OLG Frankfurt vom 28.12.1998 (2 UF 280/98)

Stichworte: Versorgungsausgleich, Ausschluß, Unbilligkeit, wirtschaftliches Ungleichgewicht
Normenkette: BGB 1587c
Orientierungssatz: Ein Ausschluß oder eine Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen wirtschaftlichen Ungleichgewichts kann danach nur in Betracht kommen, wenn der Berechtigte bereits eine ausreichende Versorgung hat, während der Verpflichtete auf seine Anrechte dringend angewiesen ist.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Bielefeldt und Kirsch am 28. Dezember 1998 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Ausspruch über den Versorgungsausgleich im Verbundurteil des Amtsgerichts Kassel vom 14. Juli 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahrens wird auf 2.064,84 DM festgesetzt.

Dem Antragsgegner wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Bertram in Kassel Prozeßkostenhilfe zur Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren bewilligt.

G r ü n d e :

Mit Verbundurteil vom 14. Juli 1998 hat das Amtsgericht die am 6. Dezember 1988 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, daß es zugunsten des Antragsgegners Rentenanwartschaften in Höhe von 172,07 DM monatlich übertragen hat.

Die hiergegen gerichtete zulässige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie beantragt, den Versorgungsausgleich gemäß § 1587c BGB wegen grober Unbilligkeit auszuschließen, ist unbegründet.

Zunächst ist festzustellen, daß die Parteien eine wirksame Vereinbarung über den Ausschluß des von Amts wegen durchzuführenden Versorgungsausgleich nicht geschlossen haben. Der mittlerweile anwaltlich vertretene Antragsgegner beantragt vielmehr ausdrücklich die Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin.

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs, die im übrigen rechnerisch nicht zu beanstanden ist, ist nicht grob unbillig im Sinne von § 1587c BGB.

Nach den Bestimmungen zum Wertausgleich gemäß § 1587b BGB und §§ 1, 3 VAHRG ist der Ausgleich der in die Ehezeit fallenden Renten und Rentenanwartschaften unabhängig von den jeweiligen Ursachen, die zur Auflösung der Ehe geführt haben und den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten durchzuführen. Da die schematische Vornahme des Versorgungsausgleichs im Einzelfall jedoch zu unbilligen Ergebnissen führen kann, ermöglicht § 1587c BGB, solche Ergebnisse zu korrigieren. Eine grobe Unbilligkeit liegt nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur aber nur vor, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Gerechtigkeits- und Billigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht, der anzuwendende Maßstab ist nach herrschender Meinung jedenfalls strenger als bei § 242 BGB. Danach findet gemäß § 1587c BGB ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre (Ziffer 1) oder soweit der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat (Ziffer 3) oder soweit der Berechtigte bewirkt hat, daß Versorgungswerte, die auszugleichen wären, nicht entstanden oder entfallen sind (Ziffer 2).

Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt. Die Antragstellerin ist geboren am 30. Juli 1940, der Antragsgegner am 23. Mai 1923. Seit dem 1. Juni 1988 (mit Vollendung des 65. Lebensjahres) bezieht der Antragsgegner eine Vollrente wegen Alters, die sich auf etwa 650,00 DM beläuft. Die Antragstellerin arbeitet als Krankenschwester. Geheiratet haben die Parteien am 6. Dezember 1988. Dabei waren der Antragstellerin all diese Umstände bekannt, auch, daß der Antragsgegner einen Großteil seines Lebens in Justizvollzugsanstalten vollbracht hat, wo er auch zur Zeit eine längere Freiheitsstrafe wegen Betruges verbüßt. Während der Ehe hat der Antragsgegner keine Rentenanwartschaften mehr erworben, was bereits angesichts seines Alters dem normalen Verlauf der Dinge entspricht. Daß die Parteien abweichend von alledem eine andere gemeinsame Lebensplanung vereinbart hätten, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Gütertrennung. Auch ist nicht dargelegt, daß die Antragstellerin zu einem späteren noch vor der Trennung gelegenen Zeitpunkt nicht mehr gewillt gewesen wäre, die Lebensgemeinschaft mit dem Antragsgegner unter den jetzt von ihr ins Feld geführten Umständen fortzusetzen und daß sie einen solchen Entschluß etwa in irgendeiner Form nach außen hin sichtbar und damit nachprüfbar dokumentiert hätte. Das Vorliegen solcher objektiven Umstände muß jedoch verlangt werden, um in der Rückschau die Feststellung zu rechtfertigen, daß die weitere Lebensführung vom Ehepartner nicht mehr mitgetragen worden ist.

Grobe Unbilligkeit, die hiernach nicht vorliegt, kann sich indessen auch ergeben, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit beider Ehegatten beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führt. Diese Annahme ist aber nicht einmal ohne weiteres in Fällen gerechtfertigt, in denen der Ausgleichsberechtigte nach Durchführung des Versorgungsausgleichs höhere Rentenanwartschaften hat als der Ausgleichsverpflichtete. Denn die Ausgleichspflicht besteht grundsätzlich unabhängig von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage der Ehegatten, und die Bedürftigkeit des Ausgleichsberechtigten ist nicht Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs. Ein Ausschluß oder eine Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen wirtschaftlichen Ungleichgewichts kann danach nur in Betracht kommen, wenn der Berechtigte bereits eine ausreichende Versorgung hat, während der Verpflichtete auf seine Anrechte dringend angewiesen ist. Auch hieran fehlt es vorliegend. Denn nach Durchführung des Versorgungsausgleichs stehen dem Antragsgegner rund 800,00 DM zur Verfügung und der Antragstellerin rund 1.600,00 DM. Die Antragstellerin hat zudem die Möglichkeit, ihre Anwartschaften noch ein wenig aufzubessern. Der weitergehende Vortrag der Antragstellerin, der Antragsgegner verfüge über eine weitergehende und ausreichende Versorgung und benötige im übrigen - wegen seiner Inhaftierung - eine solche auch nicht, ist nicht ausreichend ausgeführt und bewegt sich zudem im Bereich der Spekulation, die sich einer weiteren Aufklärung verschließt.

Nach allem war die Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren auf § 17a GKG.

Schreiber Bielefeldt Kirsch