OLG Frankfurt vom 04.06.2003 (1 WF 64/03)

Stichworte: Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung, Bonus, Pauschale Betreuungsbonus, Erwerbstätigkeit
Normenkette: BGB 1578, 1577 Abs. 2
Orientierungssatz: Nach den geänderten Leitlinien kann nunmehr neben konkret nachgewiesenen Aufwendungen zusätzlich eine Pauschale anrechnungsfrei belassen werden, was auch nicht mehr auf den Fall vollschichtiger Erwerbstätigkeit beschränkt ist. Allerdings ist nunmehr die Pauschale aus einem Regelbetrag zu einem Höchstbetrag geworden, was dazu führt, dass insbesondere bei sehr hohen konkreten Aufwendungen der Höchstsatz der Tabelle nur ausnahmsweise angesetzt werden kann, wenn Anhaltspunkte für weitere Aufwendungen in dieser Größenordnung aufgezeigt werden. Bei einer hier gegebenen ganztätigen Betreuung mit den damit nachgewiesenen abzugsfähigen Kosten erscheint hier die Pauschale in Höhe der Hälfte abzugsfähig, was zu einer Bereinigungsposition von 100,-- EUR monatlich führt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - Einzelrichter - auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 14.01.2003 am 04.06.2003 beschlossen :

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Klägerin wird weitergehend Prozesskostenhilfe zur Geltendmachung von rückständigem Unterhalt für die Zeit von November 2001 bis Juni 2002 in Höhe von insgesamt 1.059,-- EUR bewilligt und ihr insoweit Rechtsanwalt XYZ. in Hanau beigeordnet. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Parteien sind Eheleute, sie leben seit März 2001 getrennt. Die Klägerin betreut das gemeinsame Kind X., geb. am 09.04.1999. Der Beklagte zahlte an Unterhalt für Ehefrau und Kind zunächst monatlich 1.200,-- DM bis Dezember 2001, von da ab bis einschließlich September 2002 monatlich 253,94 EUR. Von den Zahlbeträgen entfallen gemäß von ihm errichteter vollstreckbarer Jugendamtsurkunde monatlich 177,-- EUR auf Kindesunterhalt.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin weitergehenden Trennungsunterhalt ab November 2001. Ihre hierfür beantragte Prozesskostenhilfe hat ihr das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss mangels Erfolgsaussicht verweigert. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Amtsgericht im Wege der Abhilfe Prozesskostenhilfe für rückständigen Unterhalt für Januar und Februar 2002 in Höhe von (insgesamt) 110,04 EUR bewilligt und im übrigen die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg und führt zur weitergehenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe für rückständigen Unterhalt bis einschließlich Juni 2002. Für ihre Mehrforderung in dieser Zeit sowie wegen des verlangten laufenden Ehegattenunterhalts (verlangt zuletzt 63,- EUR monatlich) ist ihre Rechtsverfolgung ohne hierfür erforderliche Erfolgsaussicht.

Unstreitig hat der Beklagte seine zuletzt innegehaltene Arbeitsstelle durch Arbeitgeberkündigung mit Wirkung zum 31.01.2002 verloren. Das Arbeitseinkommen ist im Jahr 2001 nach Steuerklasse 3, ab Januar 2002 nach Steuerklasse 1 besteuert. Anlässlich seines Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis erhielt der Beklagte eine Abfindung in Höhe von brutto gleich netto 2.500,-- EUR. Von Februar bis Juni 2001 war er arbeitslos und erhielt ein Arbeitslosengeld von (unstreitig) umgerechnet monatlich 1.360,22 EUR. Seit Juli 2002 hat er eine neue Arbeitsstelle gefunden und erzielt hieraus - ebenfalls unstreitig - monatlich durchschnittlich 1.236,57 EUR.

Die Klägerin war bis Dezember 2000 im versicherungsfreien Bereich tätig. Sie hat dieses Beschäftigungsverhältnis im Januar 2001 in ein vollschichtiges Arbeitsverhältnis umgewandelt, das bis Dezember 2001 nach Steuerklasse 5, seither nach Steuerklasse 2 versteuert wird.

