OLG Frankfurt vom 22.12.1999 (2 UF 360/97)

Stichworte: Zugewinn, Endvermögen, Stichtag, Ausgleichsanspruch, Begrenzung
Normenkette: BGB 1378 Abs. 2, 1372
Orientierungssatz: Gemäß § 1378 Abs. 2 BGB wird die Höhe der Ausgleichsforderung durch den Wert des Vermögens begrenzt, das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstandes, also bei Rechtskraft der Scheidung, vorhanden ist... Insofern ist rechtlich unerheblich, ob der Beklagte während des Zeitraums vom Stichtag für die Berechnung des Zugewinns (6. März 1993) der Beendigung der Ehe bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils (19. September 1994) oder in der Zeit danach Vermögensdispositionen getroffen hat, die bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vertretbar waren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Bielefeldt und Krämer im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO nach dem Sachstand vom 10. Dezember 1999 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 20. Oktober 1997 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand :

Die Parteien haben am 15. November 1968 die Ehe geschlossen. Nachdem sie sich endgültig getrennt hatten, hat die Klägerin im Verfahren F 111/93 - AG Bad Hersfeld - Scheidungsantrag eingereicht, der am 6. März 1993 zugestellt wurde. Die Ehe der Parteien wurde am 19. September 1994 rechtskräftig geschieden.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zugewinnausgleich in Anspruch.

Die Parteien streiten nicht darüber, daß die Klägerin während der Ehe einen Zugewinn in Höhe von 7.122,51 DM erzielt hat.

Der Beklagte, der bei Eingehung der Ehe kein Anfangsvermögen hatte, erwarb im Jahre 1977 ein in X. gelegenes Hausgrundstück, das er heute noch bewohnt. Dieses hatte sowohl im Jahre 1993 wie auch im Jahr 1994 einen Verkehrswert von 240.000 DM. Allerdings war es in den Jahren 1978 und 1979 aufgestockt und ausgebaut worden.

Am 6. März 1993 fanden sich im Vermögen des Beklagten Barguthaben sowie Lebensversicherungen im Werte von insgesamt 40.040,27 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite der 3 des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Nachdem die Grenze zur ehemaligen DDR gefallen war, versuchte sich der Beklagte zusammen mit einem Herrn W. (je zur ideellen Hälfte) mit der Errichtung eines Supermarktes in X. (Landkreis Bad Salzungen, Thüringen). Zu diesem Zweck erwarb er zusammen mit W. ein als Grünland genutztes unbebautes Grundstück ("An der X.") im Gewerbegebiet von X. zum Kaufpreis von 100.000 DM. Zur Finanzierung dieses Grundstücks nahm er zusammen mit W. ein Darlehen über 100.000 DM bei der Sparkasse Hersfeld Rotenburg auf.

Dieses Projekt scheiterte jedoch. Der Beklagte war inzwischen wegen weiterer Investitionen in dieses Projekt mit seinem Girokonto mit fast 80.000 DM ins Soll geraten. Deshalb nahm er zur Ablösung dieses Saldos ein weiteres Darlehen bei der Sparkasse Hersfeld Rotenburg auf. Außerdem hatte er den Anteil am Girokonto der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die mit W. bestand, in Höhe der Hälfte und damit von 7.202,39 DM auszugleichen.

Darüber hinaus war auch das Hausgrundstück in X. mit Darlehensverbindlichkeiten belastet, die am 6. März 1993 mit 46.363,83 DM valutierten. Zur Sicherung des für die Ablösung des Girokontos aufgenommenen Darlehens bestellte er außerdem am 22. Dezember 1992 eine brieflose Grundschuld über 80.000 DM, die am 13. April 1993 im Grundbuch eingetragen wurde. Am 5. Oktober 1993 erwarb er durch notariellen Vertrag des Notars X. in Stuttgart (Urkundenrolle Nummer 1776/93) eine vermietete Eigentumswohnung in Z./Rüstringen zum Kaufpreis von 215.410 DM. Zum Zwecke der Finanzierung nahm er bei der Commerzbank - Filiale Lauf - ein Darlehen über nominal 259.000 DM auf. Ferner wurde ein Disagio von 25.900 DM sowie Bearbeitungsgebühren in Höhe von 2.590 DM vereinbart, so daß der ausgezahlte Darlehensbetrag 230.510 DM ausmachte.

Das Haus, in dem sich die Eigentumswohnung befindet, erwies sich als stark renovierungsbedürftig. Die Eigentumswohnung ist für nicht mehr als 100.000 DM zu verkaufen.

Die Klägerin hat die Aufnahme von Darlehen im Rahmen dieses Projektes in X. bestritten; vielmehr stünden diese Darlehen im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung in Z..

