OLG Frankfurt vom 27.04.2000 (2 UF 227/99)

Stichworte: Ehevertrag, Versorgungsausgleich, Inhaltskontrolle, Verzicht, Sittenwidrigkeit.
Normenkette: BGB 1408 Abs. 2, 242, 1587 o.
Orientierungssatz: Einen Ehevertrag (über den Versorgungsausgleich)läßt das Gesetz aus Gründen der Vertragsfreiheit zu, und er unterliegt keiner Inhaltskontrolle, etwa ob angemessene Gründe für eine solche Vereinbarung angeführt werden können oder eine Gegenleistung, z. B. eine Abfindung vereinbart wird. Infolgedessen kann seine Wirksamkeit nur an den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit, nämlich den §§ 134, 138 BGB gemessen werden (vgl. BGH FamRZ 96, 1536; NJW 97, 192, 193).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 27. April 2000 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das (Verbund-)Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 2. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Beschwerdewert 1.000 DM).

G r ü n d e :

Die Parteien haben am 19. Juni 1987 die Ehe geschlossen, aus der die Kinder X. und Y., beide geboren 1990, hervorgegangen sind. Anläßlich der Eheschließung haben die Parteien am 9. Juni 1987 einen notariell beurkundeten Ehevertrag (UR-Nr. 182/87 des Notars X., Kassel) abgeschlossen, in dem sie Regelungen für den Erbfall und für den Fall der Scheidung getroffen haben. Sie haben hierbei den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Akten befindliche Ablichtung des Vertrages (Bl. 6 - 10 d.A.) Bezug genommen.

Die Parteien haben sich zunächst in der ehelichen Wohnung im November 1996 getrennt. Am 18. August 1998 ist die Antragsgegnerin mit den Kindern ausgezogen.

Der Antragsteller ist Schulleiter; die Antragsgegnerin war bei Eheschließung als Lehrerin tätig. Anläßlich der Geburt der Kinder ließ sie sich von Schuljahr zu Schuljahr beurlauben. Seit dem 1. August 1998 ist sie wieder teilzeitbeschäftigt im Schuldienst tätig.

Anläßlich der Trennung schlossen die Parteien vor dem Notar X. in Kassel (UR-Nr. 257/98) am 21. Juli 1998 einen notariellen Vertrag, in dem sie mit sofortiger Wirkung Gütertrennung vereinbarten und im übrigen ihre Vermögensauseinandersetzung regelten. Wegen der Einzelheiten dieses Vertrages wird auf die bei den Akten befindliche Ablichtung (Bl. 11 - 13 d.A.) Bezug genommen.

Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Ehescheidung betrieben, die das Amtsgericht durch das angefochtene Urteil ausgesprochen hat. Zugleich hat es festgestellt, daß im Hinblick auf den vereinbarten Ausschluß ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Gegen dieses ihr am 17. Juni 1999 zugestellte Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 19. Juli 1999 (Montag) eingelegten und nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 19. Oktober 1999 begründeten Beschwerde.

Sie macht geltend, der Verzicht auf den Versorgungsausgleich sei unwirksam. Bei Abschluß des Ehevertrages hätten die Parteien nicht mit Zwillingen gerechnet. Deshalb sei die ursprüngliche Absicht, die Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen, wenn das geplante Kind in den Kindergarten gehen würde, nicht zu verwirklichen gewesen. Wegen der unvorhergesehenen Doppelbelastung und der hieran anknüpfenden Erwerbseinbuße sei es ihr unzumutbar, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten, zumal der Antragsteller während des gesamten Zeitraumes weiterhin aufgrund seiner Vollzeittätigkeit seine Pensionsansprüche habe vermehren können.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich dahin abzuändern, daß ein Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Bestimmungen stattfindet, hilfsweise den Versorgungsausgleich für die Zeit vom 17. Mai 1990 bis zum 17. Mai 1996 durchzuführen.

Der Antragsteller verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, daß der Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Gemäß § 1408 Abs. 2 BGB können die Ehegatten in einem Ehevertrag durch eine ausdrückliche Vereinbarung den Versorgungsausgleich ausschließen. Dies ist hier durch den notariellen Vertrag vom 9. Juni 1987 geschehen.

Eine derartige Vereinbarung läßt das Gesetz aus Gründen der Vertragsfreiheit zu, und sie unterliegt keiner Inhaltskontrolle, etwa ob angemessene Gründe für eine solche Vereinbarung angeführt werden können oder eine Gegenleistung, z. B. eine Abfindung vereinbart wird. Infolgedessen kann ihre Wirksamkeit nur an den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit, nämlich den §§ 134, 138 BGB gemessen werden (vgl. BGH FamRZ 96, 1536; NJW 97, 192, 193).
BR Die Sittenwidrigkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs läßt sich auch nicht schon daraus herleiten, daß derjenige, der auf einer solchen Vereinbarung besteht, erkennbar die Eheschließung von dieser Vereinbarung abhängig macht; das gilt selbst dann, wenn - auch für ihn erkennbar - der andere Teil dieses Verlangen (nur) deshalb akzeptiert, weil ihm in besonderer Weise an der Eheschließung gelegen ist, wie etwa bei einer schon bestehenden Schwangerschaft. Entgegen gelegentlichen Äußerungen im Schrifttum (vgl. etwa Eichenhofer DNotZ 94, 223) kann selbst in einem solchen Fall von einer zu mißbilligenden Ausbeutung einer Zwangslage nicht ausgegangen werden, weil der von einer solchen Vereinbarung Begünstigte sich auf die Verpflichtungen eines nicht ehelichen Vaters zurückziehen könnte (so BGH FamRZ 96, 1536, 1537; zustimmend Palandt-Diederichsen, Rdn. 14 zu § 1408 BGB). Ebensowenig läßt sich die Sittenwidrigkeit damit begründen, daß dem vom Ausschluß Benachteiligten später der Entschluß, sich scheiden zu lassen, aus wirtschaftlichen Gründen erschwert sein könnte (BGH NJW 97, 192, 193).
BR Besondere Umstände, die die Sittenwidrigkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs begründen könnten, sind nicht ersichtlich, eher ist das Gegenteil der Fall.
BR Die Antragsgegnerin stand bei Eheschließung ebenso im Erwerbsleben wie der Antragsteller. Sie war sich der Tragweite des Verzichtes auf den Versorgungsausgleich bewußt. Die Parteien haben sogar eine Unterhaltsregelung für den Fall getroffen, daß aus der Ehe Kinder hervorgehen und daß ein Ehepartner wegen der Kinderbetreuung sich beruflich einschränken muß. Es hätte nahe gelegen, für diesen Fall, der zugleich zu einer Verschlechterung der Versorgungssituation führen würde, auch den Versorgungsausgleich wieder aufleben zu lassen oder anderweitige Regelungen zu treffen. Dies ist jedoch unterblieben. Hinzu kommt, daß die Antragsgegnerin, die etwa 16 Jahre jünger als der Antragsteller ist, noch bis zum Eintritt in den Ruhestand genügend Gelegenheit hat, eine solide Altersversorgung aufzubauen.
BR Würde man eine Vereinbarung dieser Art unter wirtschaftlich im wesentlichen gleichgestellten Vertragspartnern als sittenwidrig ansehen, so würde sich die Frage stellen, welchen Anwendungsbereich es überhaupt noch für die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, den Versorgungsausgleich auszuschließen, geben könnte.

Auch eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht. Zwar bezog sich der Kinderwunsch der Parteien, so er denn bei Eheschließung überhaupt bestanden hat, wohl nur auf ein Kind; die Parteien mögen durch die Zwillingsschwangerschaft der Antragsgegnerin überrascht gewesen sein. Gleichwohl ist die Kinderlosigkeit oder die Geburt nur eines Kindes nicht als Geschäftsgrundlage der notariellen Vereinbarung vom 9. Juni 1987 anzusehen, weil die Parteien diesen Fall in Nr. (3) des Vertrages vorausgesehen und hierfür und für den Fall der Scheidung eine Regelung getroffen haben. In Nr. (3) b) Nr. 2) des Vertrages findet sich sogar eine Regelung für den Fall, daß zwei oder mehr Kinder aus der Ehe hervorgehen. Wenn aber die Parteien für den Fall der Geburt mehrerer Kinder eine Vereinbarung getroffen haben, kann insoweit ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommen, der zur Unwirksamkeit des Verzichtes auf den Versorgungsausgleich führen würde.

Es mag sein, daß bei länger dauernder Ehe die Antragsgegnerin durch den Verzicht auf den Versorgungsausgleich deutliche Nachteile hätte hinnehmen müssen. Dies war aber von Anfang an klar. Darüber hinaus ist es der Antragsgegnerin gelungen, in den Schuldienst zunächst mit Teilzeitbeschäftigung zurückzukehren. Bei länger andauernder Ehe wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, wieder eine Vollzeitstelle anzunehmen, worauf sie als Beamtin Anspruch hat. Spätestens mit Einschulung der Kinder wäre es zu keinerlei Schwierigkeiten mit deren Betreuung gekommen, vor allem deshalb, weil auch der Antragsteller als Lehrer sich wesentlich an der Betreuung der Kinder hätte beteiligen können.

Nach allem ist die Beschwerde mit der in § 97 Abs. 3 ZPO vorgesehenen Kostenfolge zurückzuweisen.

Schreiber Kirsch Krämer