OLG Frankfurt vom 10.02.2021 (28 U 6/19A)

Stichworte: Gegenstandswert, Ehegattenunterhalt, Abfindung; Verfahrensgegenstand; Vergütungsvereinbarung; Vergleichsberechnung; Gebührenberechnung; Verfahrensgebühr; Mindestvergütung, RVG; Stundenhonorar; Klageänderung
Normenkette: RVG 23 Abs 1 S 3, RVG 15 Abs 3; FamGKG 51 Abs 1 S 1; ZPO 263, ZPO 533
Orientierungssatz:
  • Eine Klageänderung im zweiten Rechtszug ist insbesondere dann unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zur Vermeidung eines weiteren Prozesses als sachdienlich anzusehen, wenn sie Folge eines Hinweises des Berufungsgerichts auf seine von der Auslegung der Klägerin und des erstinstanzlichen Gerichts abweichende Auslegung einer Vereinbarung ist (hier über ein Stundenhonorar, mindestens aber eine Vergütung nach dem RVG).
  • Als Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen von Verhandlungen über eine Abfindung eines (als wiederkehrende Leistung geltend gemachten) nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist der sich aus § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ergebende Jahreswert des geltend gemachten Unterhalts in Ansatz zu bringen und nicht der Wert der im Rahmen der Verhandlungen geforderten Abfindung (entgegen OLG Frankfurt am Main, FamRZ 1980, 144).
  • 2-19 O 18/19
    Landgericht Frankfurt am Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    U R T E I L

    In dem Rechtsstreit

    des Rechtsanwalts,

    Beklagter, Widerkläger und Berufungskläger,

    gegen

    die Rechtsanwältin,

    Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte,

    Prozessbevollmächtigte:

    hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.9.2019 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27.1.2021 für Recht erkannt:

    Das angefochtene Urteil wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.595,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.3.2020 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 1.786,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 26.3.2019 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

    Die Revision wird zugelassen.

    Die Kosten des ersten Rechtszugs werden der Klägerin zu vier Zehnteln und dem Beklagten zu sechs Zehnteln auferlegt.

    Die Kosten des zweiten Rechtszugs werden der Klägerin auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, sofern nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Der Streitwert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 19.893,10 Euro.

    Gründe:

    I.

    Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin aus dem zwischen ihnen bestehenden anwaltlichen Mandatsverhältnis.

    Der Beklagte beauftragte die Klägerin im August 2014 mit seiner außergerichtlichen Vertretung im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer Regelung der Folgen einer Trennung und Scheidung von seiner Ehefrau. Der Beklagte lebte zu diesem Zeitpunkt noch gemeinsam mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern in dem ihm gehörenden Haus in K.

    Die Parteien trafen am 17.10.2014 eine von der Klägerin vorformulierte und für eine Vielzahl von Mandatsverhältnissen verwendete Vergütungsvereinbarung, Bl. 14 ff. der Akte, deren Ziffer 1 lautete:

    „Für die außergerichtliche Tätigkeit der Rechtsanwältin im Zusammenhang mit der Erstellung einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung vor allem für die Entgegennahme und das Beschaffen von Informationen, Bearbeitung von Akten und Unterlagen, für Besprechungen, sei es in der Kanzlei der Rechtsanwältin oder außerhalb, für die Wahrnehmung von Terminen bei Behörden und Gerichten, für die Fertigung des Schriftverkehrs und von Vertragsentwürfen, Abschluss von Vergleichen und dergleichen, wird – abweichend von der Berechnung der Vergütung nach dem Gegenstandswert – ein Zeit-Stundenhonorar vereinbart in Höhe von € 300 / (dreihundert Euro) pro Stunde zuzüglich gesetzl. Umsatzsteuer (zzt. 19%), Abgerechnet wird für jede angefangenen 15 Minuten...“

    Ziffer 3 der Vereinbarung lautete:

    „a) Dem Auftraggeber ist bekannt, dass die hier vereinbarte Vergütung von den gesetzlichen Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zulässigerweise abweicht. Er ist ausdrücklich damit einverstanden.

    b) Die gesetzliche Vergütung nach dem RVG ist der Rechtsanwältin jedoch – zeitunabhängig – als Mindest-Honorar geschuldet.“

    Am 8.9.2015 schlossen die Parteien auf Wunsch des Beklagten erneut eine Vergütungsvereinbarung, die sich von der am 17.10.2014 geschlossenen Vergütungsvereinbarung nur insoweit unterschied, als Ziffer 3 b) nun lautete:

    „b) Die gesetzliche Vergütung nach dem RVG ist der Rechtsanwältin bei Tätigwerden im Gerichtsverfahren jedoch – zeitunabhängig – als Mindest-Honorar geschuldet.“

    Außerdem wurde handschriftlich eine zusätzliche Ziffer 10 eingefügt, die wie folgt lautete:

    „Mit Abschluss dieser Vergütungsvereinbarung wird diejenige vom 17.10.2014 unwirksam.“

    Auf Grund des ihr erteilten Auftrags führte die Klägerin umfangreiche Korrespondenz mit den Bevollmächtigten der getrennt lebenden Ehefrau des Beklagten. Die Korrespondenz bezog sich auf die Regelung des Umgangs, des Kindesunterhalts, des Ehegattenunterhalts, des Zugewinnausgleichs, der vorläufigen und endgültigen Auseinandersetzung der Haushaltsgegenstände und auf den beabsichtigten Abschluss einer umfassenden Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Der zeitliche Aufwand der Klägerin belief sich auf über 50 Stunden (vgl. die Tätigkeitsnachweise, Bl. 102 ff. der Akte).

