OLG Frankfurt vom 10.12.1998 (1 WF 263/98)

Stichworte: Scheinehe, mutwillig, PKH, Rücklage
Normenkette: ZPO 114, 115
Orientierungssatz: Prozeßkostenhilfe zur Scheidung einer Scheinehe

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgericht in Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen d des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 11.11.1998 am 10.12.1998 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. R. u. Koll. Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Gründe:

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin die begehrte Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Scheidungsverfahren verweigert. Wie sie selbst einräume, habe sie nur eine Scheinehe geschlossen, um dem Antragsgegner eine Aufenthaltserlaubnis zu verschaffen. Die Allgemeinheit könne nicht mit Kosten belastet werden, weil das Vorgehen der Antragstellerin mutwillig i.S. des § 114 ZPO sei. Schließlich könne sie die Kosten des Scheidungsverfahrens gegebenenfalls von dem Betrag bestreiten, den ihr der Antragsgegner für die Eingehung der Scheinehe bezahlt habe.

Die gegen die Entscheidung gerichtete Beschwerde ist gem. 127 Abs. 2 ZPO zulässig und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Senat kann aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht unterstellen, die Antragstellerin habe anläßlich der Eheschließung von dem Antragsgegner eine Zahlung erhalten, aus denen sie eine Rücklage für die Scheidungskosten hätte bilden können (vgl. dazu OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 1502). Er kann auch angesichts der Rechtsprechung des BVerfG (FamRZ 84, 1205) nicht (mehr) an der früheren Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main festhalten (etwa Beschluß vom 30.07.1985, 1 WF 178/85), wonach die rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe mit einem rechtsmißbräuchlichen Scheidungsbegehren gleichgesetzt wird (ebenso Zöller/Philippi, ZPO, 19. Auflage, § 114, Rn. 45). Er folgt der Rechtsprechung des 4. Senats des OLG Frankfurt am Main (Beschluß vom 06.05.1993, 4 WF 161/92) und bezieht sich auf folgende Ausführungen dieser Entscheidung:

"Der Senat teilt aber die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.0.), daß die bedürftige Partei nicht deshalb an einer Scheinehe festgehalten werden darf, weil die Eingehung einer Scheinehe rechtsmißbräuchlich gewesen ist. Zum einen ist auch die sogenannte Scheinehe eine wirksame Eheschließung mit allen rechtlichen Konsequenzen, zum anderen wäre die bedürftige Partei bei Annahme der Mißbräuchlichkeit oder Mutwilligkeit der Inanspruchnahme von Prozeßkostenhilfe für die Scheidung einer Scheinehe schlechter gestellt als die nichtbedürftige und darin läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit. Wenn die staatliche Rechtsordnung die Aufhebung einer Scheinehe trotz deren Mißbilligung von der Durchführung eines kostenverursachenden Verfahrens abhängig macht, sind einer bedürftigen Partei grundsätzlich die dafür erforderlichen Mittel zu bewilligen, falls die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für diese Bewilligung vorliegen."

Dr. Eschweiler Michalik Carl