OLG Frankfurt vom 03.11.2000 (2 UF 319/00)

Stichworte: vereinfachtes Verfahren, Abänderungsverfahren
Normenkette: ZPO 655 Abs.1, 3, 4, 5
Orientierungssatz: Der Umkehrschluß aus § 655 Abs. 4 ZPO ergibt, daß neben dem vereinfachten Verfahren auf Titeländerung auch ein streitiges Abänderungsverfahren zulässigerweise geführt werden kann. Allerdings können im vereinfachten Abänderungsverfahren nur rechnerisch einfache Veränderungen erfaßt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht Bielefeldt, Krämer und von Lipinski am 3. November 2000 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluß des Amtsgerichts Korbach vom 27. September 2000 aufgehoben.

Der Antrag auf Abänderung des Vergleichs des Amtsgerichts Korbach vom 09.09.1996 (7 F 41/96 UK) im vereinfachten Verfahren wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (Beschwerdewert: 7536,00 DM).

Gründe:

Die Parteien haben unter dem 09.09.1996 einen gerichtlich protokollierten Vergleich geschlossen (7 F 41/96 UK AG Korbach), der die Unterhaltspflicht des Antragstellers gegenüber den Antragsgegnern zum Gegenstand hat. Dort heißt es in Ziffer 1):

'Der Kläger zahlt an die Beklagten zu Händen ihrer Mutter ... ab 01.08.1996 monatlich jeweils 324,00 DM Kindesunterhalt im voraus. Daneben steht der Mutter der Beklagten das Kindergeld in voller Höhe zu.' In Ziffer 3) wurden die Grundlagen für den Vergleich festgehalten. Sodann heißt es: 'Unter diesen Umständen ist es angemessen, daß der Kläger für die Zeit vom 01.01.1996 bis 31.07.1996 den Mindestkindesunterhalt unter Anrechnung des vollen Kindergeldes zahlt, für die Zeit ab 01.08.1996 den Mindestkindesunterhalt unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes.'

In Anbetracht der wiederholten Anhebung des staatlichen Kindergeldes strebte der Antragsteller eine Abänderung des Titels zu seinen Gunsten an. Er erhielt jedoch keine Prozeßkostenhilfe für eine Abänderungsklage, sondern wurde auf das vereinfachte Verfahren nach § 655 ZPO verwiesen.

Entsprechend stellte er mit Schriftsatz vom 15.05.1999 den Antrag, im Rahmen des vereinfachten Verfahrens den Vergleich des Amtsgerichts Korbach vom 09.09.1996 ab April 1997 dahingehend abzuändern, daß der Antragsteller Kindesunterhalt in Höhe von jeweils lediglich 314,00 DM pro Kind und ab 01.01.1999 in Höhe von jeweils lediglich 299,00 DM pro Kind schuldet.

Die Antragsgegner waren mit einer Abänderung des Titels zu ihren Lasten nicht einverstanden und erhoben eine Widerklage, mit der sie eine Erhöhung des titulierten Unterhaltsbetrages forderten. Diese nahmen sie später unter Hinweis auf die Unzulässigkeit der Widerklage im vorliegenden Verfahren zurück.

Durch Beschluß vom 10.03.2000 wies das Amtsgericht den Antrag auf Abänderung des Titels im vereinfachten Verfahren zurück. Dabei stellte sich die Rechtspflegerin auf den aus Ziffer 1) des Vergleichs zu entnehmenden Standpunkt, daß der Unterhaltsbetrag von 324,00 DM eine feste Größe sei, der unabhängig von der Höhe des Kindergeldes, das der Kindesmutter zustehe, bezahlt werden müsse. Auf die Beschwerde des Antragstellers und auf Hinweis des Abteilungsrichters, daß sich der vergleichsweise zu zahlende Unterhalt an dem Mindestunterhalt unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes errechnet, so in 1996 424,00 DM abzüglich 100,00 DM hälftiges Kindergeld, änderte das Amtsgericht seine ursprüngliche Entscheidung durch Beschluß vom 27.09.2000 ab. Der Vergleich wurde hinsichtlich der kindbezogenen Leistungen dahingehend abgeändert, daß für die Antragsgegnerin zu 1) ab 01.07.1998 (dem Inkrafttreten der Regelung des § 655 ZPO) - 10,00 DM, ab 01.01.1999 - 25,00 DM und ab 01.01.00 - 35,00 DM zu zahlen sind. Für die Antragsgegnerin zu 2) wurde die gleiche Abänderung ausgesprochen.

Gegen diesen den Antragsgegnern am 02.10.2000 zugestellten Beschluß richtet sich ihre am 06.10.2000 eingegangene sofortige Beschwerde. Zur Begründung verweisen sie darauf, daß zwischenzeitlich ein Abänderungsverfahren anhängig sei (Az.: 7 F 130/00 UK AG Korbach). Danach hätte eine Entscheidung im vereinfachten Verfahren nicht ergehen dürfen. Das vereinfachte Verfahren sei nicht zulässig.

Auch der Antragsteller hat vorsorglich Beschwerde eingelegt. Er rügt, daß die Absetzungen zu den geänderten Zeitpunkten auf 10,00 DM, 25,00 DM und 35,00 DM festgesetzt worden seien. Die Hälfte des abzuziehenden Kindergeldes belaufe sich vielmehr auf 110, 125 und 135 DM.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner ist zulässig und auch in der Sache gerechtfertigt. Sie mußte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung des Antrages auf Abänderung des Titels im vereinfachten Verfahren führen. Die Beschwerde des Antragstellers ist damit gegenstandslos geworden, weil es nach Aufhebung des Beschlusses auf die angegriffene Berechnungsweise des Amtsgerichts nicht mehr ankommen kann.