    Der vom Beklagten gezahlte Kindesunterhalt belief sich auf 887,- Euro monatlich für seine Tochter und auf 826,- Euro monatlich für seinen Sohn. Darüber hinaus gehende Kindesunterhaltsforderungen sind nicht vorgetragen.

    Der von der Ehefrau des Beklagten geforderte Ehegattenunterhalt belief sich zuletzt auf 9.610,- Euro monatlich zuzüglich eines geltend gemachten Sonderbedarfs von 7.210,- Euro für Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Trennungsunterhalt und eines weiteren geltend gemachten Sonderbedarfs von 1.439,43 Euro. In diesem Zusammenhang verhandelte die Klägerin mit dem Bevollmächtigten der Ehefrau des Beklagten auch über eine Abfindung des Anspruchs auf nachehelichen Ehegattenunterhalt, die der Bevollmächtigte der Ehefrau unter Zugrundelegung eines ungedeckten monatlichen Bedarfs von 9.610,- Euro auf 1 Mio. Euro bezifferte.

    Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 18.7.2017 machte die über den Beklagten krankenversicherte Ehefrau des Beklagten außerdem möglichen Sonderbedarf im Hinblick auf eine anstehende zahnärztliche Behandlung geltend und übersandte einen Behandlungs- und Kostenplan ihres behandelnden Zahnarztes, der die voraussichtlichen Behandlungskosten auf 34.720,03 Euro bezifferte. Die Klägerin setzte sich daraufhin auftragsgemäß sowohl mit der Krankenversicherung des Beklagten als auch mit dem Bevollmächtigten seiner Ehefrau in Verbindung, um auf eine Kostenzusage der Krankenversicherung hinzuwirken. Außerdem korrespondierte sie auftragsgemäß mit der Krankenversicherung des Beklagten über die Erstattung einer Rechnung über 10.133,- Euro für eine im Jahr 2016 erfolgte zahnärztliche Behandlung der Ehefrau des Beklagten.

    Als Zugewinnausgleich war zwischen den Beteiligten ein Betrag von 900.000,- Euro unter Zugrundelegung eines Werts des Hausgrundstücks des Beklagten von 1,25 Mio. Euro im Gespräch. Die Ehefrau des Beklagten wollte einer entsprechenden Regelung des Zugewinnausgleichs nur unter der Bedingung zustimmen, dass ihr im Falle einer Veräußerung des Hausgrundstücks ein 1,25 Mio. Euro übersteigender Veräußerungserlös hälftig ausgekehrt wird. Sie schätzte den Wert des Hausgrundstücks auf mindestens 1,5 Mio. Euro. Neben dem mit rund 400.000,- Euro belasteten Hausgrundstück in Königstein verfügte der Beklagte über Kontoguthaben von 978.000,- Euro.

    Im Anschluss an eine gemeinsame Besprechung mit der Ehefrau des Beklagten und deren Bevollmächtigten am 3.5.2017 bat der Beklagte die Klägerin um den Entwurf einer umfassenden Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, welche ihm die Klägerin am 9.5.2017 übermittelte. Der Entwurf (Bl. 269 ff. der Akte) enthielt neben Regelungen zu Sorge und Umgang, zu Ehewohnung und Hausrat, zum Kindes- und Ehegattenunterhalt einschließlich der Inanspruchnahme des steuerlichen Realsplittings, zum Zugewinnausgleich und zum Versorgungsausgleich die Vereinbarung einer (künftigen) Gütertrennung und eines wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsverzichts für den Fall, dass ein Scheidungsantrag nicht gestellt oder zurückgenommen wird. Nachdem der Bevollmächtigte der Ehefrau mit Schreiben vom 21.6.2017 einen abweichenden Vorschlag unterbreitet hatte, erklärte der Beklagte die Vergleichsverhandlungen für gescheitert und beauftragte die Klägerin mit seiner Vertretung im Scheidungsverfahren und in den von seiner Ehefrau beim Familiengericht angestrengten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Trennungsunterhalt und zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses.

    Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 21.12.2017 schlossen der Beklagte und seine Ehefrau einen Vergleich, in welchem eine umfassende Einigung hinsichtlich des Kindes- und Ehegattenunterhalts, der Haushaltsgegenstände, der Ehewohnung, des Zugewinnausgleichs und des Versorgungsausgleichs erzielt wurde. Das Familiengericht setzte den Verfahrenswert der Scheidungssache auf 218.000,- Euro fest, wovon 200.500,- Euro auf die Scheidung und 17.500,- Euro auf den Versorgungsausgleich entfielen. Den Verfahrenswert der beiden einstweiligen Anordnungsverfahren setzte es auf 56.954,40 Euro bzw. auf 12.133,- Euro fest. Den Wert des Vergleichs setzte es für die nicht rechtshängig gewordenen Vergleichsgegenstände auf 222.0000,- Euro hinsichtlich des Unterhalts, 42.000,- Euro hinsichtlich der Ehewohnung und 900.000,- Euro hinsichtlich des Zugewinnausgleichs fest.

    Mit Rechnungen vom 12.2.2018 machte die Klägerin ihre nach dem RVG berechnete Vergütung für die Vertretung des Beklagten im Scheidungsverfahren und in den beiden einstweiligen Anordnungsverfahren geltend. Diese belief sich – vom Beklagten nicht angegriffen – auf 26.373,73 Euro für das Scheidungsverfahren und auf 3.736,60 Euro bzw. 1.820,70 Euro für die beiden einstweiligen Anordnungsverfahren, wobei in den Rechnungen für die beiden einstweiligen Anordnungsverfahren die Geltendmachung einer Vergleichsgebühr nach Ziffer 1003 VV RVG unterblieb. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte an die Klägerin für seine gerichtliche und außergerichtliche Vertretung bereits einen Betrag von insgesamt 32.579,23 Euro gezahlt, der sich aus einem nach dem RVG berechneten Vorschuss für die Vertretung im Scheidungsverfahren und der nach Zeitaufwand berechneten Vergütung für seine außergerichtliche Vertretung und die Vertretung in den beiden von seiner Ehefrau angestrengten einstweiligen Anordnungsverfahren zusammensetzte.

    Die geleisteten Zahlungen brachte die Klägerin von den Rechnungen vom 12.2.2018 dergestalt in Abzug, dass sie neben den vom Beklagten gezahlten Vorschuss von 6.369,48 Euro für die Vertretung im Scheidungsverfahren einen Betrag von 7.318,50 Euro anrechnete, der auf ihr Tätigwerden in einem Umfang von 20,5 Stunden in den beim Familiengericht anhängig gewordenen Angelegenheiten entfiel. Danach verblieb von der Rechnung über 3.736,60 Euro ein noch geforderter Betrag von 136,85 Euro und von der Rechnung über 26.373,73 Euro ein noch geforderter Betrag in Höhe der Klageforderung von 18.106,20 Euro.

    Der Beklagte verweigerte eine Zahlung trotz Mahnung und Fristsetzung bis zum 31.3.2018 unter Verweis auf die bereits geleisteten Zahlungen.

    Die Klägerin beantragte daraufhin beim Familiengericht mit Antrag vom 17.4.2018 die Festsetzung der mit der Rechnung für die Vertretung im Scheidungsverfahren vom 12.2.2018 geltend gemachten Vergütung in Höhe von 18.106,20 Euro. Die Festsetzungsanträge wurden vom Rechtspfleger des Familiengerichts mit Beschlüssen vom 5.9.2018 zurückgewiesen, nachdem der Beklagte das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung eingewandt hatte.

    Die Klägerin beauftragte daraufhin ihre jetzige Prozessbevollmächtigte mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Klageforderung, wofür diese ihr – ausgehend von einem Gegenstandswert von 18.106,20 Euro und einem Gebührensatz von 1,5 – eine Vergütung von 1.266,16 Euro in Rechnung stellte.

    Mit ihrer dem Beklagten am 4.2.2019 zugestellten Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf die Zahlung eines Betrags von 18.106,20 Euro nebst Zinsen seit 4.4.2018 sowie auf die Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten von 1.266,16 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Anspruch.

    Der Beklagte nimmt die Klägerin seinerseits widerklagend auf die Zahlung eines Betrags von 1.786,90 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit für die Kosten seiner Verteidigung gegen die außergerichtliche Geltendmachung der Klageforderung und gegen den Kostenfestsetzungsantrag in Anspruch.

    Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung von Klage und Widerklage im Übrigen zur Zahlung von 18.106,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.4.2018 sowie zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.100,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.2.2019 verurteilt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung stehe dem von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch auf der Grundlage des RVG nicht entgegen. Wie sich aus Ziffer 1 der Vereinbarung ergebe, gelte diese für die außergerichtliche Tätigkeit der Klägerin und erstrecke sich nicht auf deren gerichtliche Tätigkeit im Rahmen des Scheidungsverfahrens. Aus der Zusammenschau mit Ziffer 3 b) der Vereinbarung ergebe sich nichts Gegenteiliges. Vielmehr folge aus § 49b Abs. 1 BRAO die Zulässigkeit der Abrechnung nach dem RVG, weil eine Abrechnung nach Stunden nicht die gesetzliche Mindestgebühr erreichen würde. Die Vereinbarung verstoße im Übrigen auch nicht gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Unter dem Gesichtspunkt des Verzugs habe die Klägerin auch Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen und auf die ihr entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten, die im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Sache allerdings lediglich mit einem Gebührensatz von 1,5 (gemeint ist wohl 1,3) in Ansatz zu bringen seien.

    Gegen das ihm am 16.9.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 1.10.2019 hier eingegangene und mit hier am 15.11.2019 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Beklagten.

    Der Beklagte hält die mit der Klägerin getroffene Vergütungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das sich aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende Transparenzgebot für unwirksam. Er vertritt im Übrigen die Auffassung, auch aus der Vergütungsvereinbarung ergebe sich, dass die Klägerin ihre gesamte Tätigkeit für den Beklagten entweder nach Stunden oder nach dem RVG abrechnen könne. Sie könne jedoch nicht die außergerichtliche Tätigkeit nach Stunden und die gerichtliche Tätigkeit nach dem RVG abrechnen. Da sie für ihre gerichtliche Tätigkeit einen nach dem RVG errechneten Betrag von 31.931,03 Euro in Rechnung gestellt habe und der Beklagte insgesamt 32.579,23 Euro gezahlt habe, sei die Klageforderung bereits erfüllt. Die Widerklage wäre in Höhe der für die Verteidigung gegen den Kostenfestsetzungsantrag angefallenen Kosten selbst im Falle einer Begründetheit der Klage begründet, weil die Klägerin den falschen Verfahrensweg für die Geltendmachung ihres Vergütungsanspruchs gewählt habe.

    Der Beklagte beantragt,

    das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage des Beklagten verurteilt wird, an den Beklagten 1.786,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.5.2018 zu zahlen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie trägt vor, mit der Neufassung der Ziffer 3 b) der Vergütungsvereinbarung habe auf Wunsch des Beklagten lediglich verhindert werden sollen, dass sie die Gebühren für ihr außergerichtliches Tätigwerden im Falle eines vom Beklagten erhofften erfolgreichen Abschlusses einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung nach dem RVG abrechnen kann. Über die Vergütung für ein Tätigwerden in einem gerichtlichen Verfahren sei nicht gesprochen worden, weshalb diese nach dem RVG abzurechnen seien.

    Nachdem der Senat darauf hingewiesen hatte, dass er die Vergütungsvereinbarung dahingehend auslegt, dass die Klägerin sowohl für ihre außergerichtliche als auch für ihre gerichtliche Tätigkeit das vereinbarte Stundenhonorar geltend machen kann, ihr jedoch mindestens eine Vergütung in Höhe der sich aus dem RVG ergebenden Vergütung zusteht, hat die Klägerin dem Beklagten für ihre außergerichtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Regelung der Trennungs- und Scheidungsfolgen unter dem Datum 9.3.2020 – ausgehend von einem Gegenstandswert von 3.895.155,- Euro und einem Gebührensatz von 2,0 – eine Vergütung von 31.946,74 Euro in Rechnung gestellt. Für ihre Tätigkeit in den beiden einstweiligen Anordnungsverfahren hat sie dem Beklagten - nunmehr jeweils unter Berücksichtigung einer Vergleichsgebühr nach Ziffer 1003 VV RVG – ebenfalls unter dem Datum 9.3.2020 eine Vergütung von 5.221,72 Euro statt 3.736,- Euro und von 2.539,46 Euro statt 1.820,70 Euro in Rechnung gestellt. Außerdem hat sie dem Beklagten unter diesem Datum – ausgehend von einem Gegenstandswert von 10.133,- Euro und einem Gebührensatz von 1,3 – eine Vergütung von 958,19 Euro für die außergerichtliche Vertretung des Beklagten gegenüber seiner Krankenversicherung in Rechnung gestellt.

    Mit Schriftsatz vom 10.3.2020 hat sie vorgetragen, Umfang und Schwierigkeit der Sache und deren Bedeutung für den Beklagten sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse rechtfertigten den Ansatz einer Geschäftsgebühr von 2,0. Aus den Tätigkeitsnachweisen ergebe sich ein Zeitaufwand von insgesamt 50 Stunden. Die Ehefrau habe immer wieder neue Unterhaltsforderungen geltend gemacht, deretwegen mehrere Besprechungen mit ihren wechselnden Bevollmächtigten stattgefunden hätten. Die Wirksamkeit des zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau geschlossenen Ehevertrags sei streitig gewesen, was für die Durchführung des Versorgungsausgleichs von Bedeutung gewesen sei. Der Wert und die Nutzung der Ehewohnung seien zwischen den Ehegatten ebenfalls streitig gewesen. Im Rahmen der vorläufigen Hausratsteilung sei die Herausgabe persönlicher Sachen des Beklagten geltend gemacht worden. Durch die entworfene Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung hätten sämtliche Streitpunkte gelöst werden sollen. Zu berücksichtigen seien insofern auch das monatliche Einkommen des Beklagten von 35.000,- Euro sowie dessen Vermögen von ca. 1,8 Mio. Euro sowie die Dauer des sich über drei Jahre hinziehenden Trennungsprozesses nach einer 20-jährigen Ehe. Aus den nun erstellten Rechnungen und den Rechnungen vom 12.2.2018 ergäben sich gegen den Beklagten gerichtete Vergütungsansprüche der Klägerin von insgesamt 67.039,84 Euro, auf welche der Beklagte bislang erst 32.579,23 Euro gezahlt habe. Soweit mit der Klage lediglich ein Betrag von 18.106,20 Euro geltend gemacht werde, bleibe die Geltendmachung des Differenzbetrags vorbehalten.

