OLG Frankfurt vom 15.11.1999 (1 WF 211/99)

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussicht, Rechtsverfolgung Zugewinn, Verjährung, Verjährungseinwand Teilklage, unzulässige Streitgegenstand, unteilbarer
Normenkette:
Orientierungssatz: Zur Frage der Erfolgsaussicht der Zugewinnklage, wenn der Einwand der Verjährung in Frage steht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Rüsselsheim vom 06.08.1997 am 15.11.1999 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

Die Parteien haben am 19.10.1968 die Ehe geschlossen; der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 11.12.1985 zugestellt worden. Im Laufe dieses Verfahrens hat die Antragstellerin im Wege der Stufenklage Zugewinnausgleich geltend gemacht; die zunächst unbezifferte Leistungsklage hat sie mit Schriftsatz vom 27.10.1989 mit 200.000,-- DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtskraft beziffert. In dem Schriftsatz errechnet sie sich unter Einbeziehung des Wertzuwachses einer Erbschaft des Antragsgegners im Libanon aus dem Jahre 1978 einen Ausgleichsanspruch von über 1,2 Millionen DM; der geforderte Betrag von 200.000,--DM erscheine jedoch auch unter Berücksichtigung von "Bewertungsschwierigkeiten" im übrigen nicht als "unrealistisch". In dieser Höhe ist ihr durch Beschluß vom 22.02.1990 unter Beiordnung ihres damaligen Bevollmächtigten (letzteres geändert mit Beschluß vom 09.09.1993, nämlich Beiordnung ihres jetzigen Bevollmächtigten) Prozeßkostenhilfe bewilligt worden. Der Antragsgegner hat wegen der errechneten höheren Ausgleichsforderung Erhebung einer negativen Feststellungs-Widerklage angekündigt, wozu es jedoch in der Folgezeit ankündigungsgemäß nach Verweigerung der Prozeßkostenhilfe hierfür (mangels Kostenarmut) mit Beschluß vom 22.02.1990 nicht gekommen ist.

Mit am 22.02.1990 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht die Ehe geschieden, die Folgesachen Versorgungsausgleich, elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt geregelt und mit am selben Tage verkündetem Beschluß die Folgesache Zugewinnausgleich abgetrennt. Der nichtangefochtene Scheidungsausspruch ist seit 13.07.1990 rechtskräftig. Wegen der Folgesachen Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt hat die Antragstellerin Berufung eingelegt, die sie jedoch am 26.02.1991 zurückgenommen hat.

Betreffend Zugewinn haben die Parteien außergerichtlich am 02.03.1991 eine Teileinigung geschlossen, wonach der Antragsgegner an die Antragstellerin unter Anrechnung auf ihren Ausgleichsanspruch 60.000,-- DM, zu zahlen in vierteljährlichen Raten von 5.000 DM ab 31.03.1991, zahlen sollte. Im Falle einer außergerichtlichen Einigung über den Zugewinnausgleichsanspruch sollten weitere 60.000,-- DM im Anschluß hieran in den selben Raten zu zahlen sein, während er sich für den Fall, daß keine außergerichtliche Einigung erzielt werde,die Rückforderung etwa überzahlter Beträge vorbehielt.

Im übrigen ist die Folgesache Zugewinn nach Aktenrückkehr vom Oberlandesgericht zunächst nicht weiter betrieben worden.

Mit Schriftsatz vom 20.05.1997, beim Amtsgericht eingegangen am 30.05.1997 und in der Folgezeit nicht förmlich zugestellt, hat die Antragstellerin ihre Klage auf Zugewinnausgleich auf insgesamt 632.295,-- DM nebst Zinsen unter Abzug bereits erhaltener Beträge erweitert und hierfür um Prozeßkostenhilfe gebeten. Der Antragsgegner hat die Höhe des Ausgleichsanspruchs bestritten und für den Fall der Rechtshängigkeit der Klageerweiterung die Einrede der Verjährung angekündigt.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht die Prozeßkostenhilfe verweigert, da das Vorgehen der Antragstellerin mutwillig sei. Sie sei nämlich gehalten gewesen, die ihr zugeflossenen 60.000,-- DM aus der Teileinigung zur Finanzierung ihrer weitergehenden Ansprüche zurückzulegen.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 17.11.1997 Beschwerde eingelegt und die Nachreichung einer Begründung angekündigt. Nach dem eine solche in der Folgezeit nicht eingegangen ist, hat das Amtsgericht nach Ablauf von 6 Monaten die Wegglegung der Akten verfügt.

Mit Schriftsatz vom 02.06.1999 hat die Antragstellerin die Beschwerde damit begründet, daß sie, wie von ihr im einzelnen unter Vorlage von Unterlagen bekräftigt, die in Raten erhaltenen Beträge zum Lebensunterhalt verwendet habe, da der ihr gezahlte Unterhalt nicht bedarfsdeckend gewesen sei. Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Die (erhöhte) Klage sei nicht erfolgversprechend, da er, wie angekündigt, die Einrede der Verjährung erheben werde.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft. Ob sie dadurch, daß die Beschwerdeführerin für fast 2 Jahre die Sache nicht betrieben hat, verwirkt ist, kann dahingestellt bleiben, ebenso, ob die vorgetragene Darstellung über die Verwendung der vorhandenen Mittel ausreicht, ihre Kostenarmut darzutun. Die Beschwerde erweist sich jedenfalls aus einem anderen Grund als unbegründet. Die Rechtsverfolgung der Antragstellerin ist nämlich deshalb mutwillig, da der Antragsgegner die Erhebung der Einrede der Verjährung gegen den erhöhten Anspruch angekündigt hat, wobei nach Lage der Dinge kein ernstlicher Zweifel bestehen kann, daß diese Ankündigung auch wahr gemacht wird. Offenbar ist die Einrede der Verjährung nur deshalb noch nicht erhoben worden, weil der Antragsgegner die Rechtsauffassung vertritt, dies sei als prozessuale Einrede erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit veranlasst.

Die Einrede der Verjährung wird einen etwa bestehenden, den Betrag von 200.000,-- DM, für den bereits Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, übersteigenden Anspruch zu Fall bringen. Unter diesen Voraussetzungen würde eine nicht kostenarme Partei keine Mittel zur Durchsetzung eines solchen Anspruchs aufwenden, weshalb die Rechtsverfolgung, die nach diesem Maßstab zu bemessen ist, sich als mutwillig darstellt.

Die Einrede der Verjährung wird aller Voraussicht nach durchgreifen. Zwar hat die erstinstanzlich erhobene Stufenklage vor ihrer Bezifferung die Wirkung, daß der gesamte Zugewinnausgleichsanspruch in der jeweils bestehenden Höhe, auch unabhängig von dem vorgestellten Erfolg des in erster Stufe verfolgten Auskunftsanspruchs, rechtshängig wird mit der Folge, daß damit die Verjährung unterbrochen wird. Nach Bezifferung und Konkretisierung des Anspruchs wirkt die Unterbrechung jedoch nur (noch) in Höhe des jetzt bezifferten Anspruchs (vergl. BGH FamRZ 1992, 1163, 1164). Der Kläger der Stufenklage wird also, was die Wirkungen der Rechtshängigkeit betrifft, mit Bezifferung so behandelt, als sei die Klage von vornherein in dieser Höhe als bezifferte Klage erhoben worden.

Wegen des weitergehenden Anspruchs ist mit dem Zeitpunkt, zu dem die Antragstellerin von der eingetretenen Rechtskraft des Scheidungsurteils und damit von der Beendigung des Güterstand Kenntnis erlangt hat, was nach Lage der Dinge nicht lange nach Erteilung des Rechtskraftattests am 13.07.1990 der Fall gewesen sein dürfte, die Verjährungsfrist gemäß § 1378 Abs. 4 BGB in Lauf gesetzt worden. Irgendwelche die Verjährung unterbrechende Ereignisses sind in der Folgezeit nicht eingetreten. Die angekündigte Erhebung der Verjährungseinrede wird damit den Klageanspruch, soweit hier zu behandeln, zu Fall bringen.

Entgegen der in dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 20.05.1997 angedeuteten Auslegung ist die Bezifferung mit Schriftsatz vom 27.10.1989 nicht so zu verstehen, als sei damit lediglich eine vorläufige Bezifferung erfolgt, während im übrigen die Rechtshängigkeit der Klage als unbestimmte Leistungsklage erhalten bleiben sollte. Eine solche Auslegung ist zwar verfahrensrechtlich möglich (als Kombination aus bezifferter Klage und Stufenklage mit noch unbezifferter Leistungsstufe, BGHZ 107, 236,239) wäre aber prozessual sinnlos, da dann über einen derartig vorläufig bezifferten Anspruch als Teil eines weiterhin verfolgten aber noch nicht bezifferten Anspruchs eine Entscheidung des Gerichts nicht möglich wäre. Ein Teilurteil, als was sich in dem so gedachten Fall die erstrebte Entscheidung darstellen würde, ist nämlich nur möglich, wenn der Streitgegenstand auch teilbar ist. Dies ist bei einem Zugewinnausgleichsanspruch als ein einheitlicher Saldoanspruch nicht der Fall. Es ist deshalb nicht möglich, im Wege des Teilurteils über einen Teil des rechtshängigen Anspruchs zu entscheiden, während im übrigen das Verfahren fortgesetzt werden soll (sogenanntes "horizontales" Teilurteil, BGH a.a.O.S.242). Da über einen mit einer derartigen vorläufigen Bezifferung verfolgten Anspruch eine Entscheidung gar nicht möglich ist, hätte ein solches prozessuales Vorgehen keinen Sinn. Da im Zweifel einer prozessualen Erklärung bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten die sinnvolle Bedeutung beizumessen ist, könnte der Schriftsatz mit Bezifferung nur dann als eine nur vorläufige Bezifferung in dem vorgestellten Sinne darstellen, wenn eine solche Absicht eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Die Erklärung stellt nach ihrem natürlichen Sinn die Bezifferung des zunächst unbezifferten Leistungsanspruchs dar. Diese Auslegung wird noch verstärkt durch eine Erklärung in einem Schriftsatz der Antragstellerin vom 24.01.1990 (Bl. 439 d.A.), mit der sie sich gegen die (beabsichtigte) Feststellungswiderklage des Antragsgegners gewandt hat. Danach hat sie die gegenüber ihrem materiellrechtlichen Anspruch deutlich geringere Bezifferung als Berücksichtigung des damit verbundenen Prozeßrisikos ausgedeutet und sich im übrigen wegen der errechneten höheren Forderung lediglich vorbehalten, die Klage je nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme später zu erhöhen.

Dies ist in der Tat die nächstliegende und vernünftige Auslegung ihres prozessualen Begehrens. Während es aus den geschilderten prozessualen Gründen nicht möglich ist, im Rahmen eines einheitlichen Anspruchs eine Entscheidung über einen Teilbetrag bei fortbestehender Rechtshängigkeit im übrigen herbeizuführen, da dies zu möglicherweise widersprüchlichen Ergebnissen der unterschiedlich in Rechtskraft erwachsenden Teilentscheidungen führen könnte, ist es durchaus möglich und bei gegebenen Voraussetzungen auch sinnvoll, von einem höheren Anspruch nur einen Teilbetrag einzuklagen und sich die Mehrforderung im Wege der Klageerhöhung oder einer späteren gesonderten Klage vorzubehalten. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit betreffen damit aber nur den eingeklagten Teil der Forderung, nicht den Anspruch im übrigen, mögen auch die tatsächlichen Feststellungen, die im Prozeß geprüft werden, die gleichen sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 127 Abs.4 ZPO.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker