OLG Frankfurt vom 04.04.2002 (1 WF 260/01)

Stichworte: Gütertrennung, Sittenwidrigkeit
Normenkette: BGB 134, 242, 1408
Orientierungssatz: Zur (hier verneinten) Sittenwidrigkeit einer notariell vereinbarten Gütertrennung vor Eheschließung unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des BVerfG.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache ./.

hat der 1. Senat für Familiensachen am Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dillenburg vom 27.07.2001 am 2. April 2002 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Parteien waren miteinander verheiratet. Ihre am .. geschlossene Ehe ist auf den am .. zugestellten Antrag mit Urteil des Familiengerichts Dillenburg vom , rechtskräftig seit... , geschieden. Aus ihrer Ehe stammt ein Kind, die am... geborene Tochter , die sich inzwischen in der Obhut des Beklagten befindet. Während der Ehe war die Klägerin überwiegend nicht erwerbstätig und versorgte das gemeinsame Kind, während der Beklagte durchgehend erwerbstätig war.

Vor der Eheschließung hatten die Parteien am... durch notariellen Vertrag den Güterstand der Gütertrennung gewählt. Hinsichtlich Unterhalt und Versorgungsausgleich sollte es bei der gesetzlichen Regelung verbleiben. Zugleich war bedungen, dass der Beklagte im Falle des Scheiterns der Ehe die Klägerin von der Rückzahlung eines von ihr aufgenommenen Darlehens über damals freistellen werde. Dieses Darlehen war, wie in der Urkunde festgehalten, zum Ausbau eines Hauses auf einem im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstückes aufgenommen worden.

Mit der Klage erstrebt die Klägerin Auskunftserteilung über das Endvermögen des Beklagten zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages vom zur Vorbereitung der Durchsetzung eines von ihr beanspruchten Zugewinnanspruches. Sie hält den notariellen Güterstandsvertrag im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für unwirksam und beruft sich hierzu auch auf eine von ihr mit Schriftsatz vom 13.02.2001 erklärte Anfechtung dieses Vertrags wegen Irrtums und arglistiger Täuschung.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht der Klägerin die beantragte Prozesskostenhilfe für ihre Klage mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert. Der notarielle Güterrechtsvertrag, der derartige Ansprüche ausschließe, sei wirksam, die erklärte Anfechtung unbegründet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen an ihrer erstinstanzlichen Rechtsauffassung festhält. Sie sei seinerzeit vor der Eheschließung veranlasst worden, mit dem Beklagten zum Notar zu gehen, ohne dass ihr zuvor der Zweck dieses Besuches erklärt worden sei. Auch der Notar habe sie nicht eingehend über die Rechtsfolgen der Vereinbarung belehrt. Es handele sich bei dem beurkundenden Notar um den langjährigen Hausnotar der Familie des Beklagten, der deshalb in erster Linie dessen Interessen verpflichtet sei. Während sie selbst während der Ehe knapp gehalten worden sei, seien die finanziellen Mittel der Familie überwiegend in den Ausbau des im Eigentum des Beklagten stehenden Hauses gesteckt worden, dessen Wertsteigerung ihr damit vorenthalten worden sei. Ziel des Vertrages sei von Anfang an ihre rechtliche Benachteiligung gewesen, nämlich um sie um die Früchte des gemeinsamen Vermögenserwerbs zu bringen.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Erfolgsaussicht steht, wie das Amtsgericht mit Recht entschieden hat, der wirksame notarielle Güterrechtsvertrag entgegen. Der Vertrag ist wirksam zustande gekommen. Der Umstand, dass sie bei Vertragsschluss im 6. Monat schwanger war, beeinträchtigt ihre Geschäftsfähigkeit nicht. Darauf beruft sie sich auch nicht. Der behaupteten mangelnden Belehrung durch den Notar steht der Wortlaut der Urkunde entgegen, wonach, von ihrer Unterschrift mitgetragen, die Vertragsschließenden 'über die rechtliche Bedeutung ... durch den amtierenden Notar eingehend belehrt worden' sind. Im übrigen ist die Belehrung über Tragweite der getroffenen Vereinbarung durch den Notar auch kein Wirksamkeitserfordernis.

Die erklärte Anfechtung seitens der Klägerin greift nicht durch. Ihre Behauptung, sie habe Inhalt und Tragweite der Regelung nicht erfasst, begründet keine Anfechtung wegen Irrtums. Nicht eine fehlende, sondern nur eine falsche Vorstellung über den Inhalt der Willenserklärung berechtigt eine darauf gestützte Anfechtung wegen Irrtums. Dass die Klägerin etwa eine von dem objektiven Erklärungswert abweichende konkrete Vorstellung über den Inhalt des von ihr mit unterzeichneten Vertrages gehabt haben könnte, ist von ihr nicht vorgetragen und nach den Umständen auch nicht ersichtlich. Die Vertragsurkunde enthält nur 2 Seiten Inhalt und ist von daher leicht verständlich. Was eine Gütertrennung ist, ist allgemein und somit auch der Klägerin bekannt. Der weitere Regelungskomplex betrifft die vereinbarte Freistellung betreffend das bereits vorher von der Klägerin im wirtschaftlichen Interesse des Beklagten aufgenommene Darlehen.

Mangels einer konkreten Fehlvorstellung greift auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht durch.

Letztlich erweist sich der Vertrag auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betreffend Inhaltskontrolle von Eheverträgen nicht als sittenwidrig (§ 138 BGB). Die beiden hierzu ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (vom 06.02.2001, FamRZ 01, 343 mit Anmerkung Schwab Seite 349 f. und vom 29.03.2001, FamRZ 2001, 985) betrafen Fallgestaltungen, in denen die Ehefrau vor Eheschließung auf entsprechenden Druck des anderen Teils jeweils auf nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich verzichtet hatte, in der ersten Entscheidung zusätzlich noch den späteren Ehemann zu wesentlichen Teilen von Unterhaltsansprüchen des gemeinsamen Kindes freigestellt hatte. In beiden Entscheidungen hatte das Bundesverfassungsgericht sowohl hinsichtlich des Zustandekommens des Vertrages ein Ungleichgewicht der vertragsschließenden Parteien (die an der Eheschließung auch mit Blick auf die Interessen des Kindes interessierte Frau gegenüber dem wirtschaftlich überlegenen Mann) als auch eine inhaltliche Unbilligkeit mit Blick auf den Verzicht auf alle Rechte aus der Ehe festgestellt. Die (auch hier gegebene) besondere Situation der schwangeren Frau vor beabsichtigter Eheschließung als Position wirtschaftlicher Unterlegenheit eröffnete danach den Weg einer stärkeren richterlichen Inhaltskontrolle des Ehevertrages, wobei der in beiden Fällen gegebene Totalverzicht auf alle Rechte nur selten dieser Kontrolle standhalten würde.

Gemessen an diesem Maßstab wird die Vereinbarung der Gütertrennung vor Eheschließung allein unter Beibehaltung der gesetzlichen Rechtspositionen im übrigen kaum jemals unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit zu beanstanden sein. Der Güterstand der Gütertrennung ist einer der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Güterstände, die untereinander jeweils wertneutral zur Disposition der Ehegatten stehen. Dies ist bei Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt, deren Regelungsgehalt normtypisch die Ausgestaltung der gesetzlichen Ansprüche, und nur ausnahmsweise, im Extremfall, den Ausschluss jeglichen Anspruches beinhaltet, von vornherein anders. Die Vereinbarung der Gütertrennung wird deshalb aus inhaltlicher Sicht in der Regel nur dann beanstandet werden können, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte im Laufe der Ehe veranlasst wird, ohne Gegenleistung und ohne Absicherung im übrigen auf bereits erhobene Rechte zu verzichten. Im übrigen ist die durch die gesetzliche Zugewinnausgleichsgemeinschaft eröffnende Rechtsposition, an dem künftigen Vermögenserwerb des anderen Ehegatten zu partizipieren, von vornherein nicht in gleicher Weise schutzwürdig wie das elementare Recht auf Unterhalt bei gegebener Bedürftigkeit und auf einen Anteil an der eigenen Altersversorgung durch den Versorgungsausgleich.

Vorliegend sind auch durchaus sachliche Gründe für die Vereinbarung der Gütertrennung ersichtlich. Wie unstreitig und aus dem Vertrag auch ersichtlich, war der Beklagte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Eigentümer eines bebauten Hausgrundstückes, das insoweit danach zu seinem Anfangsvermögen gehört. Die Vereinbarung ist hier auch nicht nur einseitig zum Nachteil der Klägerin ausgestaltet, wie bereits daraus ersichtlich ist, dass dafür Sorge getragen worden ist, dass im Fall des Scheiterns der Ehe sie von Verpflichtungen aus dem von ihr zu Gunsten des Ausbaues dieses Hauses aufgenommenen Kredit freigestellt wurde. Ihre elementaren Lebensbedürfnisse für die Zeit der Kindesbetreuung und die dadurch bedingte Verhinderung einer Aufnahme der Erwerbstätigkeit waren durch den Familienunterhalt und auch für den Fall des Scheiterns der Ehe durch den nicht ausgeschlossenen nachehelichen Unterhalt hinreichend abgesichert. Sofern, wie sie behauptet, der Beklagte sie während der Ehe zu Gunsten der Vermögensmehrung mit Haushaltsmitteln knapp gehalten hat, gar unter Verletzung seiner Verpflichtung zur Leistung angemessener Beiträge zum Familienunterhalt (§ 1360 BGB), wirkt diese Situation nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der notariellen Vereinbarung zurück. Es ist nicht vorgetragen und nach Lage der Dinge auch fernliegend, dass etwa bereits bei Abschluss der notariellen Vereinbarung der Beklagte die Absicht gehabt hätte, unter Verletzung seiner gesetzlichen Pflicht gemäß § 1360 BGB die Erträgnisse seiner Erwerbstätigkeit überwiegend in den Ausbau des durch die Gütertrennung nur ihm zufließenden Vermögens zu stecken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.