OLG Frankfurt vom 19.12.2000 (2 UF 238/00)

Stichworte: Nutzungsentschädigung, eheliche Wohnung
Normenkette: BGB 1361b Abs. 2
Orientierungssatz: Der Eigentümer der Wohnung kann von dem anderen Ehegatten, der sie allein bewohnt, eine Nutzungsentschädigung verlangen, selbst wenn die Voraussetzungen des § 1361 b BGB nicht vorliegen (Anschluß an OLG Ffm, FamRZ 92, 677).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 19. Dezember 2000 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Biedenkopf vom 23. Juni 2000 abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner hat an die Antragstellerin für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 30. November 1999 eine Benutzungsvergütung in Höhe von monatlich 155 DM und für die Zeit danach in Höhe von monatlich 525 DM zu zahlen.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben (Beschwerdewert: 12.000 DM).

Gründe:

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe sind die Kinder X., geb. am 24. Juni 1980, und Y., geb. am 2. März 1984, hervorgegangen. Mitte Mai 1999 ist die Antragstellerin zusammen mit Y. aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, X. kam Ende August 1999 nach . Die eheliche Wohnung befand sich in einem im Alleineigentum der Antragstellerin stehenden Zweifamilienhaus. Der Antragsgegner bewohnt sie nach wie vor. Eine weitere Wohnung soll inzwischen von der Antragstellerin dem gemeinsamen Kind X. überlassen worden sein, der dort bis zum Abschluß seiner Schulausbildung wohnen soll.

Im vorliegenden Verfahren nimmt die Antragstellerin den Antragsgegner auf Leistung einer angemessenen Benutzungsvergütung nach § 1361 b Abs. 2 BGB in Anspruch. Sie hat sich für die Zeit bis August 1999 eine monatliche Benutzungsvergütung von 600 DM und für die Zeit danach ab 1.000 DM errechnet.

Der Antragsgegner ist dieser Forderung mit der Begründung entgegengetreten, seit dem Auszug der Antragstellerin habe er das Haus zu versorgen, insbesondere den Garten zu pflegen. Außerdem habe er sämtliche mit dem Haus verbundenen Versicherungen bezahlt.

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen des § 1361 b Abs. 2 BGB lägen nicht vor, weil die Antragstellerin im Sinne dieser Vorschrift nicht verpflichtet sei, dem Antragsgegner die Ehewohnung zur alleinigen Benutzung zu überlassen.

Gegen diesen ihr am 6. Juli 2000 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am Montag, dem 7. August 2000, eingegangenen Beschwerde, die sie am 6. September 2000 begründet hat.

Sie hält die rechtlichen Voraussetzungen für eine Benutzungsvergütung für gegeben und trägt ergänzend vor, dass sie im Mai 1999 gezwungen gewesen sei, die eheliche Wohnung zu verlassen, weil der Antragsgegner sie körperlich angegriffen habe.

Sie beantragt,

den Antragsgegner zu verurteilen, an sie ab 11. Mai 1999 bis zur Räumung eine angemessene Nutzungsvergütung zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und beruft sich ergänzend darauf, dass es sich bei dem Familienheim um sein Lebenswerk gehandelt habe; die Antragstellerin habe lediglich den Bauplatz mit in die Ehe eingebracht. Er habe seine ganze Arbeitskraft neben seiner Berufstätigkeit in die Errichtung des Familienheimes gesteckt. Darüber hinaus habe er auch mindestens 30.000 DM aus seinem Vermögen investiert.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und in der Sache zum Teil begründet.

Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Benutzungsvergütung in dem sich aus dem Tenor dieses Beschlusses ergebenden Umfang zu.

Zwar ist § 1361 b Abs. 2 BGB nicht unmittelbar anwendbar, weil eine Verpflichtung der Antragstellerin, dem Antragsgegner die eheliche Wohnung zu überlassen, weder aus Gesetz noch aus Vertrag ersichtlich ist. Allerdings ist sie deshalb, weil während des Bestehens der Ehe das Hausrats- und Wohnungszuweisungsverfahren eigentumsrechtliche Herausgabeansprüche überlagert (vgl. BGHZ 71, 216) tatsächlich gegenwärtig gehindert, vom Antragsgegner die Räumung des Hauses zu fordern, es sei denn, sie würde eine Wohnungszuweisung allein an sich beantragen, was sie zum einen nicht beabsichtigt und zum anderen möglicherweise auch nicht erfolgversprechend wäre, wie das vorliegende Verfahren zeigt.