Sie hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 70.000 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Gegen dieses ihm am 4. November 1997 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 3. Dezember 1997 eingelegten und nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 3. Februar 1998 begründeten Berufung.

Er wiederholt zunächst sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Darüber hinaus macht er nunmehr geltend, daß in seinem Vermögen die Verbindlichkeiten die Aktivpositionen übersteigen und schon deshalb ein Zugewinnausgleichsanspruch nicht bestehe.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht ein Zugewinnausgleichsanspruch gemäß den §§ 1372 ff. BGB gegen den Beklagten nicht zu.

Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte bei Zustellung des Scheidungsantrages am 6. März 1993 einen höheren Zugewinn als die Klägerin erzielt hat und damit an sich ausgleichspflichtig gewesen wäre.

Denn gemäß § 1378 Abs. 2 BGB wird die Höhe der Ausgleichsforderung durch den Wert des Vermögens begrenzt, das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstandes, also bei Rechtskraft der Scheidung, vorhanden ist. Auf diesen Umstand sind die Parteien im Senatstermin vom 2. Juni 1999 hingewiesen worden.

Daraufhin hat der Beklagte unter Vorlage von Nachweisen eine Aufstellung seines Vermögens zum 19. September 1994 (Rechtskraft der Ehescheidung) vorgelegt. Danach übersteigt sein Passivvermögen das Aktivvermögen.

Diesem Vorbringen ist die Klägerin nicht mehr entgegengetreten.

Im einzelnen gilt folgendes:

(wird ausgeführt)....

Damit stehen den Aktiva von 373.434,40 DM Passiva von 513.456,43 DM gegenüber. Der Beklagte ist damit mit 140.022,03 DM überschuldet.

Insofern ist rechtlich unerheblich, ob der Beklagte während des Zeitraums vom Stichtag für die Berechnung des Zugewinns (6. März 1993) der Beendigung der Ehe bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils (19. September 1994) oder in der Zeit danach Vermögensdispositionen getroffen hat, die bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vertretbar waren. § 1378 Abs. 2 BGB bezweckt in erster Linie den Schutz von Drittgläubigern; der an sich ausgleichspflichtige Ehegatte soll ihnen gegenüber zurücktreten müssen. In welchem Verhältnis § 1378 Abs. 2 BGB zu § 1375 Abs. 2 BGB gesehen werden muß, ist vielfältig umstritten (vgl. etwa Johannsen-Henrich-Jaeger, Eherecht, Rdnr. 10 zu § 1378 BGB; Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., Rdnr. 10 zu § 1378 BGB) und kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls sind solche treuwidrigen Verfügungen hier nicht erkennbar. Die Überschuldung des Beklagten beruht nämlich hauptsächlich darauf, daß er im guten Glauben, wirtschaftlich vernünftig zu handeln, letztlich verlustreiche Investitionen in Thüringen sowie für eine Eigentumswohnung in Z. getätigt hat. Durch dieses Verhalten hat sich der Beklagte selbst wirtschaftlich praktisch in eine aussichtslose Situation gebracht. Anhaltspunkte für die Absicht, die Klägerin hierdurch schädigen und ihren Zugewinnausgleichsanspruch zu verringern, sind bei dieser Sachlage nicht ersichtlich.

Nach allem war der Berufung stattzugeben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits als unterliegende Partei gemäß § 91 ZPO zu tragen. Der Senat sieht keine Veranlassung, dem Beklagten die Kosten der Berufung nach § 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen. Zwar hat er zumindest teilweise durch erstmals in der Berufungsinstanz erhobenes Vorbringen obsiegt. Dies rechtfertigt gleichwohl nicht, ihm die Kosten der Berufung aufzuerlegen, weil ihm insoweit Unterlassungen im ersten Rechtszug nicht angelastet werden können. Beide Parteien hatten bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 2. Juni 1999 den rechtlichen Gesichtspunkt des § 1378 Abs. 2 ZPO übersehen, der letztlich für den Rechtsstreit entscheidend war. Der rechtliche Hinweis gemäß § 278 ZPO durch den Senat ist aber ergangen, weil das tatsächliche Vorbringen des Beklagten hierzu Anlaß bot. Der Beklagte hatte bereits im ersten Rechtszug zu seinen Verbindlichkeiten wegen der Investition in X. vorgetragen. Auch hatte er bereits in seinem Schriftsatz vom 22. August 1997 ausgeführt, er habe die Eigentumswohnung in Z. für 259.000 DM erworben; über diesen Betrag sei eine Grundschuld in das Grundbuch dieses Anwesens eingetragen worden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Schreiber Bielefeldt Krämer