OLG Frankfurt vom 15.02.2000 (1 WF 274/99)

Stichworte:
Normenkette: ZPO 644 Abs. 1, S. 2 Nr. 2, 648 Abs. 3, 648 Abs. 2, 649, 650
Orientierungssatz: Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht auch nicht entgegen, daß der Vordruck nicht erstinstanzlich binnen der Frist gem. §§ 644 Abs. 1, S. 2 Nr. 2, 648 Abs. 3 ZPO eingereicht worden ist. Die Frist des § 648 Abs. 3 ZPO ist keine Ausschlußfrist, sondern eine Bearbeitungsfrist, vergleichbar der Frist des § 694 Abs. 1 ZPO im Mahnverfahren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht Hanau - vom 22.7.1999 am 15.02.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 8.624,-- DM.

G R Ü N D E

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin - dem Antragsgegner im vereinfachten Verfahren (§§ 645 f. ZPO) aufgegeben, an den Antragsteller ab 1.1.1999 100 % des Regelbetrages abzüglich hälftiges staatliches Kindergeld (in angegebener Höhe von 250,-- DM monatlich) und für die Zeit vom 1.3.1998 bis 31.12.1998 monatlich 392,-- DM (unter Berücksichtigung des hälftigen staatlichen Kindergeldes für die Zeit bis dahin) zu zahlen. Dem Antragsgegner war zuvor der ausgefüllte Antragsvordruck mit Belehrung am 7.6.1999 zugestellt worden; er hat sich bis zum Erlaß des Beschlusses nicht gemeldet.

Gegen diesen ihm am 2.9.1999 zugestellten Beschluß hat der Antragsgegner am 15.9.1999 Beschwerde eingelegt und in der Folgezeit den ausgefüllten, ihm vom Amtsgericht übersandten Vordruck zur Akte gereicht. Zur Begründung für die verspätete Vorlage hat er vorgetragen, daß offenbar versehentlich durch ein Büroversehen seines Prozeßbevollmächtigten der Vordruck zusammen mit anderen von ihm ausgefüllten Vorgängen an eine andere Stelle (Beratungshilfe) gesandt worden und von ihm erst zurückgefordert worden sei.

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 652 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie entspricht auch, nachdem inzwischen der ausgefüllte Vordruck zur Akte gereicht worden ist, den weiteren Zulässigkeitserfordernissen gem. § 652 Abs. 2 ZPO.

Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht auch nicht entgegen, daß der Vordruck nicht erstinstanzlich binnen der Frist gem. §§ 644 Abs. 1, S. 2 Nr. 2, 648 Abs. 3 ZPO eingereicht worden ist. Die Frist des § 648 Abs. 3 ZPO ist keine Ausschlußfrist, sondern eine Bearbeitungsfrist, vergleichbar der Frist des § 694 Abs. 1 ZPO im Mahnverfahren. Dies folgt aus § 652 Abs. 2 ZPO, wonach "die in § 648 Abs. 1 bezeichneten Einwendungen" geltend gemacht werden können, was bei natürlicher Betrachtung voraussetzt, daß sie erstmals auch eingereicht werden können. Soweit für die hier gegenständlichen Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO nur die Zulässigkeit solcher Einwendungen geltend gemacht werden kann, bedeutet dies nicht, daß damit nur der Inhalt erstinstanzlich vorgelegter Unterlagen auf ihre Zulässigkeit überprüft werden kann. Mit dieser Bestimmung ist vielmehr klargestellt, daß der Prüfungsmaßstab im Verfahren der sofortigen Beschwerde kein anderer sein kann als der in § 648 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 649 und 650 ZPO, wonach die dort aufgeführten Einwendungen nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen sind. Dementsprechend decken sich die zugelassenen Beschwerdegründe mit den nach § 648 ZPO möglichen Einwendungen, wobei es nicht darauf ankommt, daß solche in erster Instanz erhoben worden sind (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 653 Rdnr. 3). Insbesondere ist § 570 ZPO in diesem Verfahren nicht ausgeschlossen.

Die damit zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses. Dieser kann keinen Bestand haben, nachdem der Antragsgegner nunmehr einen vollständig ausgefüllten Vordruck eingereicht hat. Zwar fehlt die als Anlage aufgeführte Bestätigung über die Höhe der von ihm bezogenen Arbeitslosenhilfe. Diese Bescheinigung ist jedoch bereits vorab vom Antragsgegner (mit Schriftsatz vom 9.9.1999, Bl. 16 d.A.) zur Akte gereicht worden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat gem. § 97 Abs. 2 ZPO der Antragsgegner zu tragen, da der Erfolg der Beschwerde auf den von ihm verspätet vorgelegten Unterlagen beruht (vgl. Zöller a.a.O.). Die Gründe, die dazu geführt haben, daß der Vordruck nicht rechtzeitig zum Amtsgericht eingereicht worden sind und deshalb zum Erlaß des Festsetzungsbescheides geführt haben, liegen in seinem Organisationsbereich und sind deshalb von ihm zu vertreten.

Mit dem angefochtenen Festsetzungsbeschluß ist auch die darin enthaltene Kostenentscheidung aufzuheben. Eine Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz ist im derzeitigen Sachstand nicht veranlaßt. Mit der Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses ist das Verfahren in den Stand des § 650 ZPO versetzt worden. Über die Kosten wird nach Fortgang des Verfahrens gem. § 651 ZPO zu befinden sein. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 17 Abs. 1 und 4 GKG.

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Dr. EschweilerJuncker (zugleich für die im Urlaub befindliche Richterin am OLG Michalik)