OLG Frankfurt vom 23.08.2019 (2 UF 119/18)

Stichworte: Ehewohnung; Ehewohnungssache; Herausgabeantrag; Familienstreitsache; Erledigung der Hauptsache; Erledigungserklärung; Beschwerdebegründung; Aussetzung; Kosten; Verfahrenswert
Normenkette: BGB 985, 986; BGB 1568a; FamFG 117; FamFG 200 Abs. 1 Nr. 2; FamFG 204 Abs. 2; FamFG 266 Abs. 1 Nr. 3; ZPO 3; ZPO 91a Abs. 1; FamGKG 40
Orientierungssatz:
  • Bei einer Erledigung der Hauptsache und entsprechenden Erledigungserklärungen nach Einlegung der Beschwerde und vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist steht die fehlende Begründung des Rechtsmittels einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO nicht entgegen.
  • Nach Rechtskraft der Scheidung ist der auf § 985 BGB gestützte Antrag eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig. Vorrangig ist der Antrag auf Überlassung der Ehewohnung nach § 1568a BGB.
  • Der Überlassungsanspruch nach § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB erlischt nicht nach einem Jahr nach Rechtskraft der Scheidung. § 1568a Abs. 6 BGB ist auf den Überlassungsanspruch nach § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB nicht analog anzuwenden (entgegen OLG Bamberg FamRZ 2017, 703 und OLG Hamm, Beschluss vom 27.2.2018, 9 UF 211/17).
  • 61 F 416/17 RI
    AG Bad Hersfeld

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Lies-Benachib, die Richterin am Oberlandesgericht Schmieling und den Richter am Oberlandesgericht Usdowski am 23. August 2019 beschlossen:

    Nach Erledigung des Beschwerdeverfahrens werden die Verfahrenskosten beider Rechtszüge dem Antragsteller auferlegt.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 193.250 € bis zum 4.3.2019 und auf 32.649,90 € ab dem 5.3.2019 festgesetzt.

    Unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung wird der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens auf 193.250 € festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    In dem vorliegenden Verfahren hat der Senat über die Verfahrenskosten zu entscheiden, nachdem die Beteiligten das Verfahren vor dem Oberlandesgericht übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

    Im zugrundeliegenden erstinstanzlichen Verfahren hatte der Antragsteller seine geschiedene Ehefrau auf Räumung und Herausgabe des in seinem Eigentum stehenden Einfamilienhauses … in Anspruch genommen. Bei der geschiedenen Ehefrau handelte es sich um Frau, die am … 2018 verstarb.

    Die Eheleute hatten am 6.12.2000 geheiratet. Aus der Ehe waren der 2001 geborene A und der 2002 geborene B hervorgegangen. Die Ehe wurde am 27.11.2006 geschieden. Die Scheidung ist seit dem 5.1.2007 rechtskräftig.

    Während der Ehe lebten die Eltern mit ihren Kindern im verfahrensgegenständlichen Haus in … . Im Scheidungsverfahren hatten die Eltern angegeben, im Haus getrennt voneinander zu leben. Das Haus wurde auch nach der Scheidung von den Eltern und den beiden Söhnen gemeinsam bewohnt. In dem vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller angegeben, tatsächlich zu keinem Zeitpunkt innerhalb des Familienheimes getrennt voneinander gelebt zu haben. Nach der Scheidung näherten sich die geschiedenen Eheleute wieder einander an. 2014 wurde die gemeinsame Tochter C geboren. Der Antragsteller erkannte die Vaterschaft an. Eine gemeinsame Sorgeerklärung gaben die Eltern zu keinem Zeitpunkt ab, so dass das Sorgerecht für C von der Kindesmutter allein ausgeübt wurde.

    Im Jahr 2017 gerieten die Eheleute miteinander in Streit. Die geschiedene Ehefrau (im Folgenden: F) verlangte vom Antragsteller erhebliche Geldzahlungen und betrieb die Zwangsvollstreckung in die Immobilien des Antragstellers. Gleichzeitig machte sie Unterhalt für die Kinder geltend.

