OLG Frankfurt vom 04.11.2002 (2 WF 312/02)

Stichworte: Abtrennung, Beschwerde, Zulässigkeit, Aussetzung
Normenkette: ZPO 628 Nr. 4
Orientierungssatz: Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Beschwerde ist eine Beschwerde gegen einen Beschluß, mit dem die Abtrennung nach § 628 ZPO abgelehnt wird, dann zulässig, wenn die Ablehnung die Folgen einer Aussetzung hat.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Krämer als Einzelrichter am 4.November 2002 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts Marburg vom 18.Juni 2002 abgeändert.

Die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Versorgungsausgleich werden abgetrennt; das Amtsgericht hat über den Scheidungsantrag vorab zu verhandeln und zu entscheiden.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Beschwerdewert bis 300 EUR).

Gründe:

Die Parteien haben am 23.Oktober 1989 die Ehe geschlossen. Sie haben sich Anfang 1998 endgültig getrennt.

Im vorliegenden Verfahren strebt der Antragsteller die Scheidung der Ehe an.

Der Scheidungsantrag ist am 30.Mai 2000 beim Amtsgericht eingegangen, wobei der Antragsteller die Zustellung erst nach Bewilligung der zugleich beantragten Prozeßkostenhilfe anregte. Mit Verfügung vom 8.Juni 2000 wurde die einfache Abschrift des Scheidungsantrages den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin übersandt, welche mit Schriftsatz vom 2.August 2000 der Scheidung zustimmte und zugleich Prozeßkostenhilfe beantragte.

Mit Schriftsatz vom 20.Dezember 2001 fragte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers (offenbar erneut) nach dem Sachstand an. Durch Beschluß vom 25.Februar 2002 beschied das Amtsgericht die Prozeßkostenhilfeanträge beider Parteien und bestimmte zugleich einen Verhandlungstermin auf den 18.April 2002. Der Scheidungsantrag wurde am 1. März 2002 zugestellt. Der Verhandlungstermin wurde später wegen Verhinderung eines Verfahrensbevollmächtigten auf den 23.April 2002 verlegt.

Mit am 16.April 2002 beim Amtsgericht Marburg eingegangenem Schriftsatz beantragte die Antragsgegnerin die Verurteilung des Antragstellers zu nachehelichem Unterhalt in Höhe von 1.170,86 EUR. Mit am 18.April 2002 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Antragsteller, das Verfahren über den Versorgungsausgleich abzutrennen. Mit Verfügung vom 22.April 2002 bestimmte das Gericht die Dauer der Ehezeit und übersandte den Beteiligten die Fragebögen zum Versorgungsausgleich (Vordruck V 1). Diese Verfügung ging erst am 21.Mai 2002 beim Schreibdienst des Amtsgerichts Marburg ein und wurde dort am 22.Mai 2002 erledigt.

Im Verhandlungstermin vom 23.April 2002 hat das Amtsgericht die Parteien zu den Scheidungsvoraussetzungen gehört. Danach wollen beide Parteien die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herstellen.

Das Amtsgericht hat daraufhin Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 18.Juni 2002 bestimmt. Durch den am 18.Juni 2002 verkündeten und in diesem Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den Antrag auf Abtrennung der Folgesachen Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für eine Abtrennung nach § 628 Nr. 4 ZPO nicht gegeben seien.

Gegen diesen am 29.August 2002 zugestellten Beschluß wendet sich der Antragsteller mit seiner am 11.September 2002 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde.

Er macht geltend, ein weiteres Zuwarten mit der Scheidung sei ihm angesichts der langen Verfahrensdauer, während der das Verfahren nicht gefördert worden sei, nicht zuzumuten.

Die Beschwerde ist zulässig. Zwar wird vielfach die Auffassung vertreten, daß gegen die Ablehnung einer Vorabscheidung ein Rechtsmittel nicht zulässig sei, weil es sich bei der Maßnahme nach § 628 ZPO um amtswegige Tätigkeiten des Gerichtes handele und 'Anträge' nur Anregungen sein könnten. Ein das Verfahren betreffende Gesuch im Sinne des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO liege nicht vor (vgl. zum Streitstand Zöller-Philippi ZPO, 23.Aufl., Rdn. 11 zu § 628 ZPO m.w.N.). Nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, an der er auch weiterhin festhält, ist für die Zulässigkeit der Beschwerde entscheidend darauf abzustellen, ob die Ablehnung durch das Gericht die Folgen einer Aussetzung des Verfahrens hat (OLG Frankfurt FamRZ 97, 1167), wie es hier der Fall war. Auch konnte darin eine Ablehnung der Bestimmung eines Verhandlungstermins gesehen werden. Gegen Entscheidungen dieser Art findet die sofortige Beschwerde statt (§ 252 ZPO).

Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Sie führt zur Abtrennung der Folgesachen Unterhalt und Versorgungsausgleich gem. § 628 Nr. 4 ZPO. Die weitere Verzögerung der Ehescheidung würde auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache für den Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellen. Nach allgemeiner Auffassung liegt eine außergewöhnliche Verzögerung in der Regel schon dann vor, wenn das Verfahren länger als zwei Jahre dauert, wie es hier seit Einreichung der Antragsschrift und des Prozeßkostenhilfeantrages der Fall ist (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, Rdn. 5 zu § 628 ZPO).

