OLG Frankfurt vom 09.04.2001 (1 WF 22/01)

Stichworte: PKH, Kindesvermögen, Nachzahlungsanordnung
Normenkette: ZPO 120 Abs. 4
Orientierungssatz: Die Kläger müssen ihr Vermögen auch im Rahmen der Zumutbarkeit (§ 115 Abs. 2 ZPO) für Prozeßkosten verwenden. Der Umstand, daß im Rahmen des materiellen Unterhaltsrechts die Kinder den Stamm ihres Vermögens nur ausnahmsweise für Unterhaltszwecke einsetzen müssen (wenn den unterhaltspflichtigen Eltern danach nicht mehr der angemessene Selbstbehalt verbliebe, § 1603 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB), ist im Verhältnis zur Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht anwendbar; insoweit geht die genannte Regelung des § 115 Abs. 2 ZPO vor. Auch ein geschiedener oder getrennt lebender Ehegatte ist nicht in jedem Falle gehalten, im Verhältnis zu dem Unterhaltspflichtigen den Stamm seines Vermögens zu verwerten; im Verhältnis zur Staatskasse gilt dies nicht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht - Groß Gerau vom 10.1.2001 am 9.4.2001 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Den Klägern ist in dem - inzwischen mit Urteil vom 4.4.2000, rechtskräftig seit 16.5.2000, beendeten - Rechtsstreit ratenfrei Prozeßkostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung bewilligt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin - die Nachzahlung der Prozeßkosten (insgesamt 1.058,80 DM, davon 788,80 DM Anwaltskosten) aus dem Vermögen bis zum 31.1.2002 angeordnet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, da das Vermögen zugleich

- ausweislich des instanzbeendenden Urteils - mit seinen Erträgnissen zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt sei, und damit nicht seiner Substanz nach für Prozeßkosten eingesetzt werden könne.

Die Beschwerde, der die Rechtspflegerin (mit Verfügung vom 26.1.2001) nicht abgeholfen hat, ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Amtsgericht gem. § 120 Abs. 4 ZPO die Nachzahlung angeordnet, nachdem sich im Laufe des Rechtsstreits durch Vermögenszufluß die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger geändert haben. Ausweislich der Gründe des Urteils sind rund je 45.000,-- DM in der Form in das Vermögen der Kläger übergegangen, als zunächst auf íhre Namen angelegte Beträge durch eine dahingehende Vereinbarung der sorgeberechtigten Eltern ihnen unwiderruflich zugewachsen sind. Da beide Eltern die gemeinsame Sorge haben, obliegt ihnen auch gemeinsam die Verwaltung. Da diese Vorgänge nach der ursprünglichen PKH-Bewilligung liegen, handelt es sich um eine wesentliche Änderung der Vermögensverhältnisse i.S. der Bestimmung des § 120 Abs. 4 ZPO, die eine Änderung der Zahlungsbestimmung rechtfertigt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger kommt es für die Bewertung der Kostenarmut auch nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der - vermögenslosen - betreuenden Mutter an. Maßgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des am Rechtsstreit beteiligenden Kindes, wozu allerdings gegebenenfalls ein Prozeßkostenvorschuß gegen die Eltern gehört. Inwieweit dies in der Person des Mitsorgeberechtigten der Beklagten der Fall war, kann dahinstehen, da sich insoweit keine Änderung ergeben hat, die eine nachträgliche Maßnahme nach § 120 Abs. 4 ZPO rechtfertigen könnte.

Die Kläger müssen ihr Vermögen auch im Rahmen der Zumutbarkeit (§ 115 Abs. 2 ZPO) für Prozeßkosten verwenden. Der Umstand, daß im Rahmen des materiellen Unterhaltsrechts die Kinder den Stamm ihres Vermögens nur ausnahmsweise für Unterhaltszwecke einsetzen müssen (wenn den unterhaltspflichtigen Eltern danach nicht mehr der angemessene Selbstbehalt verbliebe, § 1603 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB), ist im Verhältnis zur Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht anwendbar; insoweit geht die genannte Regelung des § 115 Abs. 2 ZPO vor. Auch ein geschiedener oder getrennt lebender Ehegatte ist nicht in jedem Falle gehalten, im Verhältnis zu dem Unterhaltspflichtigen den Stamm seines Vermögens zu verwerten; im Verhältnis zur Staatskasse gilt dies nicht.

Im Ansatz zutreffend ist allerdings der Einwand der Beschwerdeführer, daß Vermögen, dessen Erträgnisse zum Lebensunterhalt verwendet werden (müssen), nicht der Substanz nach für Prozeßkostenhilfe verfügbar sind; eine solche Heranziehung wäre in der Tat unzumutbar i.S. des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Dies trifft hier jedoch im Ergebnis nicht zu. Die Kläger verfügen über ein Vermögen in der Größenordnung von je 45.000,-- DM, wovon ihnen zuletzt ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils rund 2.428,-- DM entsprechend rund 202,-- DM monatlich an Erträgen zugeflossen sind. Den Unterhaltsbedarf hat das Gericht in dem rechtskräftig gewordenen Urteil mit der Einkommensgruppe 5 Altersstufe 3 entnommen und hieraus einen Zahlbetrag (unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes) in Höhe von zuletzt

518,-- DM angesetzt. Hieran ist inzwischen eine Änderung eingetreten, als ab 1.1.2001 die volle Kindergeldanrechnung erst ab Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle möglich ist, woraus sich auch aus dem Unterhaltsbedarf einer der unteren Gruppen jeweils ein Zahlbetrag von 554,-- DM monatlich ergibt. Hiervon sind je 400,-- DM durch titulierte laufende Unterhaltsleistung des Beklagten abgedeckt, so daß aus dem Vermögen noch ein Restbetrag von 154,-- DM bestritten werden muß.

Es ist mit der Beschwerde nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß aus dem Vermögen nicht die Abzweigung eines Teilbetrages in Höhe der Kosten von etwas über 1.000,-- DM, selbst unter Hinzurechnung des Kostenerstattungsbetrages an den Gegner (in festgesetzter Höhe von 928,-- DM, zusammen also rund 2.000,-- DM für beide Kläger, wovon also ein Betrag von rund 1.000,-- DM auf jeden der beiden Kläger entfällt) möglich sein sollte, ohne den notwendigen Bedarf der Kläger in Höhe von, wie dargestellt, rund 154,-- DM je Kind zu gefährden.

Mangels entgegenstehendem Vorbringen geht der Senat auch davon aus, daß eine entsprechende Umschichtung innerhalb der geräumig zugebilligten Zeit bis Januar 2002 möglich ist, ohne daß dies zu - unwirtschaftlichen, und damit unzumutbaren - Vermögensverlusten in der Substanz führt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Vermögen im wesentlichen um Geldvermögen in Form von Wertpapieren und vergleichbaren Anlagen handelt, die verhältnismäßig leicht ohne Substanzverlust umgeschichtet werden können.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker