FGG tätig werden zu lassen. Darüber hinaus hätte es dann bei der gesetzlichen Neuregelung nahegelegen, anstelle eines Verfahrenspflegers nach § 50 Abs. 1 FGG die Möglichkeit vorzusehen, auch dem Kind für das Verfahren einen vom Gericht ausgewählten Rechtsanwalt beizuordnen, der dann genauso wie die Rechtsanwälte der miteinander streitenden Eltern seine Gebühren nach der BRAGO unabhängig vom Zeitaufwand abzurechnen hätte; dies wäre auf jeden Fall die wirtschaftlich günstigere Lösung gewesen. Hierfür hat der Gesetzgeber sich aber gerade nicht entschieden.

Darüber hinaus unterscheidet sich die Tätigkeit eines Verfahrenspflegers nach § 50 FGG von der eines von den Eltern beauftragten Rechtsanwalts schon deshalb grundlegend, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Parteien die für die Entscheidung des Familiengerichts erforderliche Sachaufklärung nicht selbst vornehmen muß, sondern von der von ihm vertretenen Partei nähere Informationen anfordern kann. Es ist dann Sache der Partei, auf eigene Kosten die hierfür nötigen Ermittlungen anzustellen. Diese Möglichkeit hat das minderjährige Kind nicht. Vielmehr müßte auch ein für das Kind bestellter Rechtsanwalt den Sachverhalt in eigener Verantwortung aufklären. Zwar haben die Jugendämter nach § 50 SGB VIII das Familiengericht bei allen Maßnahmen, welche die Personensorge betreffen, zu unterstützen und im gerichtlichen Verfahren mitzuwirken. Auch ist das Jugendamt in erster Linie gehalten, die Interessen des Kindes wahrzunehmen, ähnlich wie dies auch Aufgabe des Verfahrenspflegers ist. Wenn der Gesetzgeber aber zusätzlich zu dem ohnehin immer am Verfahren zu beteiligenden Jugendamt die Möglichkeit eröffnet, einen Verfahrenspfleger zu bestellen und dies gerade für die Fälle eines Eingriffs in das Sorgerecht von Amts wegen nach den §§ 1666, 1666 a BGB, der vielfach vom Jugendamt beantragt wird, zur Regel macht (§ 50 Abs. 2 FGG), so wird auch hieran deutlich, daß dem Kind in Gestalt des Verfahrenspflegers ein Interessenvertreter besonderer Art zur Seite gegeben werden sollte, der in jeder Hinsicht, auch gegenüber dem Jugendamt, unabhängig ist und notfalls auch darauf hinwirken kann, daß das Jugendamt das Kind mit allen zu Gebote stehenden Mitteln unterstützt.

Der Verfahrenspfleger kann daher nach Auffassung des Senats seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn er auch im Umfeld des von ihm betreuten Kindes Erkundigungen einzieht, um sie auf ihre sorgerechtliche Relevanz hin zu überprüfen und gegebenenfalls in das Verfahren einzubringen. Hierzu gehört auch, daß der Verfahrenspfleger sich durch Gespräche mit dem Kind einen Eindruck über dessen Lage und Umfeld verschafft. Dem Verfahrenspfleger als dem Kind zunächst fremde Person wird es daher vielfach auch zuzugestehen sein zu versuchen, in unbefangener Atmosphäre, - notfalls auch bei gemeinsamen Unternehmungen - das Vertrauen des Kindes zu erwerben.

Der Verfahrenspfleger kann eine Vergütung für seine Tätigkeit allerdings nur insoweit verlangen, als ein inhaltlicher Zusammenhang mit dem Sorgerechtsverfahren besteht, für das er bestellt ist. Er kann nur das abrechnen, was zur Vorbereitung einer allein am Kindeswohl orientierten Entscheidung des Familiengerichtes erforderlich ist. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die ein verständig und allein am Kindeswohl orientiert handelnder Verfahrenspfleger im Hinblick hierauf für nötig erachten würde.

Der Senat sieht sich nicht in der Lage, auf der Grundlage der vom Verfahrensbeteiligten zu 2. vorgelegten Abrechnungen sowie der Begründung des angefochtenen Beschlusses im einzelnen zu überprüfen, ob die vom Verfahrensbeteiligten zu 2. abgerechneten Tätigkeiten unter Berücksichtigung der erwähnten Grundsätze zu vergüten sind oder nicht. Er macht deshalb von der Möglichkeit Gebrauch, das Verfahren zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes an das Amtsgericht zurückzugeben. Dieses hat darauf hinzuwirken, daß der Verfahrensbeteiligte zu 2. seine Abrechnungen durch eine aussagekräftigere und damit prüfbare inhaltliche Darstellung der Einzeltätigkeiten ergänzt. Es wird dann Aufgabe des Amtsgerichts in dem neu zu fassenden Beschluß sein, näher und für das Beschwerdegericht in der Abrechnung nachvollziehbar darzulegen, welche einzelnen Positionen zu vergüten sind.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO, 16 Abs. 5 ZuSEG.

Schreiber Kirsch Krämer