OLG Frankfurt vom 21.07.1999 (2 UF 348/98)

Stichworte: Ehegattenunterhalt, Unbilligkeit, neuer Partner, Mindestbedarf, Verfestigung, soziale
Normenkette: BGB 1579
Orientierungssatz: Der Senat geht davon aus, daß die Antragsgegnerin sich ehewidrig verhalten hat, indem sie sich einem neuen Lebenspartner zugewandt hat. Gleichwohl erscheint es nicht als grob unbillig im Sinne des § 1579 BGB, wenn der Antragsteller gleichwohl Unterhalt in der jetzt ausgeurteilten Höhe zahlen muß, weil die Antragsgegnerin auch mit diesen Zahlungen noch nicht ihren Mindestbedarf decken kann.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiberund die Richter Krämerund Blochaufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. Juli 1999 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das (Verbund-) Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 21. August 1998 hinsichtlich des Ausspruchs über den Unterhalt (Abs. 4 des Urteilstenors) abgeändert und insoweit - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - wie folgt neu gefaßt:

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 28. Februar 1999 monatlich 343 DM Ehegattenunterhalt, für März 1999 403 DM und ab 1. April 1999 monatlich 463 DM zu zahlen.

Im übrigen wird der Unterhaltsantrag zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Antragsteller 7/9, die Antragsgegnerin 2/9 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch in der Sache als überwiegend unbegründet. Der Antragsgegnerin steht gemäß § 1573 BGB ein Unterhaltsanspruch in der sich aus dem Tenor dieses Urteils ergebenden Umfang zu, beginnend mit dem 1. Januar 1999 - die Rechtskraft des Scheidungsausspruchs ist am 31. Dezember 1998 eingetreten.

Die Antragsgegnerin, die keinen Beruf erlernt hat, ist gegenwärtig arbeitslos. Sie hat trotz als ausreichend anzusehender Bemühungen seit der Trennung der Parteien keinen Arbeitsplatz gefunden, der ihren eheangemessenen Bedarf nachhaltig decken könnte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Antragsgegnerin erst nach der Trennung der Parteien mit einer regelmäßigen Beschäftigung begonnen hat, deren Verlauf sie bis zu ihrer jetzt noch andauernden Arbeitslosigkeit in ihrem Schriftsatz vom 16. Juli 1999 - Seite 5 - dargestellt hat. Hieraus wird deutlich, daß sie keineswegs dauerhaft im Arbeitsleben Fuß gefaßt hat, so daß ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB schon dem Grunde nach entfallen könnte.

Der eheangemessene Bedarf der Klägerin beläuft sich auf 745 DM monatlich. Die ehelichen Lebensverhältnisse waren durch die vollschichtige Erwerbstätigkeit des Antragstellers sowie einem regelmäßigen Hinzuverdienst der Antragsgegnerin nur von monatlich 400 DM gekennzeichnet. Das Nettoeinkommen des Antragstellers ist mit 2.843 DM unstreitig. Dieses erhöht sich zwar um den Vorteil des mietfreien Wohnens. Dem stehen allerdings Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz entgegen, die in etwa dem Mietvorteil entsprechen und sich auch nur wegen des günstigen Wohnens rechtfertigen lassen.

Von dem Nettoeinkommen von 2.843 DM sind die zwischen den Parteien nicht im Streit befindlichen Abzugspositionen für Versicherung und Gewerkschaft in Höhe von 86,76 DM abzusetzen. Gerundet verbleibt damit ein für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehendes Einkommen in Höhe von 2.756 DM.

Hiervon ist weiterhin der Tabellenunterhalt für das gemeinsame Kind in Höhe von durchgängig 618 DM in Abzug zu bringen. Der bis zum 30. Juni 1999 geltende entsprechende Betrag von 615 DM liegt nur geringfügig darunter. Damit verbleibt für den Ehegattenunterhalt ein verfügbares Einkommen von 2.138 DM monatlich. Weil die Antragsgegnerin während der Ehezeit durchgängig mit verdient hat, ist in Höhe ihres regelmäßigen Einkommens von 400 DM monatlich die Differenzmethode anzuwenden, während das 400 DM übersteigende Einkommen auf den sich ergebenden Quotenunterhalt anzurechnen ist. Der Unterschiedsbetrag zwischen 2.138 DM und 400 DM beträgt 1.738 DM. 3/7 hiervon ergeben gerundet 745 DM.

Die Antragsgegnerin hat bis Mitte März 1999 802 DM monatlich Arbeitslosengeld bezogen. Für Januar und Februar 1999 ist deshalb ein Betrag von 402 DM von dem errechneten Quotenunterhalt von 745 DM abzuziehen, so daß 343 DM verbleiben. Für März 1999 ist eine gemischte Rechnung vorzunehmen, weil die Antragsgegnerin jeweils einen halben Monat Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe, letztere in Höhe von monatlich 682 DM, bezogen hat. Im Durchschnitt hat die Antragsgegnerin damit im März 1999 über 742 DM monatlich verfügt. 342 DM sind damit vom Quotenunterhalt abzuziehen, so daß für März 1999 403 DM verbleiben. Für die Zeit danach verfügt die Antragsgegnerin lediglich noch über die Arbeitslosenhilfe in Höhe von 682 DM monatlich, so daß nur noch 282 DM in Abzug gebracht werden können und sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 463 DM monatlich ergibt.

Nach dem gegenwärtigen Sachstand ist auch davon auszugehen, daß die Antragsgegnerin sich hinreichend um die Aufnahme von Arbeit bemüht hat, wie sie in einer handschriftlichen Übersicht als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 16. Juli 1999 dargelegt hat. Auch ist sie bemüht, ihre Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt durch eine für das nächst Jahr vorgesehene Fortbildungsmaßnahme zu verbessern.

Die Antragsgegnerin kann gegenwärtig auch keine nennenswerten Vorteile daraus ziehen, daß sie mit einem Partner zusammen wohnt. Zum einen hat sie nachvollziehbar ausgeführt, sich an den Wohnungskosten mit monatlich 325 DM zu beteiligen. Ihr Lebenspartner verfügt zwar über regelmäßiges Einkommen, ist aber mit etwa 200.000 DM verschuldet. Nach den auf diese Verbindlichkeiten notwendigen Zahlungen verbleibt ihm kaum mehr als der notwendige Mindestbedarf, wenn überhaupt. Deshalb kann er der Antragsgegnerin etwaige Gegenleistungen dafür, daß sie ihm den Haushalt führt, nicht zukommen lassen. Soweit sie tatsächlich weniger für die Wohnung zahlt als eine ortsübliche Miete, wird damit allenfalls den trennungsbedingten Mehrbedarf Rechnung getragen.

Das Amtsgericht hat zutreffend den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin nicht nach § 1579 BGB begrenzt. Der Senat geht davon aus, daß die Antragsgegnerin sich ehewidrig verhalten hat, indem sie sich einem neuen Lebenspartner zugewandt hat. Gleichwohl erscheint es nicht als grob unbillig im Sinne des § 1579 BGB, wenn der Antragsteller gleichwohl Unterhalt in der jetzt ausgeurteilten Höhe zahlen muß, weil die Antragsgegnerin auch mit diesen Zahlungen noch nicht ihren Mindestbedarf decken kann. Im übrigen hat sich die Beziehung zu ihrem neuen Partner noch nicht so verfestigt, daß sie an die Stelle einer an sich beabsichtigten Ehe getreten wäre. Dies mag in einigen Jahren anders zu beurteilen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Schreiber Krämer Bloch