OLG Frankfurt vom 24.09.2001 (2 UF 390/00)

Stichworte: Nutzungsvergütung, Höhe
Normenkette: BGB 1361 Abs. 2
Orientierungssatz: Orientierungsgröße für die angemessene Nutzungsvergütung ist die vergleichbare Marktmiete. Im Einzelfall kann die Vergütung auch geringer bemessen werden, wenn dies nach den Lebensverhältnissen angemessen erscheint (Billigkeitserwägung).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter Bielefeldt, Krämer und Kirsch am 24. September 2001 beschlossen:

In Abänderung des Beschlusses vom 7. Februar 2001 wird dem Antragsgegner für seine Beschwerde Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit er sich gegen die Festsetzung einer höheren Nutzungsvergütung als 250 DM monatlich sei Mai 1999 wendet.

Im übrigen wird das Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen.

Im Rahmen der Prozeßkostenhilfebewilligung wird dem Antragsgegner Rechtsanwältin Dr. X., in F., beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Aus ihrer ersten Ehe, die am 25. Januar 1993 geschieden wurde, sind die Kinder X. V., geboren am 15. November 1984, Z. V., geboren am 11. März 1990, und R. V., geboren am 13. Mai 1991, hervorgegangen. Im Rahmen des Ehescheidungsverfahren wurde die elterliche Sorge für die Kinder auf die Antragstellerin übertragen. Später wurde X. auf Betreiben des Jugendamtes in einem Heim in Norddeutschland untergebracht, lebt inzwischen aber wieder bei der Antragstellerin.

Im Jahre 1995 haben die Parteien erneut miteinander die Ehe geschlossen. Sie leben sei dem 13. November 1998 wieder getrennt. Die Kinder Z. und R. blieben nach dem Auszug der Antragstellerin zunächst beim Antragsgegnerin, sie nahm sie aber Ende 1998 wieder zu sich.

Durch Beschluß des Senats vom 25. Januar 2001 (2 UF 152/00 = 3 F 510/98 AG In F.) wurden Z. und R. unter Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge in die Obhut des Antragsgegners gegeben, wo sie seitdem leben.

Der Antragsgegner, der nach wie vor die verbrauchsabhängigen Abgaben und Nebenkosten trägt, bediente noch bis zur Trennung der Parteien die auf dem Hause lastenden Verbindlichkeiten. Im Mai 1999 erhielt die Antragstellerin Kenntnis davon, daß der Antragsgegner die Zahlung nach Trennung eingestellt hatte.

Mit Beschluß vom 3. Mai 1999 hat das Amtsgericht die Ehewohnung, die in einem im Alleineigentum der Antragstellerin stehenden Haus liegt, vorläufig zur alleinigen Nutzung zugewiesen; der Antragsgegner bewohnt sie inzwischen mit R. und Z. zusammen.

Die Antragstellerin lebte nach der Trennung zunächst in einem von beiden Parteien geerbten Haus in XYZ.. Inzwischen steht dieses Anwesen unter Zwangsversteigerung. Die Antragstellerin wohnt jetzt bei ihrem Lebensgefährten.

Der Antragsgegner lebt von Arbeitslosenhilfe in Höhe von etwa 1.136 DM monatlich. Die Antragstellerin war bis Anfang 2000 ohne Arbeit. Sie verfügt gegenwärtig über ein Erwerbseinkommen aus einer Teilzeitätigkeit in Höhe von etwa 1.014 DM monatlich. Sie zahlt keinen Kindesunterhalt für Z. und Sasica.

Die Antragstellerin macht im vorliegenden Verfahren gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Zahlung einer Benutzungsvergütung geltend. Sie errechnet sich, ausgehend von einer ortsüblichen Miete von 9 DM je m², einen Betrag von 900 DM monatlich.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat darauf verwiesen, daß die Antragstellerin weder Trennungsunterhalt an ihn noch Kindesunterhalt für die Kinder leiste.

Durch Beschluß vom 2. November 2000 hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet, für die Zeit von Mai 1999 bis Dezember 1999 monatlich 650 DM und für die Zeit danach monatlich 877 DM zu zahlen. Die bis Oktober 2000 aufgelaufene Beträge hat es zu dem Betrag von 13.970 DM zusammengefaßt. Im übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 22. November 2000 zugestellten Beschluß wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 21. Dezember 2000 eingegangenen und zugleich begründeten Beschwerde.

Er macht geltend, für die Zeit vor dem 19. Juli 1999 entfalle ein Anspruch auf Benutzungsvergütung, weil die Antragstellerin ihren Anspruch vorher nicht geltend gemacht habe. Nach wie vor zahle die Antragstellerin keinen Unterhalt, obwohl sie leistungsfähig sei. Dadurch, daß sie sein Angebot abgelehnt habe, mit ihr einen Mietvertrag abzuschließen, seien ihm Wohngeldansprüche in Höhe von monatlich 100 DM verlorengegangen.

Der Antragsgegner beantragt,

den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß bis einschließlich Juni 1999 der Antrag zurückgewiesen wird und für die Zeit ab Juli 1999 eine niedrigere angemessene Benutzungsvergütung festgesetzt wird.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, daß es zur verspäteten Geltendmachung ihrer Ansprüche nur deshalb gekommen sei, weil sie nach wie vor davon ausgegangen sei, der Antragsgegner bediene das Darlehen bei der Sparkasse Waldeck-Frankenberg. Erst durch eine Zahlungsaufforderung der Sparkasse im Mai 1999 sei ihr bekannt geworden, daß der Antragsgegner seine Zahlungen eingestellt habe. Im übrigen verweist sie darauf, daß sie wegen ihrer Arbeitslosigkeit im Jahre 1999 nicht leistungsfähig gewesen sei. Auch reiche ihr gegenwärtiges Erwerbseinkommen für eine Unterhaltszahlung nicht aus.

II.

Der Antrag des Antragsgegner, ihm für die Durchführung seiner Beschwerde Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, ist lediglich in dem sich aus dem Tenor dieses Beschlusses ergebenden Umfang gerechtfertigt. Nur insoweit bietet die Beschwerde des Antragsgegners die für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Weil dem Antragsgegner die frühere eheliche Wohnung, die im Alleineigentum der Antragstellerin steht, durch Beschluß des Amtsgerichts für die Trennungszeit als alleinige Wohnung zugewiesen worden ist, steht der Antragstellerin ein Anspruch auf Benutzungsvergütung gemäß § 1361 Abs. 2 BGB zu, soweit dies der Billigkeit entspricht. Hierfür sind neben dem Mietwert der Wohnung insbesondere die lebens- und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten sowie auch die Erziehung gemeinschaftlicher Kinder von Bedeutung. Hierbei kann grundsätzlich zwar der Mietwert für den Ausgleich des tatsächlichen Vermögenszuwachses für den verbleibenden Ehegatten durch die Nutzung der Ehewohnung herangezogen werden. Im Hinblick auf das aus der Ehe fließende Besitzrecht des Antragsgegners, die frühere gemeinsame Nutzung der Ehewohnung und die angespannte finanzielle Situation der Parteien muß - wie in aller Regel - die Benutzungsvergütung hier unterhalb der ortsüblichen Miete festgesetzt werden, wobei der Wohnanteil im notwendigen Selbstbehalt, der im Rahmen des Getrenntlebens anzuwenden ist, zur Beurteilung ergänzend herangezogen werden kann. Dieser macht bis 30. Juni 2001 monatlich 525 DM aus, für die Zeit danach monatlich 550 DM. In etwa auch ein Betrag in dieser Größenordnung ergäbe sich, wenn man die vom Antragsgegner genutzte Wohnung von 117 m² Größe mit einem Mietwert von 7,50 DM je m² ansetzen würde und hiervon im Hinblick auf die angespannte finanzielle Situation des Antragsgegners einen erheblichen Abschlag bis zur Hälfte der ortsüblichen Miete vornehmen würde (vgl. hierzu OLG Frankfurt FamRZ 1992, 677, 679; Palandt/Brudermüller, BGB, 60. Auflage, Rdnr. 29 zu § 1361 b).

Hinzu kommt, daß im Rahmen der nach § 1361 b Abs. 2 BGB vorzunehmenden Billigkeitsprüfung ein erheblicher Abschlag im Hinblick darauf vorzunehmen ist, daß der Antragsgegner den bei ihm lebenden Kindern nicht nur die Wohnung zur Verfügung stellen muß, sondern darüber hinaus auch anstelle der Antragstellerin für ihren sonstigen Lebensbedarf zu sorgen hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, wenn die ansonsten hinsichtlich Kindesunterhalts nicht leistungsfähige Antragstellerin (wobei offenbleiben kann, ob sie im Rahmen ihrer gesteigerten Erwerbspflicht gemäß § 1603 Abs. 2 BGB alles ihr obliegende getan hat, eine besser bezahlende Anstellung zu finden) dadurch ihren Beitrag zum Kindesunterhalt erbringt, daß die vom Antragsgegner zu zahlenden Benutzungsvergütung auf etwa die Hälfte des Wohnanteils im Mindestbedarf, also auf 250 DM monatlich festgesetzt wird.

Diese Benutzungsvergütung kann die Antragstellerin schon ab Mai 1999 fordern, auch wenn sie ihren Anspruch erst mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Juli 1999 geltend gemacht hat. Denn der Antragsgegner mußte, nachdem er im Zusammenhang mit dem Auszug der Antragstellerin seine Zahlungen auf die im Rahmen der Hausfinanzierung aufgenommenen Darlehen eingestellt hatte, dringend damit rechnen, daß die Antragstellerin ihn nicht mehr in ihrem Haus wohnen lassen würde, ohne daß er sich an den hiermit verbundenen Kosten beteiligte.

Soweit der Antragsgegner durch den angefochtenen Beschluß zu höheren Beträgen verpflichtet worden ist, kann ihm daher Prozeßkostenhilfe bewilligt werden.

Bielefeldt Kirsch Krämer