Dem Amtsgericht ist zwar darin zu folgen, daß die außergewöhnliche Verzögerung für sich allein gesehen noch keine unzumutbare Härte begründet, vielmehr muß hinzutreten, daß das Interesse des Antragstellers an einer alsbaldigen Scheidung vorrangig vor dem Interesse steht, das der andere Ehegatte daran haben kann, daß gleichzeitig mit der Scheidung auch über die Folgesachen entschieden wird (Zöller-Philippi a.a.O. Rdn. 6 m.w.N.). Bei dieser Interessenabwägung ist auch das Verhalten der beiden Parteien zu berücksichtigen, so hat etwa auch die Antragsgegnerin gegen die Abtrennung der Folgesachen bislang schriftsätzlich keinerlei Einwände erhoben. Inwieweit dies in der mündlichen Verhandlung der Fall war, ist nicht feststellbar, weil etwaige Erörterungen der Abtrennungsfrage nicht protokolliert sind.

Das Interesse der Antragsgegnerin an der Erhaltung des Trennungsunterhaltsanspruchs, über den das Amtsgericht durch Urteil vom 18.Juni 2002 entschieden hat -das Verfahren schwebt gegenwärtig vor dem Senat in der Berufungsinstanz-, darf hier schon deshalb nicht überbewertet werden, weil die Antragsgegnerin, sofern der Antragsteller freiwillig keinen nachehelichen Unterhalt leisten sollte, jederzeit die Möglichkeit hat, ihre wirtschaftliche Situation durch die Stellung eines Antrages auf einstweilige Anordnung zu sichern, über den das Amtsgericht alsbald zu entscheiden hätte. Der überlangen Verfahrensdauer kommt deshalb die entscheidende Bedeutung bei der Frage der Abtrennung zu, weil die Verzögerung nicht von den Parteien veranlaßt worden ist, sondern durch das Gericht. So ist über den Prozeßkostenhilfeantrag des Antragstellers, der am 30.Mai 2000 eingegangen war, erst nach Drängen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers durch Beschluß vom 25.Februar 2002, also fast zwei Jahre später entschieden worden, ohne daß sich den Verfahrensakten entnehmen ließe, daß in der Zwischenzeit eine nennenswerte Aufklärung des Sachverhaltes erfolgt wäre oder das Verfahren sonst Fortgang genommen hätte. So sind die nötigen Maßnahmen zur Klärung der Versorgungsanwartschaften erst am 22.April 2002 verfügt worden, demzufolge liegt auch eine Auskunft über die beamtenrechtlichen Anwartschaften des Antragstellers seitens des Regierungspräsidiums Kassel nicht vor.

Es ist auch keineswegs zu erwarten, daß diese Auskunft innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate erteilt werden kann. Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, besteht bei den Trägern der beamtenrechtlichen Versorgung noch immer keine Klarheit, inwieweit die veränderten gesetzlichen Regelungen zur Beamtenversorgung bei der Bewertung der Anwartschaften zu berücksichtigen sind. Insofern soll eine bundesweite einheitliche Absprache erfolgen, an der es bislang noch fehlt. Der Senat hat daher sämtliche Beschwerden betreffend den Versorgungsausgleich mit Beteiligung von Beamten auf längere Fristen gelegt.

Auch bezüglich des nachehelichen Unterhaltes ist eine alsbaldige Entscheidung des Amtsgerichts nicht zu erwarten. Es hätte nahegelegen, daß das Amtsgericht den nachehelichen Unterhalt zusammen mit der Scheidung und dem Trennungsunterhalt am gleichen Terminstag erledigt (nach Abtrennung des Versorgungsausgleichs), weil die für die Bemessung des Unterhaltes maßgeblichen Umstände auch im Trennungsunterhaltsverfahren vorgebracht worden sind und dort zu prüfen waren. Es ist nunmehr zu befürchten, daß das Amtsgericht, bevor es das Verfahren über die Folgesache Trennungsunterhalt fortsetzt, die Entscheidung des Senats im Berufungsverfahren abwartet. Insoweit ist aber nicht einmal die Berufung begründet; das Verfahren wird nicht vor Mitte 2003 terminiert werden können.

Bei dieser Sachlage kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden, auf die Ehescheidung noch länger warten zu müssen.

Zwar steht dem Amtsgericht bei der Anwendung des § 628 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ZPO ein Ermessens- oder zumindest Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Voraussetzungen zu. Der Senat greift daher in solche Entscheidungen nur dann ein, wenn dieses Ermessen bzw. dieser Beurteilungsspielraum überschritten ist oder sich das Ermessen auf Null reduziert hat. Dies ist hier angesichts der vom Amtsgericht selbst verursachten Verfahrensverzögerung der Fall. In dieser Situation gibt es keine andere Entscheidung mehr, als abzutrennen und vorab die Ehe zu scheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, Nr. 1957 des Kostenverzeichnisses zu § 11 Abs. 1 GKG.

Krämer