    Der Beklagte rügt die Verspätung des mit dem neuen Sachvortrag im Schriftsatz vom 10.3.2020 enthaltenen Wechsels des Streitgegenstands. Vorsorglich trägt er vor, über eine Gütertrennung und einen Erbverzicht, wie sie in dem von der Klägerin gefertigten Entwurf einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung enthalten gewesen seien, habe er mit der Klägerin zu keinem Zeitpunkt gesprochen. Die Klägerin habe außerdem übersehen, dass sie sich die Vergütung für ihre außergerichtliche Tätigkeit nach Vorbemerkung 3 Nr. 4 VV RVG auf die Vergütung für ihre gerichtliche Tätigkeit anrechnen lassen müsse. Die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Gebührensätze greift der Beklagte ausweislich seiner diesbezüglichen Erklärung in der mündlichen Verhandlung am 27.1.2021 nicht mehr an.

    II.

    Die zulässige Berufung ist in der Sache lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und führt insoweit zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Im Übrigen ist sie unbegründet und zurückzuweisen.

    Die Klage ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hat auf Grund der mit dem Beklagten geschlossenen Vergütungsvereinbarung vom 8./9.9.2015 lediglich noch einen offen stehenden Vergütungsanspruch in Höhe von 11.595,64 Euro. Darüber hinausgehende Vergütungsansprüche der Klägerin sind durch Erfüllung erloschen.

    Die Vergütungsvereinbarung der Parteien vom 8./9.9.2015 ist entgegen der Auffassung der Klägerin und des Landgerichts dahingehend auszulegen, dass sie sich auch auf eine Vertretung des Beklagten durch die Klägerin in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren erstreckt mit der Folge, dass die Klägerin sowohl für ihre außergerichtliche als auch für ihre gerichtliche Tätigkeit das vereinbarte Stundenhonorar geltend machen kann, ihr für beides jedoch mindestens eine Vergütung in Höhe der sich aus dem RVG ergebenden Vergütung zusteht.

    Wollte man die Vergütungsvereinbarung dahingehend auslegen, dass sie nur für die außergerichtliche Tätigkeit der Klägerin gilt, ergäbe die von den Parteien durch die Vereinbarung vom 8./9.9.2015 neu eingefügte Ziffer 3 b) der Vereinbarung keinen Sinn. Die Formulierung, die gesetzliche Vergütung nach dem RVG werde bei Tätigwerden im Gerichtsverfahren zeitunabhängig als Mindest-Honorar geschuldet, kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin im Falle eines Tätigwerdens in einem gerichtlichen Verfahren für ihre gesamte Tätigkeit mindestens die Vergütung nach dem RVG erhalten soll, soweit diese die Vergütung nach Zeit gemäß Ziffer 1 der Vereinbarung übersteigt. Hätten die Parteien es hingegen bei der sich aus der Vereinbarung vom 17.10.2014 ergebenden Beschränkung der Vereinbarung auf die außergerichtliche Tätigkeit der Klägerin belassen wollen, hätte es nahegelegen, Ziffer 3 b) der Vereinbarung vom 17.10.2014 einfach zu streichen. Durch die Verwendung des Begriffs Mindest-Honorar in Ziffer 3 b) haben sie jedoch deutlich gemacht, dass sie die Vereinbarung auf eine etwaige Tätigkeit der Klägerin in einem gerichtlichen Verfahren erstrecken wollen und dass in diesem Fall entweder nach dem RVG oder – falls sich hieraus ein höherer Vergütungsanspruch ergibt – nach Ziffer 1 der Vereinbarung abzurechnen ist. Dass die Abrechnung nach dem RVG nur für eine etwaige Tätigkeit der Klägerin in einem gerichtlichen Verfahren eröffnet werden und die außergerichtliche Tätigkeit in jedem Fall nach Ziffer 1 der Vereinbarung abgerechnet werden sollte, lässt sich Ziffer 3 b) der Vereinbarung nicht entnehmen. Eine entsprechende Einschränkung ihres Anwendungsbereichs enthält die Klausel nicht. Sie regelt nicht ausschließlich die der Klägerin für ein etwaiges Tätigwerden in einem gerichtlichen Verfahren zustehende Vergütung, sondern ganz allgemein die ihr für ihre Tätigkeit nach Ziffer 1 der Vereinbarung zustehende Vergütung bei Tätigwerden in einem gerichtlichen Verfahren.

    Auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage der Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung kommt es nicht an, weil die Klägerin inzwischen für ihre gesamte Tätigkeit eine Vergütung nach dem RVG geltend macht, die ihr auch im Falle einer Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung zustünde.