    Hierauf reagierte der Antragsteller, indem er F in dem vorliegenden Verfahren im Juli 2017 vor dem Amtsgericht Bad Hersfeld auf Räumung und Herausgabe des Hauses … in Anspruch genommen hat. Die von ihm bezeichnete „Klage in einer sonstigen Familiengelegenheit nach § 266 FamFG“ stützte er auf sein Alleineigentum. Zwischen ihm und F habe aufgrund des früheren Eheverbundes ein „Nutzungsverhältnis sonstiger Art“ bestanden, welches der Antragsteller inzwischen gekündigt habe. Deshalb sei F nicht mehr zur Nutzung berechtigt.

    F hat die Zurückweisung des Räumungsantrages beantragt. Sie hat sich auf ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die ihr zustehenden Geldforderungen berufen. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass sie schon vor Beginn des Verfahrens an Krebs erkrankt war. Während des erstinstanzlichen Verfahrens verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand rapide. Deshalb hat sie einen Härtefall geltend gemacht und eine großzügige Räumungsfrist beantragt. Sie sei gesundheitlich und finanziell nicht in der Lage, einen Umzug zu bewältigen. Sie habe auch minderjährige Kinder zu versorgen, die im Falle eines Auszuges mit ihr gehen würden.

    Das Amtsgericht hat das Verfahren als Familienstreitsache gemäß § 112 FamFG behandelt und F durch den angefochtenen Beschluss vom 13.4.2018 zur Räumung und Herausgabe des streitbefangenen Hauses an den Antragsteller Zug um Zug gegen Zahlung von 29.399,89 € nebst Zinsen verpflichtet. Nach Auffassung des Amtsgerichts bestehe ein Herausgabeanspruch nach §§ 985, 986 BGB, da der Antragsteller der alleinige Eigentümer des Hausgrundstückes sei. Ein Nutzungsrecht stehe F nicht mehr zu. Unstreitig sei der Antragsteller jedoch zur Zahlung von 29.399,89 € verpflichtet, so dass lediglich eine Zug-um-Zug-VerUrteilung auszusprechen sei. Die Kosten des Verfahrens hat das Amtsgericht gegeneinander aufgehoben.

    Gegen den ihr am 17.4.2018 zugestellten Beschluss hat F am 15.5.2018 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt.

    Am … 2018 verstarb F. Durch Beschluss vom 15.6.2018 hat der erkennende Senat das Beschwerdeverfahren ausgesetzt. Am 5.3.2019 haben die Erben das Verfahren wieder aufgenommen und zugleich in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Antragsteller hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

    Bei den Erben von F handelt es sich um die drei … Kinder des Antragstellers und der Verstorbenen. Unmittelbar vor ihrem Tod hatte F die Kinder in die Obhut von Frau D und deren Ehemann gegeben. Frau D ist die Schwester des Antragstellers, also die Tante der Kinder. Seitdem leben alle drei Kinder bei den Eheleuten D, wo sich die Kinder sehr wohl fühlen. Die Kinder lehnen ihren Vater vollständig ab, das Verhältnis ist zutiefst zerrüttet. Selbst die jüngste Tochter C möchte ihren Vater nicht mehr sehen. Durch Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 29.1.2019 wurde dem Antragsteller die elterliche Sorge für A und B entzogen und auf das Jugendamt des Landkreises … als Vormund übertragen (Aktenzeichen 61 F 736/18 SO). Hiermit war der Antragsteller einverstanden. Im gesonderten Verfahren 60 F 337/18 SO wies das Amtsgericht Bad Hersfeld den Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des Sorgerechts für C zurück und bestellte Frau D als Vormund für C. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat der Senat durch Beschluss vom 7.8.2019 wegen erheblicher Erziehungsdefizite des Antragstellers und wegen der sehr guten Bindung von C zu ihren Geschwistern und zu ihrer Tante zurückgewiesen (Aktenzeichen 2 UF 115/19).