Die Klägerin hat ihren Unterhaltsanspruch für die Zeit des ersten Beschäftigungsverhältnisses des Beklagten anhand des Durchschnittseinkommens beider Parteien für die Zeit von November 2000 bis Oktober 2001 berechnet. Danach errechnete sich für den Beklagten ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 4.620,79 DM und der Klägerin von 1.832,68,-- DM, jeweils vor Abzug weiterer Bereinigungspostionen. Diese Berechnungsweise beanstandet der Beklagte teilweise, hinsichtlich des Einkommens der Klägerin, mit Recht. Die Monate November und Dezember 2000 mit Einkünften aus einer nur stundenweisen Beschäftigung sind für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht maßgebend Dieser ist vielmehr nach den Gesamteinkünften des Kalenderjahres 2001, dessen Daten inzwischen vorliegen, zu berechnen. Bei wechselnden Einkünften ist jeweils der dem Beurteilungszeitraum nächstliegende Zeitraum heranzuziehen, wenn, wie hier, diese bereits bekannt sind. Rechnet man aus dem Einkommen der Klägerin die beiden Monate November und Dezember 2000 sowie den Monat Juni 2001 (der offenbar jahresbezogene Sonderzuwendung enthält) heraus, errechnet sich aus den verbleibenden 9 Monaten des Jahres 2001 ein Durchschnittseinkommen von 1.989,89 DM. In der Annahme, dass sich die beiden fehlenden Monate November und Dezember 2001 in der gleichen Größenordnung bewegen und nach Hinzurechnung des Monats Juni mit der Sonderzuwendung, errechnet sich das Durchschnittseinkommen nach der Formel 11 x 1.989,89 + 1 x 2.823,08 : 12 = 2.059,32 DM auf durchschnittlich monatlich 1.176,75 EUR.

Soweit das Amtsgericht in dem Nichtabhilfebeschluss für das Einkommen der Klägerin durchgehend von einem Einkommen von 1.560,34 EUR ausgeht, berücksichtigt es nicht den Wechsel der Steuerklasse von V zu II zum Jahreswechsel 2002.

Entsprechendes gilt an sich auch für das maßgebliche Durchschnittseinkommen des Beklagten für das Kalenderjahr 2001, wobei jedoch hier die Unterschiede geringer sind. Soweit der Beklagte einwendet, nur die letzten Monate mit ihrem bereits wegen schlechter Geschäftslage und ausfallenden Provisionen absinkender Tendenz seien zur Beurteilung heranzuziehen, kann ihm nicht gefolgt werden. Da die Parteien bereits seit Anfang des Jahres getrennt leben, hat die Klägerin an den besseren Monaten in der Jahresmitte in gleicher Weise Anteil wie der Beklagte. Anders wäre lediglich zu verfahren, wenn etwa nach der Trennung eine deutliche Absenkung der Einkünfte eintritt, da dann das Einkommen aus besseren Zeiten bereits gemeinsam verbraucht ist und für Unterhaltszwecke nur mehr der abgesunkene geringere Betrag zur Verfügung steht.

Das maßgebende Nettoeinkommen für das Kalenderjahr 2001 ist der vorliegenden Gehaltsbescheinigung für Dezeber 2001 mit den aufgelaufenen Jahresbeträgen zu entnehmen. Danach hat der Beklagte in diesem Jahr insgesamt 82,591,32 DM brutto verdient. Nach Abzug der in der Bescheinigung (Bl. 45 d.A.) enthaltenen Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge verbleibt ein Nettoeinkommen von 54.705,23 DM oder monatlich 4.558,77 DM entsprechend 2.605,-- EUR.

