OLG Frankfurt vom 25.05.1999 (2 UF 63/99)

Stichworte: Wiedereinsetzung, Verschulden, Fristenkontrolle
Normenkette: ZPO 233, 85 Abs. 2
Orientierungssatz: Zu den Anforderungen an den Anwalt bei der Fristenkontrolle für einen Antrag auf PKH für die Berufung

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Bielefeldt und Bloch am 25. Mai 1999 beschlossen:

Die Berufung der Kläger wird verworfen.

Die Gerichtskosten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der im Wiedereinsetzungsverfahren entstandenen Kosten tragen der Kläger zu 1) zu 2/3, der Kläger zu 2) zu 1/3. Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der im Wiedereinsetzungsverfahren entstandenen Kosten tragen der Kläger zu 1) und 2) ihre eigenen selbst und der Kläger zu 1) 2/3 derjenigen des Beklagten sowie der Kläger zu 2) 1/3 derjenigen des Beklagten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 2.685 DM.

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die auf Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs aus dem Vergleich des Amtsgerichts Kassel vom 15.01.1997 gerichtete Abänderungsklage abgewiesen. Das Urteil ist den Klägern am 22.01.1999 zugestellt worden. Mit am 22.02.1999 eingegangenem Antrag haben sie Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung beantragt. Der diese Prozeßkostenhilfe antragsgemäß bewilligende Beschluß des Senats vom 23.03.1999 ist den Klägern am 29.03.1999 zugestellt worden. Mit am 18.05.1999 eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger Berufung eingelegt, Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung gegen die Berufungsfrist gestellt und gleichzeitig Antrag auf Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag selbst. Zur Begründung führen sie aus, für die Zeit des Urlaubs der Sozien Barthelmes und Burkhard sei der zuverlässige Bürovorsteher Ziegler mit der Fristkontrolle für die Eingänge beauftragt worden, habe jedoch versehentlich die im vorliegenden Verfahren zu beachtende Frist für den Wiedereinsetzungsantrag und gleichzeitige Berufungseinlegung nicht beachtet.

Die Berufung der Kläger ist gemäß § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie verspätet eingelegt worden ist und Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann.

Die Monatsfrist für die Berufung gegen das angefochtene Urteil lief ab Zustellung am 22.01.1999. Die am 18.05.1999 eingelegte Berufung ist damit verspätet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß §§ 233 ff. ZPO kann nicht gewährt werden, denn die dafür in § 234 Abs. 1, 2 ZPO bestimmte Frist von zwei Wochen ist ebenfalls nicht eingehalten. Mit der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe durch den Senat und der Kenntnis der Kläger davon durch Zustellung dieses Beschlusses am 29.03.1999 war das durch die Kostenarmut der Kläger gegebene Hindernis beseitigt, die Frist für die Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung lief demgemäß am 12.04.1999 ab. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedoch erst am 18.05.1999, somit ebenfalls verspätet eingelegt worden.

Auch Wiedereinsetzung für die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist selbst kann nicht bewilligt werden. Denn die Kläger waren nicht ohne ihr Verschulden verhindert (§ 233 ZPO), die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsgesuchs einzuhalten. Die Versäumung dieser Frist ist auf ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurückzuführen, das die Kläger sich wie eigenes Verschulden zurechnen müssen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, darf sich ein Rechtsanwalt zwar grundsätzlich von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristkontrolle durch Übertragung dieser Tätigkeit auf zuverlässige, die Fristen sorgfältig überwachende Bürokräfte entlasten. Zu der im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Kläger für die Wahrung von Fristen insbesondere bei Rechtsmitteln eingerichteten Organisation ist nicht im einzelnen vorgetragen, vielmehr auf die langjährige einschlägige Erfahrung des Bürovorstehers hingewiesen worden. Von einer Organisation, die insbesondere dem hier vorliegenden Fall eines isolierten Prozeßkostenhilfegesuchs für eine fristgebundene Berufung gerecht würde, kann nach den gesamten Umständen nicht ausgegangen werden. Es ist nicht ersichtlich, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger alles ihm Zumutbare getan hätte, um die Wahrung der Fristen bei einem isolierten Prozeßkostenhilfegesuch zu sichern. Denn bei Beantragung der isolierten Prozeßkostenhilfe bestand erklärtermaßen bereits die Absicht, nach ihrer Bewilligung Berufung einzulegen. In diesem Fall kann der Anwalt die Wahrung der Fristen bereits zu diesem Zeitpunkt unschwer dadurch sicherstellen, daß er im Zusammenhang mit der Stellung des Antrages auf Prozeßkostenhilfe zugleich in seinen Handakten selbst die Notwendigkeit der Fristwahrung auffällig vermerkt. Nur so kann nach Auffassung des Senats der Gefahr ausreichend vorgebeugt werden, daß - wie dies hier in einem typischerweise vorkommenden Fall der Urlaubsabwesenheit von mehreren Sozien geschehen ist - ein die Wiedereinsetzungsfrist in Gang setzender Prozeßkostenhilfebeschluß in seiner Bedeutung übersehen wird. Die vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger für die Dauer seines Urlaubs eingerichtete Vertretungsregelung für die Fristenwahrung kann deshalb nicht genügen, weil die für die Fristbearbeitung entscheidende Maßnahme mit dem von dem Posteingang beschäftigten Angestellten erwartet wird, auch wenn es sich um den Bürovorsteher handelt; er soll Schriftstücke daraufhin überprüfen, ob sie Berufungssachen betreffen und Prozeßkostenhilfeentscheidungen enthalten, obwohl derartigen Beschlüssen nicht ohne weiteres anzusehen ist, daß sie eine - zudem nur zweiwöchige - Frist in Gang setzen. Für eine weitere Kontrolle ist nichts vorgetragen, insbesondere nichts für Hinweise in oder auf der Handakte.

Davon abgesehen hält der Senat den Prozeßbevollmächtigten, der den Empfang eines Prozeßkostenhilfebeschlusses bestätigt, für verpflichtet, einerseits den Charakter eines besonderen Prozeßkostenhilfebeschlusses, der den Lauf einer Wiedereinsetzungsfrist in Gang setzt, zu erkennen und weiter für verpflichtet, seine Handakten selber mit einem Fristvermerk zu versehen, wenn das aufgrund der von ihm grundsätzlich vorgesehenen Organisation nicht bereits vorher durch ihn selbst bei Stellung des Prozeßkostenhilfeantrages oder durch Angestellte, für den Anwalt aus den Handakten erkennbar, geschehen ist (vgl. dazu BGH VersR 91, 124; 85, 147; 80, 764 mit weiteren Hinweisen).

Nach allem konnte Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, so daß die Berufung mit der Kostenfolge aus §§ 97, 238 Abs. 4 ZPO als unzulässig zu verwerfen war.

Schreiber Bloch Bielefeldt