OLG Frankfurt vom 21.02.2000 (1 WF 219/99)

Stichworte: Marokko, Scheidungsurteil, Anerkennungsfähigkeit, ordre public
Normenkette: Artikel 53 und 57 des marokkanischen CSPS in der Fassung vom 10. 09. 1993 (abgedruckt bei Bergmann-Ferid "Marokko" S. 29, 30
Orientierungssatz: Zur Anerkennungsfähigkeit eines in Deutschland ergangenen Scheidungsurteils in Marokko

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 14. 06. 1999 am 21. 2. 2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht der Antragstellerin die beantragte Prozeßkostenhilfe für ein von ihr eingeleitetes Scheidungsverfahren verweigert, da mangels Anerkennungsfähigkeit eines deutschen Scheidungsurteils der Antrag nicht hinreichend erfolgversprechend sei.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts, wonach eine Scheidung vor einem deutschen Gericht nicht ausgesprochen werden kann, wenn nur ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und die Entscheidung in dem (hier gemeinsamen) Heimatstaat offensichtlich nicht anerkannt wird. Das Amtsgericht hat es unter Angabe verschiedener Literaturstellen als "weitgehend unstreitig" bezeichnet, daß ein deutsches Scheidungsurteil von den marokkanischen Behörden nicht anerkannt werde. Diese Rechtsauffassung wird vom Senat nicht geteilt. Danach ist es durchaus offen, ob marokkanische Behörden ein Scheidungsurteil in einer Konstellation wie hier anerkennen werden. In der zitierten Kommentarstelle von Baumbach/Albers wird zum Länderteil Marokko (Anhang II Rdnr. 11) zur Anerkennungsfähigkeit ausgeführt "wohl nein, wenn die Ehe nach marokkanischem Recht geschlossen worden ist". Begründet wird diese Auffassung nicht; es ist auch nicht ersichtlich, ob und inwieweit sie sich auf irgendwelches Erfahrungsmaterial stützt. Aus den verfügbaren Texten folgt dies nämlich nicht. Nach dem verschiedentlich zitierten marokkanischen Verfahrensrecht erfolgt eine Nachprüfung ausländischer Urteile, die weitgehend den Regeln für eine Erstklage folgen. Wenn also das ausländische Gericht nach dem marokkanischen Rechtsverständnis zuständig ist und das marokkanische Sachrecht richtig anwendet, kann mit einer Anerkennungsfähigkeit gerechnet werden (so die ausführlichste Kommentierung von Spellenberg in Staudinger, BGB, §§ 606 ff. ZPO Anm. 321 "Marokko"). Die Frage, ob für die internationale Zuständigkeit das entscheidende Gericht auch nach den Vorschriften für die örtliche Zuständigkeit nach marokkanischem Recht zuständig gewesen sein müßte, wird als noch ungeklärt bezeichnet. Soweit die in dem angefochtenen Beschluß zitierte Kommentarstelle von Stein-Jonas-Schlosser, 1993, § 606 a ZPO, Rdziffer 20, es als nicht ausreichend für die Anerkennungsfähigkeit bezeichnet, wenn nur der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Urteilsstaat hat, ist nicht auszuschließen, daß damit die Fallkonstellation gemeint ist, daß der andere Ehegatte in Marokko aufenthältlich ist. Soweit verschiedentlich (z.B. Johannsen-Henrich, Eherecht, 3. Aufl., § 606 a ZPO Rdnr. 36) als Anerkennungshindernis aufgeführt ist, daß nicht das islamische Recht angewandt worden ist, wäre dies hier nicht einschlägig, da der Antrag auf das marokkanische Sachrecht und damit auf islamisches Recht gestützt ist. Gemeint sind hier wohl die Fälle, in denen das marokkanische Recht die Verstoßung vorsieht und dies von dem Gericht des Entscheidungsstaats als dem eigenen ordre public widersprechend nicht angewandt worden ist.

Nach alledem kann - jedenfalls nach dem hier anzuwendenden Maßstab im summarischen Verfahren - nicht als gesichert gelten, daß eine von einem deutschen Gericht ausgesprochene Ehescheidung in Marokko nicht anerkannt würde.

Das Amtsgericht hat, von seinem Rechtsverständnis her folgerichtig, noch nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für die in Anspruch genommenen Artikel 53 und 57 des marokkanischen CSPS in der Fassung vom 10. 09. 1993 (abgedruckt bei Bergmann-Ferid "Marokko" S. 29, 30) hinreichend vorgetragen sind. Diese Prüfung überläßt der Senat aus Zweckmäßigkeitsgründen dem Amtsgericht (§ 575 ZPO).

Das Verfahren der erfolgreichen Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 128 Abs. 4 ZPO.

Dr. Eschweiler Noll Juncker