Für Januar 2002, dem letzten Monat des alten Beschäftigungsverhältnisses, liegt eine Abrechnung über Brutto- und Nettobezüge vor (Bl. 44 d.A.). Hiernach hat der Beklagte in diesem Monat ein Nettoeinkommen von 4.362,17 EUR erhalten. Hierin enthalten und damit herauszurechnen sind die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes (steuerfrei) von 2.500,-- EUR sowie der Arbeitgeberanteil zur Vermögensbildung, so dass in diesem Monat ein Nettoeinkommen von 1.835,58 EUR verbleibt. Die Auffassung der Klägerin, die gezahlte Abfindung sei zur Erhöhung der zuletzt gezahlten Nettobeträge heranzuziehen, entspricht nicht der geltenden Unterhaltssystematik. Vielmehr ist die Abfindung zusammen mit dem Arbeitslosengeld dazu bestimmt, die Zeit der Arbeitslosigkeit, also die Zeit nach Verlust des Arbeitsplatzes, zu überbrücken.

Auf welchen Zeitraum die Abfindung umzulegen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen. Maßgebend ist hierfür der Zeitpunkt der Zahlung, nicht eine rückwirkende Betrachtung aus dem späteren Geschehensablauf. Angesichts der insgesamt günstigen Berufsaussichten des Beklagten und der nicht besonders hohen Abfindung scheint eine Erstreckung auf 1 Jahr als prognostizierte Dauer notwendiger Vorsorge als angemessen. Dies ergibt einen Zuschlag zu dem unstreitigen Arbeitslosengeld von monatlich 1.360,22 EUR von (2.500 : 12 =) 208,33 EUR, damit ein Durchschnittseinkommen für die Dauer der Arbeitslosigkeit von 1.568,55 EUR.

Der danach noch verbleibende nicht verbrauchte Rest der Abfindung ist freies Vermögen und für die Bewertung der ehelichen Lebensverhältnisse ohne Einfluss (BGH FamRZ 2003, 590).

Das im Anschluss daran im Juli 2002 von dem Beklagten bezogene Erwerbseinkommen aus seiner neuen Arbeitsstelle ist zwischen den Parteien unstreitig.

Von dem Erwerbseinkommen der Klägerin von zunächst, bis Dezember 2001, wie festgestellt, 1.176,95 EUR und danach, ab Januar 2002 von (unstreitig) 1.560,34 EUR sind vorab Fahrtkosten abzuziehen. Die Benutzung eines eigenen Pkws und die Entfernung vom Arbeitsplatz zur Wohnung von 32 km sind nicht bestritten. Die Notwendigkeit der Benutzung eines Pkws ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin ein kleines Kind betreut und deshalb beweglich sein muss.

Die von der Klägerin berechneten Fahrtkosten von 316,80 EUR monatlich sind geringfügig zu korrigieren, da der angesetzte Kilometersatz von 0,27 EUR je Kilometer einfache Wegstrecke nur für die ersten 30 km angesetzt werden kann. Danach ist nach den Unterhaltsgrundsätzen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Ziff. II 14. Abs.4) nur der halbe Kilometersatz in Ansatz zu bringen, was insgesamt zu einer Korrektur der Fahrkosten auf 307,-- EUR monatlich führt. Abzugsfähig sind ferner die dem Grunde nach nicht bestrittenen Kosten für die Musikschule von 19,-- EUR, die an sich als Bedarf des Kindes der Beklagte zu tragen hätte. Da er dies aber nicht tut und auch nicht darauf in Anspruch genommen wird, kann die Klägerin ihrerseits diese Kosten von ihrem Einkommen abziehen. Die weiter von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die Betreuung des Kindes während ihrer berufsbedingten Abwesenheit zunächst in Höhe von 225,-- EUR monatlich für einen Kindergartenplatz in Hanau bis Juli 2002 und von da ab in Höhe von 173,84 EUR für einen Kita-Platz, hat das Amtsgericht neben der Pauschale von 200,-- EUR unberücksichtigt gelassen. Dies entspricht nicht der (zum 01.07.2001 geänderten) Praxis des Senats. Bis dahin galt allerdings, dass bei Betreuung eines kleinen Kindes trotz vollschichtiger Erwerbstätigkeit (nur) eine Pauschale für vermutete Mehraufwendungen von (damals) 400,-- DM vom Einkommen abzugsfähig war. Nach den geänderten Leitlinien kann nunmehr neben konkret nachgewiesenen Aufwendungen zusätzlich eine Pauschale anrechnungsfrei belassen werden, was auch nicht mehr auf den Fall vollschichtiger Erwerbstätigkeit beschränkt ist. Allerdings ist nunmehr die Pauschale aus einem Regelbetrag zu einem Höchstbetrag geworden, was dazu führt, dass insbesondere bei sehr hohen konkreten Aufwendungen der Höchstsatz der Tabelle nur ausnahmsweise angesetzt werden kann, wenn Anhaltspunkte für weitere Aufwendungen in dieser Größenordnung aufgezeigt werden. Bei einer hier gegebenen ganztätigen Betreuung mit den damit nachgewiesenen abzugsfähigen Kosten erscheint hier die Pauschale in Höhe der Hälfte abzugsfähig, was zu einer Bereinigungsposition von 100,-- EUR monatlich führt.

