OLG Frankfurt vom 07.06.2001 (1 WF 92/01)

Stichworte: PKH, Änderung, Bindungswirkung
Normenkette: ZPO 114, 323
Orientierungssatz: 1. Es ist nicht mutwillig (§ 114 ZPO), einen selbst errichteten Titel (notarielle Urkunde) kurz danach wieder im Abänderungsverfahren anzugreifen, wenn die Änderungen zwar vorhersehbar, aber nicht quantifizierbar waren und auch den laufenden Unterhalt nicht betrafen. 2. Zur Bindungswirkung einseitig errichtete Titel.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 20.4.2001 am 06.07.01 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Bescheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Weilburg zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Kläger hat auf dahingehende Aufforderung der Beklagten durch notarielle Urkunde vom 18.9.2000 den Kindesunterhalt für die beiden Kinder , geb. am 26.9.1995 und , geb. am 16.7.1990 in Höhe von 320,- und 417,- DM monatlich (UR-Nr. 260/2000 des Notars in D.) und durch weitere notarielle Urkunde vor demselben Notar (Nr. 261/2000) den Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 963,-- DM, ebenfalls ab 1.10.2000, tituliert, jeweils in Höhe der zuletzt von ihm gezahlten Beträge. Die Urkunde betreffend Ehegattenunterhalt ist von ihm mit weiterer notarieller Urkunde vom 19.1.2001 (UR-Nr. 14/2001) dahin ergänzt worden, dass der laufende Unterhalts jeweils monatlich im Voraus zu zahlen ist.

Mit seiner Abänderungsklage erstrebt er Wegfall des titulierten Ehegattenunterhalts mit Wirkung ab 1.3.2001, gegründet zum einen darauf, dass sich sein Einkommen nach Änderung der Steuerklasse zum Jahreswechsel 2001 erheblich verschlechtert habe und zum anderen damit, dass die Beklagte eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem neuen Partner begründet habe. Unter Berücksichtigung verschiedener Belastungen errechnet er nach Abzug des von ihm nicht angegriffenen Kindesunterhalts ein Einkommen, das den notwendigen Selbstbehalt nicht überschreite, weshalb er nicht mehr leistungsfähig sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die von ihm für diese Klage beantragte Prozesskostenhilfe verweigert. Die Rechtsverfolgung des Klägers sei mutwillig. Die von ihm vorgetragenen Belastungen hätten zum Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde bereits vorgelegen, die vorgetragene Änderung der Steuerklasse mindestens zum Zeitpunkt der Errichtung der Ergänzungsurkunde vom 19.1.2001. Eine verständige Partei hätte davon abgesehen, den Unterhalt in dieser Höhe zu titulieren, um dann sechs Wochen später ein gerichtliches Verfahren auf Abänderung und Wegfall des vollen Unterhalts zu beantragen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er dem Vorwurf der Mutwilligkeit entgegentritt. Auf das Begehren der Beklagten zur Titulierung der damals von ihm gezahlten Unterhaltsbeträge habe er keine vernünftige Handlungsalternative gehabt, als dem zu entsprechen. Andernfalls wäre er in dieser Höhe mit der entsprechenden Kostenbelastung verklagt worden. Die Ergänzungsurkunde vom Januar 2001 habe auch keine selbständige Bedeutung, sondern habe lediglich die vorher errichtete Urkunde verdeutlicht. Eine Möglichkeit, den von ihm anerkannten Betrag auf der Grundlage zwischenzeitlicher Veränderungen und hieraus gewonnener Erkenntnisse zu verringern, habe er nicht gesehen.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache vorläufig Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Die Verweigerung der beantragten Prozesskostenhilfe lässt sich mit der Begründung der Mutwilligkeit nicht halten. Tatsächlich gab es für den Beklagte keinen verständigen Grund, dem Begehren der Gegenseite auf Titulierung der von ihm bis dahin freiwillig gezahlten und offenbar als richtig erkannten Beträge auf der Grundlage der damaligen Verhältnisse zu entsprechen. Zwar war zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar, dass sich diese Verhältnisse in naher Zukunft, jedenfalls mit dem Wechsel der Steuerklasse zum Jahreswechsel, ändern würden. Dies hatte jedoch auf die Höhe des derzeitigen laufenden Unterhalts keinen Einfluss. Da sich zudem die bevorstehenden Änderungen zwar dem Grunde nach, jedoch nicht der Höhe nach verlässlich abschätzen ließen, war es nicht mutwillig, anstelle einer auf unsicheren

Prognosen beruhenden Staffelung des anerkannten Unterhalts den vollen laufenden Betrag zu titulieren und die Änderungen einem Abänderungsverfahren vorzubehalten. Dabei folgt der Senat der Wertung des Klägers, dass sich die zweite notarielle Urkunde vom Januar 2001 nicht als selbständige Verpflichtung, sondern lediglich als eine Konkretisierung der bereits errichteten Urkunde darstellt.