    Mit Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 25.6.2019 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass bei der Kostenentscheidung berücksichtigt werden müsse, dass der auf § 985 BGB gestützte Herausgabeantrag des Antragstellers von Anfang an unzulässig gewesen sei. Vorrangig hätte ein Antrag nach § 1568a BGB gestellt werden müssen, bei dem auch das Jugendamt zur Wahrung der Belange der Kinder hätte beteiligt werden müssen. In einen solchen Antrag könne der Antrag des Antragstellers nicht mehr umgedeutet werden.

    Der Antragsteller hat dem widersprochen. § 1568a BGB sei nicht anwendbar, da die Scheidung lange Zeit zurückliege. Ein Zusammenhang mit der Scheidung sei nicht mehr gegeben. Die Belange der Kinder seien durch das vorliegende Räumungsverfahren nicht tangiert gewesen, da sich der Räumungsanspruch nicht gegen die Kinder gerichtet habe. Diese hätten ohne weiteres im Haus bleiben können und sollen.

    II.

    Nach dem Tod der erstinstanzlichen Antragsgegnerin und den im zweiten Rechtszug abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen sind die Kosten des Verfahrens gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO dem Antragsteller aufzuerlegen.

    Die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten im Rechtsmittelzug setzt zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus (BGHZ 50, 197; BGH NJW-RR 2009, 422; BGH NJW-RR 2012, 688; BAG NJW 2015, 3680). Hierbei ist unschädlich, dass die Beschwerde vorliegend weder von der erstinstanzlichen Antragsgegnerin noch von ihren Rechtsnachfolgern gemäß § 117 Abs. 1 FamFG begründet wurde. F hatte die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde noch kurz vor ihrem Tod form- und fristgerecht (§§ 63, 64 FamFG) eingelegt. Zum Zeitpunkt der Erledigungserklärungen war die mit dem Aussetzungsbeschluss vom 15.6.2018 gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 246 Abs. 1, 249 Abs. 1 ZPO unterbrochene Beschwerdebegründungsfrist des § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG noch nicht abgelaufen. In einem solchen Fall ist die fehlende Rechtsmittelbegründung für die Kostenentscheidung nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91a Abs. 1 S. 1 ZPO unerheblich (ebenso KG, Beschluss vom 27.6.2002, 8 U 25/02, juris). Nach Auffassung des Senates würde es den dem § 91a ZPO zugrundeliegenden Grundsätzen der Verfahrensbeschleunigung und Verfahrensvereinfachung widersprechen, wenn man dem Rechtsmittelführer abverlangen würde, trotz bereits eingetretener Erledigung des Rechtsstreites eine aufwändige und kostenverursachende Begründungsschrift einzureichen, zu der dem Gegner noch rechtliches Gehör gewährt werden muss. Eine solche Verfahrensweise wäre nicht prozessökonomisch. Außerdem ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht generell ausgeschlossen, im Rahmen von § 91a ZPO naheliegende hypothetische Entwicklungen zu berücksichtigen (BGH NJW 2006, 1351; BGH MDR 2010, 888). Im Rahmen einer hypothetischen Betrachtung geht der Senat davon aus, dass F bzw. ihre Erben die Zulässigkeitserfordernisse des § 117 Abs. 1 FamFG eingehalten hätte.

    Infolge der nach den vorstehenden Ausführungen als wirksam zu behandelnden Erledigungserklärungen der jetzigen Verfahrensbeteiligten ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dies erfasst alle bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Vorinstanzen (BGH NJW-RR 2004, 377). Hierbei ist grundsätzlich darauf abzustellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre (h. M., vgl. Schulz in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 91a ZPO Rn. 44 m. w. N.).

    Nach diesen Grundsätzen sind dem Antragsteller die Verfahrenskosten beider Rechtszüge vollständig aufzuerlegen. Denn ohne das erledigende Ereignis – den Tod der erstinstanzlichen Antragsgegnerin – und ohne die infolgedessen abgegebenen Erledigungserklärungen hätte die Beschwerde vollen Erfolg gehabt. Der Herausgabeantrag des Antragstellers war von Anfang an unzulässig, und zwar aus den folgenden Gründen:

    Auch wenn der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Antrag nicht ausdrücklich auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage gestützt hat, hat er eindeutig einen Herausgabeantrag nach §§ 985, 986 BGB geltend gemacht. Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsteller in der Antragsschrift ausdrücklich auf sein Alleineigentum hingewiesen und ausgeführt hat, dass F kein Nutzungsrecht mehr zustehe. Damit hat er die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 985, 986 BGB dargelegt und insbesondere vorgetragen, dass F kein Besitzrecht habe. Der gestellte Antrag entspricht dem üblichen Antrag eines Herausgabeverlangens bei einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Hiermit steht im Einklang, dass der Antragsteller ausdrücklich eine „Klage in einer sonstigen Familienangelegenheit nach § 266 FamFG“ erhoben hat, was die richtige Verfahrensart für ein Herausgabeverlangen von ehemals miteinander verheirateten Personen nach §§ 985, 986 BGB ist, wie sich aus § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ergibt.

    Allein zulässig war hier jedoch ein Antrag auf Überlassung der Ehewohnung nach § 1568a BGB. Einen solchen Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt, wie sich schon aus der Formulierung seines Klageantrages ergibt. Wäre ein Antrag nach § 1568a BGB gewollt gewesen, hätte es nahegelegen, das Verfahren als Ehewohnungssache (§ 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) und nicht als „sonstige Familienangelegenheit nach § 266 FamFG“ zu bezeichnen. An keiner Stelle stützt sich das Vorbringen des Antragstellers auf die gesetzliche Bestimmung des § 1568a BGB. Mit seinem letzten Schriftsatz vom 19.7.2019 und seinen darin enthaltenen Rechtsausführungen zur Nichtanwendbarkeit von § 1568a BGB hat der Antragsteller sogar ausdrücklich klargestellt, dass ein Antrag nach § 1568a BGB nie beabsichtigt war.

    Entgegen der Auffassung des Antragstellers waren für sein Begehren jedoch ausschließlich § 1568a BGB und die hierfür anzuwendenden Verfahrensvorschriften der §§ 200 ff. FamFG maßgeblich. Die Vorschrift des § 1568a BGB ist gegenüber §§ 985, 986 BGB lex specialis (Wellenhofer in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1568a BGB Rn. 23; Staudinger/Weinreich, BGB, Neubearbeitung 2018, § 1568a BGB Rn. 114; Wunderlin in Schulz/Hauß, Familienrecht, 3. Auflage 2018, § 1568a BGB Rn. 4). Entsprechendes hat der Bundesgerichtshof bereits zum Verhältnis von § 985 BGB zu § 1361b BGB entschieden (BGH, Beschluss vom 28.9.2016, XII ZB 487/15, FamRZ 2017, 22 = NZFam 2017, 68).

    Der Anwendungsbereich des § 1568a BGB, wonach ein Ehegatte vom anderen Ehegatten die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung unter den weiteren dort normierten Voraussetzungen verlangen kann, war eröffnet. Bei dem herausverlangten Einfamilienhaus handelt es sich um die Ehewohnung, die die Eheleute während der Ehe gemeinsam bewohnten und bis zuletzt beibehielten. Obwohl die Scheidung bei Verfahrenseinleitung bereits seit 10 Jahren rechtskräftig war, war nach Auffassung des Senates der nach § 1568a BGB notwendige Zusammenhang gegeben, in dem noch anlässlich der Scheidung über die Ehewohnung zu entscheiden war.

    Zum Teil wird allerdings vertreten, dass die Ehewohnung ihre Eigenschaft als Ehewohnung mit der Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache verliert. Wird also eine Regelung für die Ehewohnung zu einem Zeitpunkt nach der Scheidung verlangt, soll der zeitliche Anwendungsbereich des § 1568a BGB nicht mehr eröffnet sein (Wellenhofer in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1568a BGB Rn. 23; Erbarth FamRZ 2013, 1281, 1283; ders. in Anmerkung zu BGH NZFam 2017, 68). Eine weitergehende Auffassung folgert aus § 1568a Abs. 6 BGB, dass spätestens ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung nicht nur der Anspruch auf Eintritt in ein Mietverhältnis gemäß § 1568a Abs. 3 BGB oder Neubegründung eines Mietverhältnisses gemäß § 1568a Abs. 5 BGB erlischt, sondern auch der Überlassungsanspruch nach § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB selbst (OLG Bamberg, FamRZ 2017, 703; OLG Hamm, Beschluss vom 27.2.2018, 9 UF 211/17, juris; Palandt/Brudermüller, BGB, 78. Auflage 2019, § 1568a BGB Rn. 25; Staudinger/Weinreich, BGB, Neubearbeitung 2018, § 1568a BGB Rn. 110; Breidenstein in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 1568a BGB Rn. 100; Götz NZFam 2017, 433 ff).

    Beide Auffassungen überzeugen nicht. Die erstgenannte Auffassung hat zur Konsequenz, dass der Anspruch auf Wohnungsüberlassung gemäß § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB zwingend im Scheidungsverbundverfahren geltend gemacht werden muss (Götz a.a.O.). Auch wenn der Wortlaut des § 1568a Abs. 1 BGB dies nahelegt, kann diese Konsequenz mit § 137 FamFG nicht vereinbart werden. Eine Ehewohnungssache nach § 1568a BGB kann zwar gemäß §§ 137 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG eine Folgesache sein (Heiter in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Auflage 2018, § 137 FamFG Rn. 81; Keidel/Weber, FamFG, 19. Auflage 2017, § 137 Rn. 6; Kemper in Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 3. Auflage 2015, § 137 FamFG Rn. 19). Dies lässt jedoch die Möglichkeit offen, einen Antrag nach § 1568a BGB auch zu einem späteren Zeitpunkt in einem isolierten Verfahren zu stellen. Mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs besteht kein Zwang, Folgesachen im Verbund geltend zu machen (Borth/Grandel in Musielak/ Borth, FamFG, 6. Auflage 2018, § 137 Rn. 4).