    Soweit die Klägerin ihre Klageforderung im Wege der zulässigen Teilklage nunmehr auch auf die erst im Laufe des Berufungsverfahrens erstellten Rechnungen vom 9.3.2020 stützt, handelt es sich um eine Änderung des Klagegrundes und damit um eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 263, Rdnr. 7, § 533m Rdnr. 3).

    Eine Klageänderung im zweiten Rechtszug ist gemäß § 533 Nr. 1 ZPO unter Anderem dann zulässig, wenn das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

    Eine Sachdienlichkeit ist hier unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zur Vermeidung eines weiteren Prozesses über die Vergütung der Klägerin für ihre außergerichtliche Tätigkeit anzunehmen, nachdem der Beklagte der Klageforderung den Einwand der Erfüllung durch die von ihm für das außergerichtliche Tätigwerden der Klägerin geleisteten Zahlungen entgegengehalten hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klageänderung Folge des Hinweises des Senats auf seine von der Auslegung der Klägerin und des erstinstanzlichen Gerichts abweichende Auslegung der Vergütungsvereinbarung ist.

    Auf die Frage, ob der der Klageänderung zu Grunde liegende Tatsachenvortrag ohnehin nach §§ 533 Nr. 2, 529 ZPO zu berücksichtigen wäre oder ob es sich insoweit um zulässige neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO handelt, kommt es im Hinblick auf die anzunehmende Sachdienlichkeit der Klageänderung nicht an.

    Allerdings steht der Klägerin für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung des Beklagten insgesamt keine Vergütung in Höhe der mit den Rechnungen vom 12.2.2018 und 9.3.2020 geltend gemachten Beträge zu, weil zum Einen der für die außergerichtliche Tätigkeit in Ansatz gebrachte Gegenstandswert übersetzt ist und weil die Klägerin zum Anderen die nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG gebotene teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr Ziffer 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühr Ziffer 3100 VV RVG übersehen hat.

    Die Gegenstandswerte der einzelnen Angelegenheiten der außergerichtlichen Tätigkeit der Klägerin im Zusammenhang mit der Regelung der Trennungs- und Scheidungsfolgen sind wie folgt in Ansatz zu bringen:

    elterliche Sorge (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG)

    3.000,- Euro

    Umgang (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG)

    3.000,- Euro

    Kindesunterhalt Tochter (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG)

    10.644,- Euro

    Kindesunterhalt Sohn (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG)

    9.912,- Euro

    Trennungsunterhalt lfd. (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG)

    115.320,- Euro

    Sonderbedarf Reparaturkosten (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG)

    1.490,- Euro

    Sonderbedarf Zahnarzt (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG)

    34.720,03 Euro

    Verfahrenskostenvorschuss (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG)

    7.210,- Euro

    nachehelicher Unterhalt (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG)

    115.320,- Euro

    In Ansatz zu bringen ist auch bei Verhandlungen über eine Abfindung des (als wiederkehrende Leistung geltend gemachten) nachehelichen Unterhaltsanspruchs der sich aus § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ergebende Wert (hier: 9.610,- Euro x 12 Monate), weil der Streitgegenstand durch Verhandlungen über eine Abfindung nicht geändert wird (str., so auch OLG Jena, FamRZ 1999, 1680; OLG Düsseldorf, JurBüro 1992, 51; OLG München, JurBüro 2001, 141; OLG Frankfurt, FamRB 2002, 233; BeckOK-Kostenrecht/Neumann, Stand: 1.9.2020, § 51 FamGKG, Rdnr. 85; Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. 2019, § 51 FamGKG, Rdnr. 3; a.A. OLG Frankfurt, FamRZ 1980, 144; differenzierend, wenn vom Unterhaltsberechtigten unter den – hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen des § 1585 Abs. 2 BGB eine Kapitalabfindung an Stelle eines wiederkehrenden Unterhalts verlangt wird: Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, 7. Aufl. 2018, Verfahrenswerte im Familienrecht, Rdnr. 124; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl. 2018, FamGKG, Rdnr. 49; Schneider/Volpert/Föltsch, FamGKG, 3. Aufl. 2019, § 51 FamGKG, Rdnr. 134).

    Zugewinnausgleich (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 35 FamGKG)

    1.025.000,- Euro

    Hier ist über den von der Klägerin in Ansatz gebrachten Betrag von 900.000,- Euro hinaus die Hälfte der Differenz zwischen 1,25 Mio. Euro und 1,5 Mio. Euro in Ansatz zu bringen, weil die Ehefrau des Beklagten einen Zugewinnausgleich von 900.000,- Euro zuzüglich der Hälfte eines 1,25 Mio. Euro übersteigenden Erlöses aus dem Verkauf des Hausgrundstücks des Beklagten, dessen Wert sie mit mindestens 1,5 Mio. Euro veranschlagt hat, gefordert hat.

