OLG Frankfurt vom 20.09.2000 (2 WF 265/00)

Stichworte: Prozeßkostenhilfebewilligung, rückwirkende, Entscheidungsreife
Normenkette: ZPO 114
Orientierungssatz: Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß auch rückwirkend, sogar nach Instanzende, PKH bewilligt werden kann, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Entscheidungsreife hinaus.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 20. September 2000 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 13. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Parteien haben am 24. Oktober 1991 die Ehe geschlossen. Seit Juni 1998 leben die Parteien dauerhaft getrennt.

Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin die Scheidung dieser Ehe beantragt.

Der Antragsgegner war mit der Ehescheidung nicht einverstanden. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 1999 hat er die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt. Zugleich versprach er, eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen. Obwohl diese Erklärung immer noch fehlte, verhandelte seine Verfahrensbevollmächtigte im Termin vom 3. August 1999, der mit der Verkündung des Scheidungsurteils endete. Hiergegen hat der Antragsgegner Berufung eingelegt, hierfür Prozeßkostenhilfe beantragt und diesmal eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

Nachdem ihm der Senat die beantragte Prozeßkostenhilfe durch Beschluß vom 16. Februar 2000 mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg versagt hatte, nahm er mit Schriftsatz vom 29. Februar 2000 die Berufung zurück.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht die für den ersten Rechtszug beantragte Prozeßkostenhilfe dem Antragsgegner mit der Begründung versagt, er habe im ersten Rechtszug die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er beruft sich darauf, daß das Amtsgericht in einem Unterhaltsverfahren bereits durch Beschluß vom 6. April 1999 Prozeßkostenhilfe bewilligt habe.

Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat aus zutreffenden Erwägungen das Prozeßkostenhilfegesuch des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß zwar rückwirkend Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann, auch noch nach Abschluß des Rechtszuges. Die Bewilligung kann jedoch nur auf den Zeitpunkt zurückbezogen werden, zu dem das Gericht bei sachgerechter Bearbeitung der Angelegenheit frühestens hätte entscheiden können. Für diese sogenannte Bewilligungsreife ist vor allem die Vorlage der nach § 117 ZPO geforderten Auskunft über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich. Diese war hier nicht etwa deshalb entbehrlich, weil in einem anderen Verfahren bereits Prozeßkostenhilfe bewilligt war, ohne daß eine nähere Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt war. Ohne die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war es des dem Amtsgericht nicht möglich zu prüfen, ob der Antragsgegner über Vermögenswerte verfügte, die es ihm ermöglicht hätten, die Verfahrenskosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

Von diesem Grundsatz muß nach Auffassung des Senats nur dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn die allgemein anerkannte prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichtes einen Hinweis auf die noch fehlenden Unterlagen zur Bedürftigkeit erforderte. Bei Verletzung dieser Pflicht wäre die Partei so zu stellen, als hätte sie die Unterlagen zu dem Zeitpunkt eingereicht, zu dem der Hinweis frühestens hätte ergehen müssen.

Eine solche Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht durch das Gericht ist hier nicht ersichtlich. Der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners war bewußt, daß die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe von der Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abhängig war. Denn sonst hätte sie nicht selbst angekündigt, diese Erklärung nachreichen zu wollen. Dies muß ihr auch noch bei Antragstellung im Termin vom 3. August 1999 bewußt gewesen sein. Wenn sie gleichwohl den Zeitraum zwischen Stellung des Prozeßkostenhilfeantrages und der mündlichen Verhandlung nicht ausgenutzt hat, die notwendige Erklärung ihrer Partei beizubringen, muß sich dies der Antragsgegner zurechnen lassen. Die prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichtes gegenüber der anwaltlich vertretenen Partei geht jedenfalls nicht soweit, daß es einen Rechtsanwalt, der weiß, daß er noch Unterlagen nachzureichen hat, immer wieder auf deren Fehlen hinweisen muß. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn das Amtsgericht zu erkennen gegeben hätte, daß es sich mit der Vorlage der Erklärung auch nach dem Verhandlungstermin noch zufrieden geben würde. Dafür bestehen hier jedoch keinerlei Anhaltspunkte.

Nach allem war die Beschwerde mit der in § 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO vorgesehenen Kostenfolge zurückzuweisen.

Schreiber Kirsch Krämer