    Auch die zweitgenannte Auffassung ist abzulehnen, weil es sich bei der Regelung des § 1568a Abs. 6 BGB um eine Schutzbestimmung zugunsten des Vermieters und anderer Drittbeteiligter handelt (Wellenhofer in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1568a BGB Rn. 61; Neumann in Bamberger/Roth/ Hau/Poseck, BeckOK BGB, 50. Edition Stand 1.5.2019, § 1568a BGB Rn. 43). Deshalb folgt der Senat der Auffassung, dass § 1568a Abs. 6 BGB nicht analog auf den Überlassungsanspruch nach § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB anzuwenden ist. Es fehlt bereits eine planwidrige Regelungslücke. Vor allem würde eine analoge Anwendung der Jahresfrist unbillige Härten nach § 1568a Abs. 2 BGB unberücksichtigt lassen und die in § 1568a Abs. 1 BGB enthaltene Kinderschutzbestimmung unterlaufen, die verfahrensrechtlich über den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) und die vorgeschriebene Mitwirkung des Jugendamtes nach §§ 204 Abs. 2, 205 FamFG abgesichert sind (ebenso Erbarth in BeckOGK, BGB, Stand 15.4.2019, § 1568a BGB Rn. 47; Wellenhofer in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1568a BGB Rn. 62). Der Bundesgerichtshof hat zum Verhältnis von § 1361b BGB und § 985 BGB ausdrücklich ausgeführt, dass der besondere Schutz der §§ 1361b BGB, 200 ff. FamFG verloren ginge, wenn es zulässig wäre, die Herausgabe einer Ehewohnung aus Eigentum als Familienstreitsache zu betreiben (BGH FamRZ 2017, 22, Rn. 11). Entsprechendes muss für das Verhältnis von § 1568a BGB und § 985 BGB gelten, so dass eine zeitliche Beschränkung des Überlassungsanspruches nach § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB abzulehnen ist. Der vorliegende Sachverhalt macht vielmehr deutlich, dass die Kinder der Beteiligten selbst lange Zeit nach der hier am 5.1.2007 eingetretenen Rechtskraft der Scheidung schutzbedürftig waren. Eine endgültige Trennung durch Auszug eines Ehegatten ist vorliegend nie vollzogen worden. In dem vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller sogar erklärt, dass selbst ein Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB) zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hat. Hätten die Ehegatten dies wahrheitsgemäß im Scheidungsverfahren angegeben, hätte die Ehe nicht geschieden werden dürfen. Die materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Kinderschutzvorschriften dürfen aber nach der Überzeugung des Senates nicht unterlaufen werden, indem die Eheleute eine Scheidung herbeiführen und die Ehewohnung auch nach der Scheidung mit den Kindern weiterbewohnen. In einem solchen Fall wäre das Kindeswohl nicht mehr gesichert, wenn Kindeswohlgesichtspunkte oder unbillige Härten nur wegen Ablaufs einer von den Kindern nicht zu beeinflussenden Jahresfrist und damit nur aus formalen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden dürften und der Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB allein greift. Der vorliegend zugrunde liegende Sachverhalt, bei dem die Hauptbezugsperson der Kinder lebensbedrohlich an Krebs erkrankt war, macht das fortbestehende Bedürfnis nach einer Berücksichtigung des Kindeswohls (§ 1568a Abs. 1 BGB) und unbilliger Härten (§ 1568a Abs. 2 BGB) trotz des eingetretenen Zeitablaufes besonders deutlich. Insbesondere ist der Auffassung des Antragstellers ausdrücklich zu widersprechen, wonach die Belange der Kinder durch das vorliegende Räumungsverfahren überhaupt nicht tangiert gewesen seien. Er missachtet aufs Gröbste die unbillige Härte, die ein Auszug für die lebensbedrohlich erkrankte F zur Folge gehabt hätte. Überdies verkennt der Antragsteller, dass die erkrankte Mutter die Hauptbezugsperson der Kinder war und sie deswegen bei einem Auszug der Mutter keineswegs in seinem Haus geblieben wären, was die Ereignisse nach dem Tod von F anschaulich bestätigen.

    Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass die in § 1568a Abs. 1 BGB enthaltene Bestimmung „anlässlich der Scheidung“ lediglich der Abgrenzung zu § 1361b BGB dienen soll, also der Vorschrift zur Regelung der Ehewohnung für die Trennungszeit (Kemper NZFam 2014, 500, 501). Für die Anwendbarkeit von § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB genügt ein irgendwie gearteter Zusammenhang mit der Scheidung. Dieser Zusammenhang ist gegeben, wenn die Eheleute diejenige Wohnung weiterbewohnen, die zum Zeitpunkt der Ehescheidung die Ehewohnung war.

    Vor diesem Hintergrund hätte der Antragsteller einen Antrag nach § 1568a Abs. 1 u. 2 BGB stellen müssen, so dass sein Herausgabeantrag nach §§ 985, 986 BGB von Anfang an unzulässig war. Entsprechendes hat der Bundesgerichtshof entschieden, wenn ein Ehegatte während der Trennungszeit nicht nach § 1361b BGB vorgeht, sondern die Herausgabe der Ehewohnung nach §§ 985, 986 BGB betreibt. Eine Umdeutung in einen Antrag nach § 1361b BGB kommt nicht in Betracht (BGH FamRZ 2017, 22, Rn. 10 u. 28). Entsprechendes muss für das Verhältnis von § 1568a BGB und §§ 985, 986 BGB gelten.

    Von daher entspricht es der Billigkeit, die Kosten der vorliegend unzulässigen Familienstreitsache gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91a ZPO vollständig dem Antragsteller aufzuerlegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass bei § 91a ZPO im Regelfall lediglich eine summarische Prüfung stattfindet. Zwar kann im Verfahren nach § 91a ZPO regelmäßig davon abgesehen werden, schwierige ungeklärte Rechtsfragen abschließend zu beantworten (BGH NJW-RR 2004, 1219; BGH NJW-RR 2009, 422 und 425; Schulz in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 91a ZPO Rn. 52; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Auflage 2018, § 91a ZPO Rn. 27). Erweist sich der Ausgang des Rechtsstreits wegen ungeklärter Rechtsfragen als ungewiss, sollen die Kosten regelmäßig gegeneinander aufzuheben sein (BGH NJW 2005, 2385). Von dieser Möglichkeit, die vorstehend dargelegten Rechtsfragen unbeantwortet zu lassen und die Verfahrenskosten gegeneinander aufzuheben, macht der Senat jedoch keinen Gebrauch. Denn zum einen hat der Senat an der Unzulässigkeit des Herausgabeantrages aus den dargelegten Gründen keinen Zweifel. Zum anderen würde es der Billigkeit widersprechen, die Kinder des Antragstellers auch nur zum Teil mit Kosten eines Verfahrens zu belasten, welches der Antragsteller ohne Rücksichtnahme auf die schwere Erkrankung von F und unter gleichzeitiger Verletzung der Interessen seiner Kinder sogar bis zum Tod von F weitergeführt hat, und für welches die Kinder keinerlei Veranlassung gegeben haben.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach der Beschwer, da keine Rechtsmittelanträge gestellt wurden (§ 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist hierfür nicht auf die Jahresmiete (§ 41 Abs. 2 GKG) abzustellen, da zwischen den Eheleuten kein Mietverhältnis und kein ähnliches Nutzungsverhältnis im Sinne von § 41 GKG bestand. Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich auch nicht aus §§ 40, 48 Abs. 1 FamGKG, da kein Ehewohnungsverfahren rechtshängig war. Vielmehr richtet sich der Wert des Beschwerdeverfahrens, in dem über einen Herausgabeantrag nach §§ 985, 986 BGB zu entscheiden war, nach dem Verkehrswert der herausverlangten Sache (Zöller/Herget, ZPO, 32. Auflage 2018, § 3 ZPO Rn. 16, „Herausgabeklagen“). Der Verkehrswert des Grundstückes beträgt unstreitig 386.500 €. Da F lediglich Mitbesitzerin war, ist die Hälfte anzusetzen, nämlich 193.250 €. Ab dem Zeitpunkt der Erledigungserklärung ist jedoch nur noch der Betrag der bislang entstandenen Kosten des Rechtsstreits maßgeblich (Zöller/Herget, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 16, „Erledigung der Hauptsache“ m.w.N.), so dass hier ab dem 5.3.2019 nur noch ein Beschwerdewert von 32.649,90 € festzusetzen ist, was der Summe der bis dahin entstandenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten beider Rechtszüge entspricht.

    Gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 FamGKG ist auch der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens zu korrigieren, und zwar ebenfalls auf 193.250 €.

    Die Rechtsbeschwerde ist nicht gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, auch wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern würden (§ 574 Abs. 2 ZPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf die Rechtsbeschwerde gegen eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zugelassen werden. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass es nicht Zweck einer solchen Kostenentscheidung ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht (BGH NJW-RR 2004, 1219; BGH NJW-RR 2009, 425).

    Dr. Lies-Benachib Schmieling Usdowski