Gegen vollstreckbare notarielle Urkunden findet die Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO statt, allerdings ohne die Beschränkungen der §§ 323 Abs. 2 und 3 ZPO (BGHZ 101, 235, 238). Die Frage der Bindungswirkung an Grundlagen des abzuändernden Titels ist zweifelhaft (BGH FamRZ 1984, 997, 998). Während sie für den Gläubiger eines derartigen einseitig errichteten Titels verneint wird (OLG Ffm., FamRZ 1983, 755, 756), wird im Zweifel eine Bindung dessen, der den Titel errichtet hat, an die von ihm zugrunde gelegten Verhältnisse zu bejahen sein. Darüber hinaus kommt eine weitergehende Bindung in Betracht, wenn sich die einseitig errichtete Urkunde nicht als einseitiger Akt, sondern als Erfüllung einer dahingehenden materiell-rechtlichen Vereinbarung darstellt. Hierfür bietet der Sachverhalt indes keine Anhaltspunkte.

Geht man von einer wie auch immer zu bewertenden Bindung an gegebene Verhältnisse aus, haben sich diese jedenfalls insoweit verändert, als zum Jahresanfang 2001 mit der Änderung der Steuerklasse eine wesentliche Verschlechterung der Einkommensverhältnisse eingetreten ist. Nach den vorgelegten Einkommensbescheinigungen für das Kalenderjahr 2000 hat der Kläger in diesem Jahr insgesamt brutto 66.035,64 DM und netto 43.786,30 DM, letzteres bei Steuerklasse 3 und 2,0 Kinderfreibetrag,verdient. Dies entspricht einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 5.503,- und einem Nettoeinkommen von 3.650,- DM. Dabei ist das Bruttoeinkommen während des Jahres im wesentlichen gleich geblieben und betrug jeweils zwischen 4.600,- und 4.700,- DM. Der deutlich höhere Durchschnitt ist auch nicht auf irgendwelche Überstunden und deren Abbau zurückzuführen, sondern auf drei während des Jahres, nämlich in den Monaten April August und November, erfolgte Sonderzuwendungen. Das vorgelegte Bruttoeinkommen der Monate Februar und März 2001 bewegt sich in der gleichen Größenordnung wie das entsprechende Einkommen des Vorjahres, so dass insoweit von unveränderten Einkommensverhältnissen ausgegangen werden kann. Rechnet man das damit als unverändert anzusehende Bruttoeinkommen von 5.503,- DM monatlich nach Steuerklasse 1 um, ergibt sich ein durchschnittliches Nettoeinkommen von nunmehr noch rund 3.135,- DM, und damit deutlich weniger als das Nettoeinkommen des Vorjahres auf der Basis der Steuerklasse 3.

Allerdings könnte ein Teil des Einkommensrückganges durch die Eintragung eines Freibetrages im Rahmen des steuerlichen Realsplittings aufgefangen werden, wozu beide Parteien grundsätzlich mitwirkungspflichtig sind.

Das Amtsgericht, das sich von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig mit den Auswirkungen der Änderungen nicht befasst hat, wird hierzu im Rahmen des weiteren Verfahrens die erforderlichen Feststellungen treffen.

Die von dem Kläger weiterhin ins Feld geführte Begründung einer Haushaltsgemeinschaft mit dem neuen Partner der Beklagten hat an Bedeutung verloren, nachdem nach dem Vortrag der Beklagten diese mit Ende April, also nach einem Monat nach Beginn des Abänderungszeitraums, wieder aufgegeben worden ist. Sofern, wie von ihr eingewandt, der neue Partner wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht leistungsfähig ist, kommt eine fiktive Vergütung für Haushaltsführung nicht in Betracht. Etwaige Synergieeffekte durch die Vorteile des Zusammenwohnens sind angesichts der Höhe des Quotenunterhalts, der weit unter dem Existenzminimum liegt, eher zu verneinen. Hier sind wohl eher trennungsbedingte Mehrkosten vermieden worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 124 Abs. 4 ZPO. Gerichtsgebühren werden für das Verfahren der erfolgreichen Beschwerde nicht erhoben.

Dr. Eschweiler Noll Juncker