    Versorgungsausgleich (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 50 Abs. 1 FamGKG)

    17.500,- Euro

    Haushaltsgegenstände (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 48 Abs. 2 FamGKG)

    5.000,- Euro

    Ehewohnung (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 48 Abs. 1 FamGKG)

    7.000,- Euro

    steuerliches Realsplitting (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 42 Abs. 1 und 3 FamGKG)

    5.000,- Euro

    Gütertrennung/Erbverzicht (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 42 Abs. 1 FamGKG)

    500,- Euro

    Soweit die Klägerin insoweit den Wert des Vermögens des Beklagten in Höhe von 1,8 Mio. Euro in Ansatz bringt, ist dies hinsichtlich der angedachten Gütertrennung schon deshalb unzutreffend, weil die vorgeschlagene Vereinbarung der Gütertrennung im Zusammenhang mit der ebenfalls vorgeschlagenen Regelung des Zugewinnausgleichs zu sehen ist. Das Interesse des Beklagten auf die Vereinbarung einer Gütertrennung belief sich allenfalls auf die Hälfte des zwischen dem Eintritt der Gütertrennung und dem im Falle eines Abschlusses der Scheidungsfolgenvereinbarung unmittelbar bevorstehenden Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu erwartenden Zugewinns. Dementsprechend hätte sich der Erbteilsverzicht der Ehefrau höchstens auf den sich nach Eintritt der Gütertrennung und Durchführung des Zugewinnausgleichs ergebenden Erbteil der Ehefrau, mithin auf höchstens 450.000,- Euro belaufen. Im Hinblick auf § 1933 Satz 1 BGB hätte die Vereinbarung eines Erbverzichts allerdings nur für den Zeitraum zwischen dem Abschluss eines entsprechenden Verzichts und der dann zu erwartenden Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags Bedeutung gehabt. Da der vorgeschlagene Erbverzicht offensichtlich Inhalt einer von der Klägerin verwendeten Vorlage für einen Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung war, kein diesbezüglicher Auftrag des Beklagten vorlag und zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau insoweit überhaupt kein Streit bestand, ist für den Entwurf eines Erbverzichts überhaupt kein Wert in Ansatz zu bringen. Der Wert der Gütertrennung ist im Hinblick auf den vereinbarten Zugewinnausgleich und den bevorstehenden Scheidungsantrag mit höchstens 500,- Euro in Ansatz zu bringen.

    gesamt: 1.350.616,03,- Euro

    Im Hinblick auf das Gewicht, den Umfang und die Schwierigkeit der Gegenstände Unterhalt und Zugewinnausgleich ist im Rahmen der nach § 15 Abs. 3 RVG durchzuführenden Vergleichsberechnung auf den Wert der zusammengerechneten Gegenstandswerte und den hierfür von der Klägerin in Ansatz gebrachten Gebührensatz von 2,0 abzustellen, der vom Beklagten nicht mehr angegriffen wird.

    Bei einem addierten Gegenstandswert von 1.350.616,03 Euro und einem Gebührensatz von 2,0 beläuft sich die angefallene Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG auf 11.826,- Euro zuzüglich 20,- Euro Auslagenpauschale (Ziffer 7002 VV RVG) und 2.250,74 Euro Umsatzsteuer (Ziffer 7008 VV RVG), insgesamt also auf 14.096,74 Euro.

    Die Verfahrensgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG ist nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG allerdings teilweise auf die von der Klägerin für ihre gerichtliche Tätigkeit geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Ziffer 3100 VV RVG abzurechnen. Im Falle einer Gebührenberechnung im Wege der Vergleichsberechnung nach § 15 Abs. 3 RVG ist die nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorzunehmende Anrechnung der Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung auf die Verfahrensgebühren für die gerichtliche Vertretung dabei ebenfalls aus den addierten Gegenstandswerten und dem hierfür in Ansatz gebrachten Gebührensatz zu errechnen (so auch N. Schneider, ZAP, Fach 24, 1265 ff., Teil 6; im Ergebnis ebenso Winkler in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl 2018, § 15, Rdnr. 115).

    Daraus folgt wegen der Begrenzung der Anrechnung auf einen Gebührensatz von 0,75 die Anrechnung einer 0,75-fachen Gebühr aus einem Gegenstandswert von 1.143.500 Euro (17.500,- Versorgungsausgleich, 222.0000,- Euro nachehelicher Unterhalt, 900.000,- Euro Zugewinnausgleich, 4.000,- Euro Ehewohnung nachehelich), also eine Anrechnung in Höhe von 4.607,98 Euro einschließlich Umsatzsteuer, auf die aus der Rechnung vom 12.2.2018 ersichtlichen Verfahrensgebühren für die Vertretung im Scheidungsverfahren und einer 0,75-fachen Gebühr aus einem Gegenstandswert von 7.210,- Euro, also eine Anrechnung in Höhe von 406,98 Euro einschließlich Umsatzsteuer, auf die aus der Rechnung vom 9.3.2020 ersichtliche Verfahrensgebühr für die Vertretung im einstweiligen Anordnungsverfahren betreffend die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses.

