OLG Frankfurt vom 01.09.1999 (2 WF 205/99)

Stichworte: Verfahren, vereinfachtes, Feststetzung Einwendungen, zulässige
Normenkette: ZPO 648, 647 Abs. 1 Nr. 4, 652 ZPO 647 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Orientierungssatz: Nach Auffassung des Senats können nach § 648 ZPO zulässige Einwendungen sogar dann noch als Beschwerdegründe vorgebracht werden, wenn zuvor im Anhörungsverfahren eine Äußerung gänzlich unterblieben ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 3 zu § 652; Senatsbeschluß vom 19. April 1999 - 2 WF 91/99 -).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 1. September 1999 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Unterhaltsfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Eschwege vom 6. Juli 1999 aufgehoben.

Das Verfahren wird zu erneuter Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

G r ü n d e :

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe sind die Kinder D. F., geboren am 25. August 1982, L. F., geboren am 4. November 1988 und K. F., geboren am 2. Mai 1992 hervorgegangen. Die Parteien leben seit längerem getrennt. K. und L. leben bei der Antragsgegnerin, D. beim Antragsteller.

Am 12. März 1999 hat der Antragsteller beim Amtsgericht beantragt, gegen die Antragsgegnerin beginnend mit dem 1. Januar 1999 im vereinfachten Verfahren einen Unterhalt in Höhe von 100 % der Regelbeträge unter Berücksichtigung eines Kindesgeldes von monatlich 250 DM festzusetzen. Zugleich hat er für diesen Antrag Prozeßkostenhilfe begehrt. Noch vor der Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 21. April 1999 die Zustellung des Unterhaltsantrages veranlaßt, die am 26. April 1999 erfolgte. Durch Beschluß vom 19. Mai 1999 hat das Amtsgericht den Prozeßkostenhilfeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller könne die Verfahrenskosten aus seinem Vermögen bestreiten. Hiergegen hat der Antragsteller am 4. Juni 1999 Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 1999, beim Amtsgericht am 15. Juni 1999 eingegangen, hat die Antragsgegnerin die Zuständigkeit des Amtsgerichts Eschwege gerügt und im übrigen unter Beifügung der Gehaltsbescheinigung für Januar und Februar 1999 geltend gemacht, nicht leistungsfähig zu sein. Mit Verfügung vom 30. Juni 1999 hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, daß die Einwendungen auf dem amtlichen Vordruck nach § 647 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geltend zu machen seien und hierfür eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Diese Verfügung ist am 1. Juli 1999 von der Kanzlei des Amtsgerichts ausgeführt worden.

Am 6. Juli 1999 sprach der gesetzliche Vertreter des Antragstellers beim Amtsgericht vor und überreichte zwei auf den 5. Juli 1999 datierte Schriftsätze, mit denen er zum einen seine Prozeßkostenhilfebeschwerde zurücknahm und zum anderen um sofortigen Erlaß des beantragten Unterhaltsbeschlusses bat. Diesem Begehren entsprach das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluß noch am selben Tage. Mit der Verfügung, durch die es die Zustellung dieses Beschlusses an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin anordnete, forderte das Amtsgericht diese auf, das Schreiben vom 30. Juni 1999 als gegenstandslos zu betrachten, weil eine nochmalige Frist für das Vorbringen von Einwendungen nicht gewährt werden könne.

Gegen den ihr am 8. Juli 1999 zugestellten Beschluß wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 13. Juli 1999 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Sie legt nunmehr einen vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck nach § 648 ZPO sowie außerdem Gehaltsabrechnungen für Mai und Juni 1999 vor.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag im vereinfachten Verfahren zurückzuweisen.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 652 ZPO zulässig; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht.

Zwar kann im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger der in Anspruch Genommene nach § 648 Abs. 2 BGB Einwendungen nur erheben, wenn er zugleich erklärt, inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist und sich - soweit er sich für leistungsunfähig erklärt (vgl. Zöller-Philippi, Rdnr. 7 zu § 648 ZPO) - leistungsfähig ist, zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet, dies alles unter Verwendung des amtlichen Vordruckes, auf dem er Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen hat; außerdem sind entsprechende Nachweise vorzulegen. Diesen Voraussetzungen hat der schriftsätzlich erfolgte Hinweis auf mangelnde Leistungsfähigkeit nicht entsprochen, auch wenn einzelne Gehaltsbescheinigungen beigefügt waren.

Hierdurch ist die Antragsgegnerin jedoch nicht gehindert, unter Vorlage des nunmehr erstmals ausgefüllten amtlichen Vordrucks sofortige Beschwerde zu führen. Denn auch im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger muß dem in Anspruch Genommenen die Möglichkeit gegeben werden, prozessuale Handlungen, die im ersten Rechtszug unterblieben sind, in der vorgeschriebenen Form nachzuholen, wie dies auch sonst gemäß § 570 ZPO im Beschwerdeverfahren möglich ist. Nach Auffassung des Senats können nach § 648 ZPO zulässige Einwendungen sogar dann noch als Beschwerdegründe vorgebracht werden, wenn zuvor im Anhörungsverfahren eine Äußerung gänzlich unterblieben ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 3 zu § 652; Senatsbeschluß vom 19. April 1999 - 2 WF 91/99 -). Dies muß erst recht gelten, wenn nach § 648 ZPO zulässige Einwendungen im ersten Rechtszug zwar erhoben worden, die Verwendung des amtlichen Vordruckes unterblieben ist.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat damit Erfolg. Der Senat sieht keine Veranlassung, ihr schon jetzt die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen, weil der angefochtene Beschluß ohnehin aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben gewesen wäre.

Nachdem das Amtsgericht verfahrensrechtlich richtig die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 30. Juni 1999 darauf hingewiesen hat, daß der amtliche Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt worden sei, und eine Frist zur Nachholung dieses Versäumnisses eingeräumt hat, hat es damit bei der Antragsgegnerin das Vertrauen dahin geweckt, sie könne ihre Einwendungen noch in der vorgeschriebenen Form trotz Versäumnis der Monatsfrist gemäß § 647 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO, bei der es sich nicht um eine Ausschlußfrist handelt (wie sich auch § 648 Abs. 3 ZPO ergibt), nachholen. Hieran war das Amtsgericht verfahrensrechtlich gebunden. Es durfte nicht auf persönliche Vorsprache des gesetzlichen Vertreters des Antragstellers gleichzeitig mit Erlaß des angefochtenen Beschlusses die mit Verfügung vom 30. Juni gesetzte Frist aufheben, jedenfalls nicht, ohne vorher der Antragsgegnerin rechtliches Gehör gewährt zu haben.

Schreiber Kirsch Krämer