OLG Frankfurt vom 13.10.1999 (2 UF 324/98)

Stichworte: VA, Härte, unbillige, Trennung, Ausschluß
Normenkette: BGB 1587c Nr. 1
Orientierungssatz: Zu den Voraussetzungen eines Ausschlusses des VA wegen unbilliger Härte bei längerer Trennung

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 13. Oktober 1999 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 22. Juli 1998 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Beschwerdewert 4.085,40 DM).

G r ü n d e :

Die Parteien haben am 21. September 1956 in S. (Bulgarien) die Ehe geschlossen, aus der inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen sind.

Im vorliegenden Verfahren betreibt die Antragstellerin die Ehescheidung; das Amtsgericht hat nach Abtrennung des Verfahrens über den Versorgungsausgleich am 24. Februar 1998 die Ehe geschieden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren vom 24. Februar 1998 haben die Parteien einen umfassenden Vergleich über ihre Vermögensauseinandersetzung geschlossen. Zugleich hat die Antragstellerin auf Unterhaltsansprüche verzichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Text des Vergleichs in der Anlage zum Protokoll vom 24. Februar 1998 (Bl. 173 bis 176 Bd. III d. Hauptakten) Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat während der Ehezeit Rentenanwartschaften bei der Bundesknappschaft in Höhe von 694,99 DM monatlich sowie ein teildynamisches Anrecht auf betriebliche Altersversorgung bei der Kali und Salz Beteiligungs-AG in Höhe von 47 DM monatlich erworben, der Antragsgegner eine volldynamische Anwartschaft bei der Landesärztekammer Hessen - Versorgungswerk - in Höhe von monatlich 1.388,40 DM.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien dahin geregelt, daß zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Landesärztekammer Hessen auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesknappschaft Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 340,45 DM begründet werden.

Gegen diesen ihm am 26. August 1998 zugestellten Beschluß wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 24. September 1998 eingelegten und nach entsprechender Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist am 23. Dezember 1998 begründeten Beschwerde.

Er macht geltend, bulgarisches Scheidungsrecht sei anwendbar, weil beide Parteien jedenfalls auch die bulgarische Staatsangehörigkeit hätten. Auch sei die Scheidung bereits durch das Urteil eines bulgarischen Gerichtes, rechtskräftig seit dem 20. Oktober 1992, ausgesprochen worden.

Außerdem bedeute der Versorgungsausgleich für ihn eine nicht zu rechtfertigende grobe Unbilligkeit. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe schon seit Ende der 70er Jahre/Anfang der 80er Jahre nicht mehr bestanden. In einem am 2. Dezember 1972 geschlossenen Vertrag sei vereinbart worden, daß jeder Ehegatte über seine Einkünfte allein verfügen darf, sowie festgelegt worden, wieviel er jeweils zum Familienunterhalt beizutragen habe. Diese Vereinbarung sei später auch in die Tat umgesetzt worden. Er habe seine Versorgungsanwartschaften praktisch ausschließlich während des Getrenntlebens erworben. Die Antragstellerin habe wegen ihrer nach wie vor andauernden Erwerbstätigkeit Gelegenheit, noch für eine ausreichende Altersversorgung zu sorgen. Im übrigen habe sie durch den Vergleich über den Zugewinnausgleich, durch den er sich zur Zahlung von 190.000 DM verpflichtet habe, etwa 130.000 DM mehr erhalten, als ihr eigentlich zugestanden hätte. Auch im Hinblick auf diese Überzahlung sei eine zusätzliche Belastung durch den Versorgungsausgleich nicht gerechtfertigt.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluß unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat - worüber sich die Parteien einig sind - den Versorgungsausgleich rechnerisch richtig durchgeführt. Es hat zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs nach § 1587c BGB verneint. Dahinstehen kann, welche Staatsangehörigkeit oder Staatsangehörigkeiten die Parteien besitzen, insbesondere ob beide noch bulgarische Staatsangehörige sind. Denn auch bei Anwendbarkeit bulgarischen Rechtes wären jedenfalls die in Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften nach deutschem Recht auszugleichen. Dies wäre auch dann der Fall, wenn die bereits in Bulgarien erfolgte Ehescheidung auch in Deutschland anzuerkennen wäre.

Gemäß § 1587c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang der Scheidung grob unbillig wäre.