Die Zulässigkeit der Beschwerde der Antragsgegner ergibt sich aus § 655 Abs. 5 ZPO, der seinerseits auf Abs. 3 dieser Vorschrift Bezug nimmt. Danach können mit der sofortigen Beschwerde Einwendungen geltend gemacht werden, die die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens betreffen. Die Erhebung einer solchen Einwendung war die erklärte Absicht der Antragsgegner, auch wenn die konkret erhobene Rüge die Beschwerde nicht rechtfertigt. Die Tatsache, daß neben dem vereinfachten Verfahren auf Titelabänderung ein streitiges Abänderungsverfahren geführt wird, führt nicht zur Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens. Dies ergibt sich im Umkehrschluß aus § 655 Abs. 4 ZPO, denn wenn das Gericht nach seinem Ermessen befugt ist, das Verfahren bei Anhängigkeit einer Abänderungsklage auszusetzen, bedeutet dies, daß beide Verfahren nebeneinander geführt werden können. Dies kann auch sinnvoll sein, wenn die Abänderungsklage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg besitzt. Das Amtsgericht sollte aber in zweifelhaften Fällen von seiner Aussetzungsbefugnis großzügig Gebrauch machen, denn der individuellen Anpassung des Titels gebührt in jedem Fall der Vorrang vor der pauschalen (Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 655 Rdn. 12). Ob allerdings vorliegend der Rechtspflegerin die Anhängigkeit der Abänderungsklage überhaupt bekannt war und ob sie danach das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt hat, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Es kann indessen dahingestellt bleiben, ob darin ein Verfahrensmangel liegt, denn nachdem die Antragsgegner die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahren generell gerügt haben, ist der Senat nicht gehindert, die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens auch unter anderen Gesichtspunkten zu prüfen.

Insoweit ist aber festzustellen, daß der Vergleich vom 09.09.1996 einer Abänderung im vereinfachten Verfahren nicht zugänglich ist und daß dieses Verfahren deshalb nicht durchgeführt werden kann.

Gemäß § 655 Abs. 1 ZPO sind auf Antrag nur solche Titel im vereinfachten Verfahren abänderbar, in denen ein Betrag der nach den §§ 1612 b und 1612 c BGB anzurechnenden Leistungen festgelegt ist, wenn sich ein für die Berechnung dieses Betrages maßgebender Umstand ändert. Es muß sich deshalb aus dem Titel genau ergeben, welchen Betrag das anzurechnende Kindergeld oder die sonstige regelmäßig wiederkehrende kindbezogene Leistung ausmacht. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 655 ZPO die Absicht verfolgt, die Abänderung eines Unterhaltstitels unter Umgehung des Streitverfahrens nach § 323 ZPO möglichst komplikationslos, schnell und kostengünstig zu ermöglichen. Das bedeutet, daß der Rechtspfleger auf der Grundlage der geänderten Sachlage nur rechnerisch einfache und ohne weiteres nachzuvollziehende Abänderungen vornehmen soll. Ist die Ermittlung von anzurechnenden Leistungen erst nach Anhörung der Beteiligten und einer Auslegung des Titels möglich, dann ist das Verfahren ungeeignet und der Antrag auf seine Durchführung als unbegründet abzuweisen (vgl. Musielak/Bort, ZPO, § 655 Rdn. 2).

Von dieser Sachlage ist vorliegend auszugehen. Ziffer 1) und Ziffer 3) des Vergleichs vom 09.09.1996 sind nicht auf Anhieb zu verstehen. Daß sich der Betrag von 324,00 DM bereits als das Ergebnis einer Berechnung darstellt, die den Abzug des hälftigen Kindergeldes von 100,00 DM von dem damals geltenden Mindestunterhaltsbetrag in Höhe von 424,00 DM beinhaltet, wird nicht deutlich. Dies hat auch zu der Fehleinschätzung der Rechtspflegerin bei der zunächst vorgenommenen Zurückweisung des Antrages geführt. Darauf ist offensichtlich auch zurückzuführen, daß der Antragsteller eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung wegen der Erhöhung des Kindergeldes beantragt, andererseits aber nicht berücksichtigt hat, daß der Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle, die offensichtlich dem Vergleich zugrundelag, in der Zwischenzeit erhöht worden ist. Im übrigen muß die Höhe des Kindergeldes in dem Titel betragsmäßig bezeichnet werden, damit Veränderungen nachvollzogen werden können. Handelt es sich etwa um ein drittes Kind, ist der Grundbetrag höher und damit auch der Abänderungsbetrag. Es ist deshalb seit langem in der Rechtsprechung anerkannt, daß eine Wendung 'abzüglich des jeweiligen hälftigen staatlichen Kindergeldes' nicht dem Bestimmtheitserfordernis eines Vollstreckungstitels entspricht (OLG Frankfurt FamRZ 81, 70). Aus diesen Gründen war eine Abänderung des Titels im vereinfachten Verfahren nicht möglich.

Der angefochtene Beschluß mußte deshalb aufgehoben und der Antrag auf Durchführung des vereinfachten Verfahrens als unbegründet zurückgewiesen werden. Eine Anpassung des Titels muß in dem bereits anhängigen Streitverfahren gefunden werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Bielefeldt Krämer von Lipinski