Die analoge Anwendung des § 1361 b Abs. 2 BGB ist bei dieser Sachlage geboten. Insofern schließt sich der Senat der in Literatur und Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung an (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1992, 677; OLG Köln FamRZ 1992, 440; OLG Celle FamRZ 2000, 1425, Brudermüller FamRZ 1999, 129; Erbarth NJW 2000, 1379). Dies rechtfertigt sich schon daraus, dass bereits nach dem Gesetzeswortlaut der Anspruch auf Benutzungsvergütung hauptsächlich auf Billigkeitserwägungen beruht.

Es kann der Antragstellerin als Grundstückseigentümerin nicht zugemutet werden, den Antragsgegner mietfrei wohnen zu lassen, selbst aber eine Wohnungsmiete zahlen zu müssen. Dies gilt um so mehr, als sie mangels Rechtsschutzbedürfnisses keine Möglichkeit hätte, eine gerichtliche Entscheidung nach § 1361 b Abs. 1 BGB mit dem Ziel herbeizuführen, die eheliche Wohnung dem Antragsgegner zuzuweisen, obwohl bei einer solchen für den Antragsgegner günstigen Entscheidung die rechtlichen Grundlagen für eine Benutzungsvergütung nicht zweifelhaft sein könnten.

Auch bei der entsprechenden Anwendung des § 1361 b Abs. 2 BGB ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine Benutzungsvergütung nur insoweit in Betracht kommt, als sie der Billigkeit entspricht. Im Rahmen dieser Billigkeitsüberprüfung sind sämtliche Umstände, die zu der Trennung der Parteien geführt haben, zu berücksichtigen. Zwar wäre nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien ein Getrenntleben auch in dem im Eigentum der Antragstellerin stehenden Haus möglich gewesen, weil sich hier zwei Wohnungen befinden. Allerdings spricht alles dafür, dass es der Antragstellerin nicht zuzumuten war, länger mit dem Antragsgegner unter einem Dach zu leben, weil sie sich durch ihn bedroht fühlen konnte. Ihr Vorbringen, wonach es unmittelbar vor der Trennung zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien gekommen ist, die auch zu körperlichen Angriffen seitens des Antragsgegners geführt haben, hat der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt ausreichend in Abrede gestellt. Seine Ausführungen im Schriftsatz vom 11. Dezember 2000, wonach er keinerlei Zwang oder Bedrohung ausgeübt haben will, ist nicht näher ausgeführt.

Im übrigen erscheint es auch keineswegs unbillig, wenn der Antragsgegner, der bei einem Auszug seinerseits eine Wohnungsmiete hätte zahlen müssen, einen angemessenen Betrag an die Antragstellerin entrichtet, wobei allerdings der Mietwert für die fast 100 qm große Wohnung die absolute Obergrenze bildet. Der Senat hält den Betrag für angemessen, den er im allgemeinen für die Trennungszeit bei Einkommensverhältnissen wie hier für den Vorteil des mietfreien Wohnens ansetzt, nämlich 525 DM. Diesen Betrag kann der Antragsgegner auch unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten gegenüber den beiden gemeinschaftlichen Kindern aufbringen.

Ohne Bedeutung ist, dass er für die von ihm allein bewohnte Wohnung Aufwendungen hat tätigen müssen, denn diese wären auch in einer Mietwohnung angefallen. Soweit er darüber hinaus das Hausgrundstück der Antragstellerin, wie er behauptet, in Ordnung hält, handelt es sich um freiwillige Leistungen, zu denen er seinerseits nicht verpflichtet ist. Es ist auch in diesem Zusammenhang nur selbstverständlich, dass er den von ihm jetzt im wesentlichen allein genutzten Garten auch pflegt. Seine Behauptung, er habe sämtliche Versicherungen für das Haus gezahlt, hat die Antragstellerin bestritten; er hat insofern keine Nachweise vorgelegt.

Damit ist von der Benutzungsvergütung in Höhe von 525 DM monatlich lediglich bis einschließlich November 1999 der Betrag von monatlich 370 DM abzuziehen, den der Antragsgegner auf ein Bauspardarlehen gezahlt hat; die Antragstellerin ist mit diesem Abzug einverstanden.

Hieraus errechnet sich bis zum 30. November 1999 ein zu zahlender Betrag von 155 DM monatlich.

Die Benutzungsvergütung kann allerdings erst ab September 1999 gefordert werden. Voraussetzung hierfür ist nämlich eine Aufforderung zur Zahlung solcher monatlichen Beträge, die erstmals mit Schreiben vom 18. August 1999 erfolgt ist; der Inanspruchgenommene muss nämlich die Möglichkeit haben, sich auf die Zahlung solcher einer Monatsmiete vergleichbaren Beträge einzustellen (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 59. Aufl., Rdn. 30 zu § 1361 b).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 HausratsVO.

Schreiber Kirsch Krämer