OLG Frankfurt vom 04.09.2000 (2 WF 236/00)

Stichworte: Familienpflege, Antragstellung, Sorgerechtsentzug
Normenkette: SGB VIII 27 ff, BGB 1666
Orientierungssatz: Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat nur der Personensorgeberechtigte Anspruch auf Hilfe zur Erziehung. Ist diesem Elternteil das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen und auf einen Pfleger übertragen worden, sotritt dieser an die Stelle des Elternteils.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Bielefeldt und von Lipinski vom 4. September 2000 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Marburg vom 31. Mai 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Übertragung des Rechts der Antragstellung nach §§ 27 f. SGB VIII entfällt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 DM festgesetzt.

Gründe

Durch ausführlich begründete einstweilige Anordnung vom 22.03.2000 hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltbestimmungsrecht für das am 23.02.2000 geborene Kind XYZ. auf das Stadtjugendamt Marburg als Pfleger übertragen und die Herausgabe an das Stadtjugendamt angeordnet. Mit weiterer einstweiliger Anordnung vom 31.05.2000 hat das Amtsgericht sodann die einstweilige Anordnung vom 22.03.2000 bestätigt und zusätzlich dem Jugendamt der Stadt Marburg das Recht der Antragstellung nach §§ 27 f. KJHG vorläufig als Pfleger übertragen. Hiergegen führt die Antragsgegnerin Beschwerde. Diese erachtet der Senat gemäß § 19 FGG als zulässig. Der Senat prüft vorläufige Anordnungen dieser Art jedoch nur daraufhin nach, ob Voraussetzungen und Grenzen einer solchen gesetzlich nicht geregelten Anordnungsbefugnis eingehalten sind. Die Übertragung des Aufenthaltbestimmungsrechts auf das Stadtjugendamt als Pfleger ist danach nicht zu beanstanden. Gegen die einstweilige Anordnung dieses Inhalts vom 22.03.2000 hatte die Antragsgegnerin auch ein Rechtsmittel nicht eingelegt. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Amtsgerichts, daß diese Maßnahme zur Abwendung einer Gefährdung für das Kind erforderlich ist.

Angesichts des Gebots des § 1666a Abs. 2 BGB, daß die gesamte Personensorge nur dann entzogen werden darf, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind und wenn anzunehmen ist, daß sie zur Abwendung der Gefahren nicht ausreichen, kommt die zusätzliche Übertragung der Rechte der Antragstellung nach §§ 27 f. SGB VIII jedoch nicht in Frage. Die Übertragung des Aufenthaltbestimmungsrechts genügt derzeit; nur insoweit besteht aktueller Handlungsbedarf. Auch wenn von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Antragsgegnerin bei der Durchführung der Familienpflege auszugehen ist, sind Schwierigkeiten für das Jugendamt nicht zu besorgen. Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat nur der Personensorgeberechtigte Anspruch auf Hilfe zur Erziehung. Ist einem Elternteil das Personensorgerecht ganz oder teilweise durch das Familiengericht nach §§ 1666, 1666a BGB entzogen und auf einen Pfleger übertragen worden, tritt dieser insoweit an die Stelle des Elternteils (vgl. insoweit § 7 Abs. 1 Nummer 5 SGB VIII; OLG Düsseldorf, FamRZ 97, 105; LG Darmstadt FamRZ 95, 1435). Der abweichenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Arnsberg (FamRZ 97, 1373 mit Anmerkung FamRZ 1998, 328) vermag der Senat nicht zu folgen. Insoweit war daher der angefochtene Beschluß abzuändern, die Beschwerde im übrigen aber zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. 3 KostO, 13a Abs. 1 FGG).

Schreiber von Lipinski Bielefeldt