Nicht abzugsfähig sind die Kosten für eine Lebensversicherung, da der Ehegattenunterhalt nicht dazu dienen soll, dass auf Seiten des Unterhaltsberechtigten vermögensbildende Maßnahmen finanziert werden. Damit sind von dem Einkommen der Klägerin bis Juli 2001 jeweils 651,-- EUR monatlich und von da ab, nach Absenkung der Betreuungskosten bis dahin 225,-- auf 174,-- EUR, noch 600,-- EUR monatlich abzugsfähig.

Dies führt insgesamt zu folgender Unterhaltsberechnung:

Einkommen Mann:

1.Nov. und Dez. 01

4.620,79 DM = 2.605 EUR.

abzüglich UKi tab. 254

2.351 EUR.

2.Januar 2002

4.362,17 EUR.

- 26,59 Vermögensbildung Arbeitgeber

4.335,58

-2.500

1.835,58

254

1.581,58 EUR

3.Feb. bis Juni 02 (arbeitslos)

ALG (unstr) 1.360,22

+ Abfindung (2.500 :12 =) 208,33

1.568,55

UKi 254

1.314,55 EUR

4. laufend ab 7/02

1.236,57 unstr.

- UKi 254

982,57 EUR

Einkommen Frau

1.Nov. und Dez. 01

2.059,32 DM = 1.176,75 EUR.

AbzügeKita 225

Fahrtk. 307

Musikst. 19

Bonus 100

- 651 = 525,75 EUR.

2.1 - 7/02 (unstr.- neue Steuerklasse)

1.560,34 EUR.

abzügl. 651

909,34 EUR

3.ab 8/02 (geringere Kinderbetreungskosten)

1.560,34

Abzüge:Kita 174

Fahrtk.307

Mus. 19

Bonus100

-600= 960,34

Unterhaltsberechnung

1. Nov. bis Dez. 01

Einkommen Mann 2.351 EUR.

Einkommen Frau 525,75

1.825,25

davon 2/5 = (gerundet) 730

abzüglich gezahlt

1.200 DM = 685,71 EUR - 177 UKi 509

221

x 2 = 442 EUR.

2.Jan. 2002

Einkommen Mann1.581,58

Einkommen Frau 909,34

672,24

davon 2/5 = (gerundet) 268

abzüglich gezahlt 77

192 EUR

3. Feb. bis Juni 2002

Einkommen Mann1.314,55

Einkommen Frau 909,34

Differenz 405,21

Davon 2/5 (gerundet) 162

abzüglich gezahlt 77

85

x 5 = 425 EUR

4. Juli 2002

Einkommen Mann 982,57

Einkommen Frau 909,34

73,23

davon 2/5=29,29 EUR

Da der Bekl. für diesen Monat 77 EUR gezahlt hat, verbleibt kein Anspruch

5.ab August 2002

Einkommen Mann 982,57

Einkommen Frau 960,34

22,23

davon 2/5 =8,89 EUR

das liegt unter der Bagatellgrenze

Rückstand insgesamt: 442+192+425=1.059 EUR

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 1956 Kostenverzeichnis zu § 11 Abs. 2 GKG.

Juncker