OLG Frankfurt vom 29.06.2000 (1 WF 26/00)

Stichworte: Beschwerderecht, Jugendlicher.
Normenkette: FGG 59
Orientierungssatz: Der über 14-jährige Jugendliche kann das Beschwerderecht selbst ausüben (§ 59 FGG). Er ist auch gegen die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Ablehnung seiner Anregung, seinen sorgeberechtigten Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, beschwerdebefugt (vgl. BayObLG, FamRZ 1997, 954)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend die Regelung der elterlichen Sorge für X., geb. am 10.12.1983,

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Minderjährigen gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß-Gerau vom 03.01.2000 am 29.06.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht wird vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache dem Kreisjugendamt Groß-Gerau als Pfleger übertragen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

X. ist -wie sein Vater und die in Ghana lebende Mutter- ghanaischer Staatsangehöriger. Mit Schreiben vom 21.12.1999, gerichtet an das Amtsgericht Groß-Gerau und dort am folgenden Tage eingegangen, hat er beantragt, seinem Vater das Sorgerecht zu entziehen, da er von ihm misshandelt werde. Mit Beschluss vom 22.12.1999 hat das Amtsgericht im Wege vorläufiger Anordnung das Kreisjugendamt Groß-Gerau zum Aufenthaltspfleger bestellt, den Vater von dem Verfahren unterrichtet und das Jugendamt um einen Bericht gebeten. Dieses hat mit einem ausführlichen Bericht vom 28.12. eine Gefährdung des Jugendlichen verneint und vorgeschlagen das Aufenthaltsbestimmungsrecht wieder auf den Vater zurück zu übertragen. Dem hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf diesen Bericht mit dem angefochtenen Beschluss entsprochen.

Gegen diesen Beschluss hat der Minderjährige selbst Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 06.03.2000 nicht abgeholfen hat. Das Jugend-amt unterstützt inzwischen den Antrag des Minderjährigen und beantragt seinerseits die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, welchem Ansuchen. der Vater entgegentritt.

X. befindet sich inzwischen in einer Einrichtung des Jugendamts.

Die Beschwerde ist gemäß § 19 FGG zulässig. Der über 14-jährige Jugendliche kann das Beschwerderecht selbst ausüben (§ 59 FGG). Er ist auch gegen die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Ablehnung seiner Anregung, seinen sorgeberechtigten Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, beschwerdebefugt (vgl. BayObLG, FamRZ 1997, 954). Unabhängig hiervon ist das in jedem Fall beschwerdebefugte Jugendamt inzwischen dem Rechtsmittel inhaltlich beigetreten.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt inhaltlich zur Wiederherstellung der zunächst ergangenen vorläufigen Anordnung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 03.01.2000. Leitend hierfür war die Erwägung, dass der tiefgreifende Konflikt zwischen dem Vater und dem Jugendlichen über dessen weitere Perspektive, nämlich Rückkehr mit dem Vater nach Ghana oder Verbleib in Deutschland, nicht im Wege der Eilmaßnahme vorab entschieden werden kann. Nach den Feststellungen des Jugendamts und den schriftlichen Eingaben des Vaters zeichnet sich ab, dass der Vater seinen berufsbedingten Aufenthalt in Deutschland beenden, nach Ghana zurückkehren und hierbei seinen Sohn mitnehmen möchte. Dieser wiedersetzt sich diesem Wunsch und möchte weiterhin in Deutschland bleiben. Ob dies überhaupt möglich ist und welche im Rahmen des möglichen die bessere Perspektive für X. ist, bedarf weiterer Feststellung. Insoweit hat noch nicht einmal eine persönliche Anhörung der Beteiligten durch das Amtsgericht stattgefunden. Bis zur Entscheidung der Sache nach erforderlicher Aufklärung hält es der Senat für angezeigt, dass der Jugendliche nicht gegen seinen Willen zum Vater zurückgebracht wird, sondern zunächst in der Einrichtung des Jugendamts verbleibt. Ein Präjudiz für die vom Amtsgericht zu treffende Entscheidung in der Hauptsache ist mit dieser nur der vorläufigen Befriedung dienenden Maßnahme nicht verbunden.

Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker