OLG Frankfurt vom 28.08.2002 (2 WF 245/02)

Stichworte: Titelumschreibung auf den Erben nachehelicher Unterhalt
Normenkette: BGB 1586b
Orientierungssatz: Ein Unterhaltstitel gegen den Erblasser kann auf den Erben umgeschrieben werden. § 1586 b verändert den Inhalt des Anspruchs gegen den Erblasser nicht; an Stelle des Einwands der Leistungsfähigkei, der nach dem Tod des Verpflichteten keinen Sinn mehr hat, tritt nur der Einwand der Haftungsbeschränkung auf den Pflichtteil.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Krämer als Einzelrichter am 28. August 2002 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 4. Juli 2002 aufgehoben.

Es verbleibt bei der den Vergleich vom 2. Mai 2001 umschreibenden Verfügung des Amtsgerichts vom 28. Februar 2002.

Der Schuldner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Beschwerdewert: 1.227,10 Euro).

Gründe

Die Gläubigerin und Herr XYZ. waren seit dem 4. November 1983 verheiratet. Ihre Ehe wurde mit Wirkung vom 21. Februar 1996 rechtskräftig geschieden.

Im Verfahren 2 UF 122/97 Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 512 F 1278/95 AG Kassel - wurde XYZ. zur Zahlung von monatlichem Unterhalt ab 1. Juli 1998 in Höhe von 300 DM verurteilt.

Im vorliegenden Verfahren hat XYZ. die Abänderung dieses Unterhaltstitels dahin betrieben, daß er ab Rechtshängigkeit an die Gläubigerin nur noch monatlich 100 DM zu zahlen habe.

Demgegenüber hat die Gläubigerin Widerklage mit dem Antrag erhoben, XYZ. zu nachehelichem Unterhalt in Höhe von 628 DM in Abänderung des Urteils des Senates zu verurteilen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 2. Mai 2001 haben die Gläubigerin und XYZ. den Rechtsstreit durch Vergleich beendet. XYZ. verpflichtete sich, in Abänderung des Senatsurteils monatlich 200 DM Ehegattenunterhalt ab 1. Februar 2001 zu zahlen. Eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Vergleichs wurde der Gläubigerin am 8. Juni 2001 erteilt.

Am 23. August 2001 ist XYZ. verstorben und wurde von dem Schuldner beerbt; vom Amtsgericht Kassel wurde am 19. Oktober 2001 zu seinen Gunsten ein Erbschein ausgestellt.

Die Gläubigerin beantragt nunmehr, die Vollstreckungsklausel dahin umzuschreiben, daß K. M. XYZ. Schuldner ist und ihr eine entsprechende vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs zu erteilen.

Der Schuldner tritt dem mit der Begründung entgegen, daß im Falle des Anspruchsübergangs nach § 1586 b BGB eine Klauselumschreibung unzulässig sei.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat durch Verfügung vom 28. Februar 2002 dem Antrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Erinnerung, der das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluß stattgegeben hat; es hat die Zwangsvollstreckung aus der am 28. Februar 2002 erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig erklärt.

Gegen diesen ihr am 12. Juli 2002 zugestellten Beschluß wendet sich die Gläubigerin mit ihrer am 22. Juli 2002 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig und auch in der Sache begründet. Sie führt zur ersatzlosen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und damit zur Wiederherstellung der Vollstreckungsklausel in der Form der Verfügung vom 28. Februar 2002.

Der Senat hält entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung im vorliegenden Fall die Klauselumschreibung gemäß § 727 ZPO für zulässig. Die Eigenschaft des Schuldners als Erbe ist zweifelsfrei durch Erteilung des immer noch gültigen Erbscheins nachgewiesen. Auch ist der Schuldner im Sinne des § 727 Abs. 1 ZPO als Rechtsnachfolger seines verstorbenen Vaters XYZ. anzusehen. Gemäß § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für sämtliche Nachlaßverbindlichkeiten, wozu außer den vom Erblasser herrührenden Schulden (dies wäre z.B. ein etwaiger Unterhaltsrückstand) die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten gehören. § 1586 b BGB erklärt die fortbestehende Unterhaltspflicht ausdrücklich zur Nachlaßverbindlichkeit. Als sich hieraus ergebende Folge ist der Schuldner als Rechtsnachfolger auch hinsichtlich der Unterhaltsforderung anzusehen; er tritt in das Dauerschuldverhältnis, das zwischen seinem Vater und der Gläubigerin bestand, ein. Zwar wird in der Literatur weithin die Auffassung vertreten, bei dem Anspruch nach § 1586 b BGB handele es sich nicht um den ursprünglichen Unterhaltsanspruch; vielmehr werde ein inhaltlich anderer Anspruch mit anderem Ziel gegen den Erben selbständig begründet (vgl. hierzu Hambitzer, FamRZ 2001, 201, 203 m.w.N.). Auf der anderen Seite wird vielfach die Klauselumschreibung als möglich angesehen (Maurer in: Münchener Kommentar, 2. Aufl., Rdn. 13 zu § 1586 b BGB, wohl auch Häberle in: Soergel, BGB, 11. Aufl., Rdn. 9 zu § 1586 b BGB sowie RGRK-Cuny, 12. Aufl., Rdn. 17 zu § 1586 b BGB). Dieckmann (FamRZ 1977, 168) schließt sich zwar der Auffassung an, wonach eine Titelumschreibung nicht in Betracht kommt, führt allerdings aus, daß der Gesetzeswortlaut und auch die Intention des Gesetzgebers beide Möglichkeiten zulasse, jedoch dem Verzicht auf die Klauselumschreibung der Vorzug zu geben sei. Soweit ersichtlich, hat sich die veröffentlichte Rechtsprechung mit dieser Frage noch nicht befaßt. Der BGH (FamRZ 1985, 164) hält es allerdings für möglich, daß eine Klauselumschreibung in Frage kommt, brauchte seiner Auffassung nach jedoch über diese Frage im seinerzeit anhängigen Verfahren nicht zu befinden. Zwar ist diese Entscheidung noch zu § 70 EheG ergangen, der aber im maßgeblichen Punkt denselben Wortlaut hatte, nämlich daß mit dem Tod des Verpflichteten die Unterhaltspflicht auf den Erben als Nachlaßverbindlichkeit übergeht (so auch § 1586 b Abs. 1 S. 1 BGB). Insbesondere der Gebrauch des Begriffes 'Übergehen' macht deutlich, daß es sich um ein und dieselbe Forderung handelt, die sich vom Tode des Unterhaltspflichtigen an gegen einen anderen Schuldner, nämlich seine Erben, richten sollte. Demzufolge besteht auch kein Zweifel daran (dies hat auch soweit ersichtlich noch niemand in Abrede gestellt), daß es sich bei dem Anspruch nach § 1586 b BGB um eine Familiensache handelt, für die die Familiengerichte zuständig sind. Auch hat sich der Unterhaltsanspruch inhaltlich keineswegs verändert; er zielt weiterhin auf die Deckung des eheangemessenen Bedarfes des geschiedenen Ehegatten ab. Er unterliegt damit nicht nur den Voraussetzungen des § 1586 b BGB, sondern auch dem Fortbestand der Voraussetzungen nach den §§ 1570 ff. BGB. Soweit und sobald einer der Umstände, an denen die Unterhaltspflicht anknüpft, entfällt, erlischt auch der Unterhaltsanspruch nach § 1586 b BGB. Mit dem Tod des Verpflichteten tritt damit in Wahrheit nicht eine inhaltliche Veränderung dieses Anspruches ein, vielmehr wird eine der wesentlichen Einwendungen, nämliche mangelnde Leistungsfähigkeit, die nach dem Tode des Unterhaltspflichtigen keinen Sinn mehr macht, durch die Begrenzung auf den Pflichtteil ersetzt.

In der erwähnten Literatur wird im übrigen ein weiterer Aspekt weitgehend (außer bei Dieckmann a.a.O.) außer Acht gelassen, nämlich der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie. In einer Vielzahl von Fällen wird der Erbe, der erkennt, daß er sich gegenüber dem Anspruch nach § 1586 b BGB nicht mit Erfolg wird wehren können, den titulierten Unterhalt weiter leisten, vor allem dann, wenn das ererbte Vermögen auskömmlich genug ist, wobei auch von Bedeutung sein kann, wie lange im Hinblick auf das Lebensalter des Berechtigten überhaupt noch eine Zahlungspflicht bestehen wird. Sollte man in diesen Fällen die Titelumschreibung nicht zulassen, so müßte auf irgendeine Weise ein neuer Titel errichtet werden, der in jedem Falle nicht nur mit Kosten, sondern auch mit Mühen für die Beteiligten verbunden wäre. Durch die Titelumschreibung wird der Erbe auch keineswegs in irgendwelchen Rechten verkürzt. Soweit sich die Voraussetzungen für den Unterhaltsanspruch in der Person des Unterhaltsberechtigten ändern (Wegfall der Bedürftigkeit usw.) kann er Abänderungsklage nach § 323 ZPO erheben. Soweit durch die geleisteten Zahlungen die Höhe des fiktiven Pflichtteils erreicht ist, kann er dies mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen. Im Grunde genommen geht es bei der Frage der Titelumschreibung nur darum, wem zugemutet werden kann, eine Klage (sei es Leistungsklage, sei es Abänderungsklage, sei es Vollstreckungsabwehrklage) zu erheben. Auf die Rechtsposition der Beteiligten hat dies alles keinen Einfluß. Bei dieser Sachlage ist dem Fortbestand des Titels und damit der Umschreibungsmöglichkeit im Interesse aller Beteiligten der Vorzug zu geben. Der Schuldner macht zwar geltend, daß er nicht beabsichtige, Einwendungen zu erheben, die ihren Grund im Verhältnis der Gläubigerin zum verstorbenen XYZ. hätten, sondern in dem Verhältnis der Parteien untereinander. Solche Einwendungen, die ohnehin allenfalls über § 242 BGB Auswirkungen auf den Anspruch der Gläubigerin haben könnten, wird er dann ebenfalls im Verfahren nach § 767 ZPO geltend zu machen haben. In diesem Verfahren sind sie aber ebenso aussichtsreich oder aussichtslos wie im Rahmen der Verteidigung gegen eine originäre Zahlungsklage der Gläubigerin.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.

Der Beschwerdewert orientiert sich an dem einjährigen Betrag der zu vollstreckenden Forderung (§ 17 GKG). Ein Abschlag ist hier deshalb nicht zu machen, weil die Klauselumschreibung für die Gläubigerin einen auf Zahlung gerichteten Zivilprozeß entbehrlich macht (vgl. auch OLG Köln, Rechtspfleger, 1969, 247).

Krämer