OLG Frankfurt vom 22.06.1999 (1 WF 40/99)

Stichworte: Anfechtung der Vaterschaft durch das Kind Anfechtungsfrist
Normenkette: BGB 1596 Abs. 2 a.F., 1600b Abs. 1 n.F.
Orientierungssatz: Mit der Kindschaftsreform zum 1.7.1998 ist das bisher nur für bestimmte Fälle gegebene Anfechtungsrecht des Kindes ( § 1596 BGB a.F.) erweitert und nunmehr nicht mehr von einschränkenden Voraussetzungen abhängig ( § 1600 BGB n.F.)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hanau vom 14.12.1998 am 22. Juni 1999 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Hanau zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht dem Antragsteller für die von ihm eingereichte Klage auf Anfechtung der Vaterschaft die beantragte Prozeßkostenhilfe verweigert, da die Rechtsverfolgung wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nicht hinreichend erfolgversprechend sei. Mit der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter des Klägers am 13.11.1997 sei die Frist des 206 BGB in Lauf gesetzt worden, die vor Einreichung der Klage verstrichen sei.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel hat auch an der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung in die Vorinstanz. Das Amtsgericht darf die Erfolgsaussicht der Klage nicht aus den angegebenen Gründen verneinen.

Mit der Kindschaftsreform zum 1.7.1998 ist das bisher nur für bestimmte Fälle gegebene Anfechtungsrecht des Kindes ( § 1596 BGB a.F.) erweitert und nunmehr nicht mehr von einschränkenden Voraussetzungen abhängig (§ 1600 BGB n.F.). Im übrigen gilt auch für die jetzige erweiterte Anfechtung wie bisher schon die zweijährige Anfechtungsfrist ( §§1596 Abs. 2 BGB a.F., 1600 b Abs. 1 BGB n.F.), so daß die bisher von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über Beginn und Hemmung der Frist weiterhin Anwendung finden.

Danach ist hier die zweijährige Anfechtungsfrist nicht versäumt, da diese Frist erst mit der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Kindesmutter in Lauf gesetzt worden ist. Für die die Frist in Lauf setzende Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft sprechen, kommt es für die Dauer der Minderjährigkeit gemäß 166 Abs. 1 BGB auf diejenige des gesetzlichen Vertreters an. Entscheidend ist hierbei die Kenntnisnahme desjenigen gesetzlichen Vertreters, der auch befugt ist, das Kind in dem Vaterschaftsanfechtungsprozeß rechtswirksam zu vertreten (Palandt-Diederichsen, BGB, 58. Aufl., 600 b Rdnr.8). Dazu war die Mutter vor Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf sie nicht im Stande, da sie das Kind nur zusammen mit ihrem Ehemann, der als Vater galt, vertreten konnte, dieser aber wiederum an der Vertretung des gegen ihn zu führenden Vaterschaftsverfahren ausgeschlossen war (§ 181 BGB). Bis zur Sorgerechtsübertragung auf die Mutter und der damit eröffneten Möglichkeit ihrer alleinigen Vertretung konnte das Kind damit nicht in der erforderlichen qualifizierten Weise rechtlich erheblich Kenntnis von den die Frist eröffnenden Zweifeln an der Vaterschaft erlangen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 1992, 220). Auf die in § 1600 b Abs. 6 in Bezug genommene kürzere Frist des 206 BGB kam es damit hier nicht an. Sie wäre etwa in Lauf gesetzt worden, wenn das Kind in qualifizierter Weise durch einen gesetzlichen Vertreter die Kenntnis erlangt hätte, dann jedoch, etwa durch dessen Wegfall, handlungsunfähig geworden wäre. In diesem Falle hätte sich die damit in Lauf gesetzte Ausschlußfrist bis zum Ablauf der Frist von 6 Monaten nach Beseitigung des Hindernisses verlängert.

Die damit frühestens am 13.11.1997 in Gang gesetzte 2-Jahres-Frist des 1604 Abs. 1 BGB ist damit noch nicht verstrichen.

Auf die Streitfrage, inwieweit eine durch die Kindschaftsreform zum 1.7.1998 erstmals eröffnete Anfechtungsmöglichkeit eine neue Frist in Lauf setzt, kam es damit für das vorliegende Verfahren nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus 127 Abs. 4 ZPO.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker