OLG Frankfurt vom 19.08.1999 (2 WF 210/99)

Stichworte: Amtsverfahren, Verhandlunggebühr
Normenkette: BRAGO 31 Abs. 1 Nr. 2
Orientierungssatz: allein die physische Anwesenheit des Rechtsanwalts in der Verhandlung genügt nicht (für das Entstehen der Verhandlungsgebühr) (vgl. zum ganzen Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, Rdnr. 6 zu § 63)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

weiterhin am Verfahren beteiligt:

die Staatskasse des Landes Hessen, vertreten durch den Bezirksrevisor beim Landgericht Marburg, Universitätsstraße 48, 35018 Marburg, als

Beschwerdeführerin

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 19. August 1999 beschlossen

Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluß des Amtsgerichts Kirchhain vom 7. Juni 1999 abgeändert.

Die den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 176,78 DM festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin, die seit Ende 1998 die Absicht hat, sich vom Antragsgegner zu trennen, beantragt, ihr die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Zur Verteidigung hiergegen hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 22. Januar 1999 unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., Marburg, Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Im Verhandlungstermin vom 22. Januar 1999 erschienen die Parteien mit ihren Verfahrensbevollmächtigten. Der Antragsgegner erklärte, er sei am 16. Januar 1999 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Dies wurde von der Antragstellerin bestätigt. Daraufhin erklärten die Parteien das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Durch Beschluß vom 22. Januar 1999 hat das Amtsgericht diese Erledigung festgestellt, die Gerichtsgebühren der Antragstellerin auferlegt und klargestellt, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Am 8. Februar 1999 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners die Festsetzung seiner Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der Prozeßkostenhilfebewilligung, und zwar neben der Prozeßgebühr auch eine Verhandlungs-/Erörterungsgebühr.

Mit Beschluß vom 9. März 1999 lehnte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts die Festsetzung der Verhandlungs-/Erörterungsgebühr ab.

Auf Erinnerung des Beschwerdegegners hin setzte das Amtsgericht durch den jetzt angefochtenen Beschluß die Vergütung auf 353,57 DM fest, nämlich zusätzlich einschließlich einer Verhandlungsgebühr, Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Beschwerdeführerin.

Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.

Durch die Teilnahme des Beschwerdegegners am Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1999 ist weder eine Verhandlungsgebühr nach den §§ 63 Abs. 3, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO noch die Erörterungsgebühr nach den §§ 63 Abs. 3, 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO entstanden; die ursprünglich vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommene Festsetzung umfaßt die vollständige gesetzliche Vergütung des Beschwerdegegners nach § 121 BRAGO.

Im Termin vom 22. Januar 1999 ist die Sache weder verhandelt noch erörtert worden. Zwar bedarf es in isolierten Verfahren über die Ehewohnung nach § 1361b BGB, für die das FGG zur Anwendung kommt und das deshalb vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht werden, für die mündliche Verhandlung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO keiner Anträge. Vielmehr genügt es regelmäßig, wenn der Verfahrensbevollmächtigte seine Partei in irgendeiner Form in der Verhandlung vertritt, wobei nicht einmal erforderlich ist, daß beide Parteien in der Verhandlung unterschiedliche Standpunkte vertreten. Stets ist aber zumindest erforderlich, daß der Verfahrensbevollmächtigte sich in irgendeiner Form in der Verhandlung mit der Sach- und Rechtslage auseinandersetzt, allein die physische Anwesenheit des Rechtsanwalts in der Verhandlung genügt nicht (vgl. zum ganzen Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, Rdnr. 6 zu § 63).

Aus der Sitzungsniederschrift vom 22. Januar 1999 ist nicht ersichtlich, daß die erschienenen Anwälte über die Erledigungserklärung hinaus sich in irgendeiner Form an der Verhandlung beteiligt hätten. Daß Erörterungen stattgefunden hätten, die im Protokoll keinen Niederschlag gefunden haben, ist nicht vorgetragen.

Vielmehr sind die einzigen Erklärungen zur Sache von den Parteien selbst abgegeben worden, die erschienenen Anwälte wurden offenkundig erstmals in der Verhandlung selbst über die veränderte Sachlage, nämlich den Auszug des Antragsgegners, informiert. Auch im Hinblick auf die in Hausratsverfahren eingeschränkten Anforderungen an Verhandlung und Erörterung reicht die Tätigkeit des Beschwerdegegners nicht für die Annahme aus, eine Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr könne entstanden sein.

Dies gilt auch, soweit die Anwälte das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, denn insoweit handelte es sich nur noch um die unausweichliche verfahrensrechtliche Konsequenz aus den soeben von den Parteien selbst erhaltenen Informationen (Hartmann, Kostengesetze, Rdnr. 235 zu § 31 BRAGO; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Mackert Rdnr. 62 zu § 31 BRAGO). Die erschienenen Anwälte haben sich offenbar nicht einmal zu der danach allein noch regelungsbedürftigen Kostenfrage geäußert, so daß eine Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr auch zu dem geringeren Kostenstreitwert nicht entstanden ist.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 128 Abs. 5 BRAGO.

Schreiber Kirsch Krämer