OLG Frankfurt vom 02.06.2000 (1 WF 92/00)

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Mutwilligkeit, Scheidungsverbund, Verfahren, isoliertes.
Normenkette: ZPO 114
Orientierungssatz: Grundsätzlich steht es einer Partei frei, von ihr geltend gemachte Ansprüche in einem gemeinsamen Verfahren oder im getrennten Verfahren geltend zu machen. Diese Dispositionsfreiheit der Partei wird jedoch durch die Rücksicht eingeschränkt, die derjenige zu nehmen hat, der öffentliche Hilfe in Anspruch nimmt. Zur Berechnung der Kürzung in einem solchen Fall.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 07.02.2000 gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Weilburg vom 11.10.1999 am 02.06.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Der Klägerin wird ratenfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit sie gegen den Beklagten einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 400,00 DM monatlich geltend macht.

Im übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und die dahingehende Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt (Kostenverzeichnis 1952).

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Familiengericht der Klägerin Prozeßkostenhilfe für eine Klage auf Ehegattenunterhalt nur insoweit bewilligt, als durch die getrennte Geltendmachung mit der am gleichen Tag eingereichten Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt keine Mehrkosten entstehen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, mit der sie die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe in vollem Umfang anstrebt. Sie ist der Auffassung, die getrennte Geltendmachung von Ehegatten- und Kindesunterhalt sei vorliegend deswegen nicht mutwillig, weil aufgrund außergerichtlicher Äußerungen des Beklagten davon ausgegangen werden konnte, daß er den geltend gemachten Unterhaltsanspruch für die Kinder anerkennen werde, während er eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau bestritten habe. Bei einer Verurteilung zum Kindesunterhalt durch ein Teilurteil bestünden im übrigen Vollstreckungsschwierigkeiten, weil aufgrund der jederzeit bestehenden Möglichkeit, Anschlußberufung auch insoweit einzulegen, eine Teilrechtskraftbescheinigung von dem Prozeßgericht nicht erteilt werde.

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Grundsätzlich steht es einer Partei frei, von ihr geltend gemachte Ansprüche in einem gemeinsamen Verfahren oder im getrennten Verfahren geltend zu machen. Diese Dispositionsfreiheit der Partei wird jedoch durch die Rücksicht eingeschränkt, die derjenige zu nehmen hat, der öffentliche Hilfe in Anspruch nimmt. § 114 ZPO versagt deswegen den Anspruch auf Prozeßkostenhilfe derjenigen kostenarmen Partei, die mutwillig handelt. Als solch mutwilliges Verhalten ist es anzusehen, wenn eine Partei den kostspieligeren von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen ohne einen vernünftigen Grund beschreitet. So liegen die Dinge hier. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe lassen einen sachlich nachvollziehbaren Grund für die getrennte Einreichung der beiden Klagen nicht erkennen. Insbesondere trifft es nicht zu, daß der Klägerin durch ein Teilurteil zum Kindesunterhalt Nachteile hinsichtlich der Vollstreckbarkeit erwachsen könnten. Sie ist für die Vollstreckung aus einem solchen Titel nicht auf eine Teilrechtskrafterklärung angewiesen. Soweit ein Teilurteil nicht durch die Berufung angefochten wird, besteht die Möglichkeit, insoweit die Vollstreckbarkeit durch entsprechenden Antrag von dem Berufungsgericht zu erwirken (§ 534 Abs. 1 ZPO).

Der von der Klägerin gewählte Weg führt auch zu höheren Verfahrenskosten. Der Streitwert für das Verfahren auf Zahlung von Kindesunterhalt beträgt 6.432,00 DM, der Streitwert für das Verfahren wegen Ehegattenunterhalts beträgt 13.751,16 DM, zusammen sind dies 20.183,16 DM. Die für den beigeordneten Rechtsanwalt festzusetzenden Gebühren hätten sich auf insgesamt 1.264,40 DM belaufen, nämlich je eine Prozeßgebühr und eine Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 BRAGO) in Höhe von je 525,00 DM, zusammen 1.050,00 DM. Hinzu wäre die Post- und Kommunikationspauschale in Höhe von 40,00 DM (§ 26 Satz 2 BRAGO) gekommen sowie die Umsatzsteuer in Höhe von 16 % (§ 25 Abs. 2 BRAGO). Dies ergibt insgesamt 1.264,40 DM.

Durch die isolierte Geltendmachung entstehen dagegen erheblich höhere Gebühren. Bei einem Streitwert in Höhe von 6.432,00 DM für den Kindesunterhalt entstehen eine Prozeß- und eine Verhandlungsgebühr in Höhe von je 390,00 DM, zusammen 780,00 DM, zuzüglich der Pauschale von 40,00 DM ergeben sich 820,00 DM. Unter Hinzurechnung der Mehrwertsteuer beträgt die Anwaltsvergütung für den beigeordneten Rechtsanwalt 951,20 DM.

Hinsichtlich des Ehegattenunterhalts ergeben sich aus einem Streitwert in Höhe von 13.751,16 DM Gebühren in Höhe von insgesamt 1.102,00 DM (zwei Anwaltsgebühren zu 455,00 DM = 910,00 DM, zuzüglich 40,00 DM Pauschale, = 950,00 DM, zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer). Insgesamt betragen die Kosten für den beigeordneten Rechtsanwalt bei einer isolierten Geltendmachung von Ehegatten- und Kindesunterhalt insgesamt 2.053,20 DM gegenüber nur 1.264,40 DM bei der Zusammenfassung beider Klagen in nur einem Gerichtsprozeß.

Die durch die gewählte Verfahrensweise entstandenen höheren Kosten sind aber nicht durch Kürzung der Rechtsanwaltsgebühren zu begrenzen, sondern es ist durch eine Parallelrechnung festzustellen, bis zu welcher Höhe Unterhaltsansprüche hätten geltend gemacht werden können, die Anwaltskosten nur in der Höhe einer Zusammenfassung beider Klagen verursacht hätten. Dies führt zu der in dem Beschlußtenor vorgenommen Kürzung.

Bei klageweiser Geltendmachung von Kindesunterhalt in einem isolierten Verfahren in Höhe von 105,00 und 130,00 DM monatlich wären aus einem Streitwert bis zu 3.000,00 DM Anwaltskosten in Höhe von 533,60 DM entstanden (210,00 DM Anwaltsgebühren x 2 plus 40,00 DM plus 16 % Mehrwertsteuer). In dem Verfahren auf Ehegattenunterhalt wären bei einem Streitwert bis zu 5.000,00 DM Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 788,80 DM entstanden (zwei Anwaltsgebühren 320,00 DM = 640,00 DM plus 40,00 DM Pauschale plus 16 % Mehrwertsteuer). Die Kosten von somit insgesamt 1.322,40 DM entsprechen annäherungsweise demjenigen Wert, der bei einer Geltendmachung von Ehegatten- und Kindesunterhalt in einem Verfahren entstanden wären.

Juncker Noll Michalik