    Nach alledem beläuft sich die vom Beklagten für das außergerichtliche und gerichtliche Tätigwerden der Klägerin nach dem RVG geschuldete Vergütung auf 26.373,73 (Scheidungsverfahren) + 5.221,71 (eA Trennungsunterhalt) + 2.539,46 (eA Verfahrenskostenvorschuss) + 14.096,74 (außergerichtliche Vertretung bei der Regelung der Trennungs- und Scheidungsfolgen) + 958,19 (außergerichtliche Vertretung gegenüber der Krankenversicherung) – 4.607,98 – 406,98 = 44.174,87 Euro. Zieht man hiervon die vom Beklagten geleisteten Zahlungen von 32.579,23 Euro ab, verbleibt ein offener Vergütungsanspruch von 11.595,64 Euro.

    Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung kann die Klägerin nicht als Verzugsschaden geltend machen, weil der Beklagte im Hinblick auf § 10 RVG vor der Erstellung der Rechnungen vom 9.3.2020 nicht mit der Klageforderung in Verzug war. Im Hinblick auf die mit dem Beklagten getroffene Vergütungsvereinbarung war Voraussetzung der Einforderbarkeit der mit der Klage geltend gemachten (Mindest-)Vergütung nach dem RVG, dass die Klägerin ihre gesamte gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeit nach dem RVG abrechnet, weil für den Beklagten nur so nachvollziehbar war, ob die der Klägerin zustehende Mindestvergütung nach dem RVG nicht bereits durch die geleisteten Zahlungen auf das für die außergerichtliche Tätigkeit abgerechnete und gezahlte Stundenhonorar erreicht ist. Die erst am 9.3.2020 erteilte Rechnung für das außergerichtliche Tätigwerden der Klägerin im Zusammenhang mit der Regelung der Trennungs- und Scheidungsfolgen war damit Voraussetzung für die Einforderbarkeit der bereits mit der Rechnung vom 12.2.2018 geltend gemachten Klageforderung. Ihr Inhalt war zwingender Inhalt der dem Beklagten nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG zu erteilenden Abrechnung.

    Der begründete Teil der Klageforderung ist vor diesem Hintergrund auch erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Rechnungen vom 9.3.2020 gemäß §§ 191, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen (vgl. zur Einforderbarkeit als Voraussetzung des sich aus § 291 BGB ergebenden Zinsanspruchs OLG Düsseldorf, MDR 2011, 760; ebenso BeckOK-RVG/v. Seltmann, Stand 1.3.2020, § 10 RVG, Rdnr. 1a; Schneider/Volpert/Fölsch/Klos, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 10 RVG, Rdnr. 25). Mangels anderweitiger Angaben der Parteien geht der Senat davon aus, dass der von der Geschäftsstelle des Senats am 12.3.2020 zur Post gegebene Schriftsatz der Klägerseite vom 10.3.2020, dem die Rechnungen beigefügt waren, dem Bevollmächtigten des Beklagten spätestens drei Werktage später, mithin am 16.3.2020, zugegangen ist.

    Die Widerklage des Beklagten ist bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs in voller Höhe begründet.

    Dem Beklagten steht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe der ihm entstandenen Kosten der Verteidigung gegen den Kostenfestsetzungsantrag vom 17.4.2018 und gegen die außergerichtliche Geltendmachung der Klageforderung zu, der sich auf den mit der Widerklage verfolgten Betrag von 1.786,90 Euro beläuft, wegen dessen der Höhe nach auch von der Klägerin nicht angegriffener Berechnung auf die Klageerwiderung des Beklagten vom 18.3.2019, Bl. 37 ff. der Akte, Bezug genommen wird. Der Beklagte durfte sich gegen die Geltendmachung der Klageforderung zur Wehr setzen, weil diese – wie dargestellt – mangels Erteilung einer den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 genügenden Abrechnung noch nicht einforderbar war.

    Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Klageforderung ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, hier also ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Widerklage am 26.3.2019, mit dem sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebenden Zinssatz zu verzinsen ist. Die Voraussetzungen eines darüber hinausgehenden Zinsanspruchs wegen Verzugs nach §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 286 BGB sind nicht dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte die mit der Widerklage verfolgte Forderung vor Erhebung der Widerklage jemals bei der Klägerin geltend gemacht hat.

    Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie erfolgt im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6.2.1980 – 3 UF 157/79 = FamRZ 1980, 144, zur Frage des Gegenstandswerts von Verhandlungen über die Abfindung eines Unterhaltsanspruchs.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 2, 92 Abs. 1 ZPO. Da die Klageforderung erst durch die im zweiten Rechtszug erfolgte Erteilung der Rechnungen vom 9.3.2020 begründet geworden ist und die Klägerin insoweit ein Verschulden trifft, sind die Kosten des zweiten Rechtszugs der Klägerin trotz ihres teilweisen Obsiegens mit ihrer Rechtsverteidigung gegen die Berufung in voller Höhe aufzuerlegen.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.

    Reitzmann Dr. Schweppe Schmidt