OLG Frankfurt vom 16.03.2000 (1 WF 52/00)

Stichworte: Zwangsvollstreckung, Einstellung, einstweilige Versäumnisurteil
Normenkette: ZPO 719, 769, 707
Orientierungssatz: Zur Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wenn ein Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Bad Schwalbach vom 01.03.2000 am 16.03.2000 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 2.000,00 DM.

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus einem von ihm erlassenen Versäumnisteilurteil vom 25.10.1999 gegen Sicherheitsleistung des Beklagten in Höhe von 12.000,00 DM einstweilen eingestellt. Gegen diesen ihm am 29.02.2000 zugestellten Beschluß hat der Beklagte am 02.03.2000 Gegenvorstellung, hilfsweise sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er die Einstellung ohne Sicherheitsleistung erstrebt, da das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen sei. Angesichts eines bereits existierenden Titels (mit gerichtlichem Vergleich vom 23.06.1994) fehle es hinsichtlich des überwiegenden Teils der jetzt ausgeurteilten Beträge von Kindesunterhalt am Rechtschutzbedürfnis.

Das Amtsgericht hat der Gegenvorstellung nicht stattgegebenen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde ist nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. FamRZ 1982, 736) statthaft, inhaltlich jedoch beschränkt auf Gesetzesverstöße und Ermessensfehler. Gemessen an diesem Maßstab erweist sich die Beschwerde als nicht begründet.

Es mag dahinstehen, ob das Amtsgericht die Frage, ob das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise (§ 719 Abs. 1 ZPO) ergangen ist, richtig beurteilt hat. In der Tat spricht der mit der Einspruchsbegründung vorgelegte Wortlaut des vorausgegangenen Unterhaltsvergleichs für eine unbefristete Laufzeit jedenfalls bis zur Volljährigkeit der Kinder und läßt wenig Raum für die Auslegung, daß der in Ziffer 2. des Vergleichs geregelte Ausschluß der Abänderungsmöglichkeiten nach § 323 ZPO zugleich eine zeitliche Befristung der Regelung beinhaltet.

Dies mag jedoch auf sich beruhen. Nach dem Wortlaut des § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO folgt aus der genannten Bestimmung lediglich, daß in dem Fall, daß das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist, die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung möglich ist und bedeutet nicht zugleich, daß im anderen Fall automatisch die Einstellung ohne Sicherheitsleistung auszusprechen wäre. Vielmehr greift in diesen Fällen die Verweisung in Abs. 1 Satz 1 auf die Voraussetzungen des § 707 ZPO ein, wonach die Einstellung ohne Sicherheitsleistung erfordert, daß der Schuldner glaubhaft macht, daß er zu der Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO). In dieser Richtung ist nichts vorgetragen, noch ergibt sich ein dahingehender Nachteil aus den Akten. Die vorgetragenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten lassen nicht von sich aus darauf schließen, daß er nicht in der Lage wäre, die geforderte Sicherheit zu erbringen. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Dabei geht der Senat davon aus, daß die Kläger von der Vollstreckungsmöglichkeit aus dem Versäumnisurteil nur insoweit Gebrauch machen werden, als nicht aus dem Vergleich vollstreckt oder freiwillig gezahlt wird, so daß sich die Vollstreckung im Ergebnis nur auf die Spitze bezieht. Anhaltspunkte, daß die Kläger in arglistiger Weise eine Doppelvollstreckung betreiben könnten, sind nicht aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Damit beschränkt sich ein etwaiger Nachteil des Beklagten auf die betragsmäßig geringe Spitze zwischen dem von ihm für richtig gehaltenen und dem titulierten Unterhalt, die wiederum von dem gerügten Verfahrensmangel (fehlendes Rechtsschutzinteresse angesichts des bestehenden Titels) nicht betroffen ist.

Allerdings soll nach verbreiteter Meinung, (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 21. Aufl. § 719 N 2 m.Nachw.) in klaren Fällen schuldloser Säumnis oder des Fehlens von Prozeßvoraussetzungen auch von den Voraussetzungen des § 707 Abs.1 Satz 2 ZPO abgesehen werden können. Aber auch danach gibt es keinen Automatismus in Richtung auf bedingungslose Einstellung, sondern eröffnet lediglich dem Gericht einen weiteren Ermessensspielraum. Ein solch klarer Fall mit einem daraus resultierenden Ermessensfehlgebrauch liegt hier jedoch aus den vorstehend aufgezeigten Gründen, wonach dem Beklagten aus der Doppeltitulierung eine doppelte Inanspruchnahme nicht ernstlich droht, nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert richtet sich nach dem Vollstreckungsinteresse, das der Senat entsprechend ständiger Übung mit einem Prozentsatz, hier angemessenermaßen 1/4, der titulierten Hauptforderung (rund 24.000,00 DM gemäß erstinstanzlicher Wertfestsetzung) bemißt. Von dem danach errechneten Wert von rund 6.000,00 DM war noch ein Abschlag zu machen, da nicht die Vollstreckung als solche, sondern nur deren Modalitäten (mit oder ohne Sicherheitsleistung) Verfahrensgegenstand ist.

Juncker Michalik Noll