Zwar kann bereits das länger dauernde Getrenntleben im Einzelfall diese unbillige Härte begründen. Dies kann allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen, weil die Ehegatten sonst gezwungen wären, die Scheidung zum Zwecke der Erhaltung von Versorgungsanteilen alsbald durchzuführen; dies wäre mit dem grundsätzlichen Anliegen des Gesetzes, in jedem Verfahrensstadium auf einen Erhalt der Ehe hinzuwirken, nicht vereinbar (vgl. Palandt/Dieterichsen, BGB, 58. Aufl., Rdnr. 9 zu § 1587c). Insofern entsteht dem Antragsgegner kein für ihn unzumutbarer Nachteil, weil er es in der Hand gehabt hätte, schon im Jahre 1983 einen Ehescheidungsantrag zu stellen, da die endgültige Trennung im Sinne des Scheidungsrechtes nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien spätestens im Jahre 1982 erfolgt ist.

Auch mag es weiterhin zu einer unbilligen Härte führen können, wenn im Einzelfall der weitaus überwiegende Teil der Anwartschaften während der Trennungszeit erworben worden ist, insbesondere dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Trennung selbst herbeigeführt hat. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Nach der Auskunft des Diplom-Mathematikers K., der vom Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen mit der Ermittlung der Höhe der Anwartschaften betraut ist, sind schon von 1971 an, also bis zur Trennung 12 Jahre lang, Beiträge in das Versorgungswerk eingezahlt worden.

Schließlich mag auch angenommen werden, daß der Antragsgegner im Rahmen des Vergleichs über den Zugewinnausgleich größere Zugeständnisse gemacht hat, als dies bei exakter Berechnung der nach dem Gesetz bestehenden Ausgleichsforderung nötig gewesen wäre. Auch hieraus kann der Antragsgegner keine unbillige Härte herleiten. Zum einen ist ein zur Beendigung einer Streitigkeit geschlossener Vergleich regelmäßig dadurch gekennzeichnet, daß im Hinblick auf den ungewissen Ausgang des Verfahrens beide Seiten Zugeständnisse machen. Sofern nur ein an sich nach dem Gesetz bestehender Anspruch tituliert werden soll, handelt es sich nicht eigentlich um einen Vergleich.

Darüber hinaus hat der Antragsgegner seine Zustimmung zu dem Vergleich in Kenntnis der für die Bemessung der Ausgleichsforderung maßgeblichen Umstände erteilt. Er mag der Auffassung sein, von seiner damaligen Verfahrensbevollmächtigten schlecht beraten worden zu sein. Dies ändert jedoch nichts daran, daß, wie sich aus dem Vergleichstext selbst ergibt, der Versorgungsausgleich durch den Vergleich nicht umfaßt werden sollte, sondern diese Frage nach wie vor durch das Gericht entschieden werden sollte. Beide Parteien haben sich ausweislich des Vergleichstextes ihren jeweiligen Rechtsstandpunkt vorbehalten, insbesondere das Recht, eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich durch das Oberlandesgericht überprüfen zu lassen. Damit haben sie selbst nur einen mittelbaren Zusammenhang mit dem Zugewinnausgleich hergestellt.

Die gesamte Bewertung des Vergleichs läßt im übrigen auch nicht erkennen, daß die Vereinbarung für den Antragsgegner so ungünstig gewesen wäre, daß sich ein Ausschluß oder die Einschränkung des Versorgungsausgleichs geradezu aufdrängen würde. Der Antragsgegner selbst errechnet eine Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin in Höhe von jedenfalls 67.000 DM. Danach hätte er etwa 123.000 DM "zuviel" gezahlt. Dabei darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Antragsgegner durch seine Zahlungsbereitschaft einen Verzicht der Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt erreicht hat. Außerdem hat sich die Antragstellerin verpflichtet, alles zu tun, was für die Übertragung ihrer Eigentumswohnung in S. auf den Antragsgegner nötig ist. Schließlich hat sie auf alle Rechte aus früheren Unterhaltstiteln verzichtet. Daß diese Gegenleistungen der Antragstellerin in einem deutlichen Mißverhältnis zu dem Betrag von 123.000 DM stehen würde, um den der Antragsgegner im Vergleichswege die Zugewinnausgleichsforderung aufgestockt haben will, ist schon nicht ersichtlich; noch weniger ist erkennbar, daß diese getroffenen Vereinbarungen einer Korrektur im Versorgungsausgleich gemäß § 1587 c BGB zugänglich wären.

Nach allem ist die Beschwerde des Antragsgegners gegen den angefochtenen Beschluß mit der in § 97 Abs. 1, 3 ZPO vorgesehenen Kostenfolge zurückzuweisen.

Schreiber Kirsch Krämer