OLG Frankfurt vom 20.01.2017 (1 WF 182/16)

Stichworte: Ermessen; Beschwerdegericht; Kosten; Vaterschaftsfeststellungsverfahren
Normenkette: FamFG 81
Orientierungssatz:
  • Ermessensentscheidungen des Familiengerichts unterliegen in vollem Umfang der Nachprüfung des Beschwerdegerichts. Hatte der Vater vor Einleitung eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft, so kann es, vorbehaltlich der weiteren Umstände des Einzelfalles, der Billigkeit entsprechen, eine anteilige, d.h. hälftige Kostenverteilung zwischen den beteiligten Eltern vorzunehmen.
  • 32 F 100/16
    AG Seligenstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    pp.

    hat das Oberlandesgericht, 1. Senat für Familiensachen, auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Seligenstadt vom 26.7.2016 (Geschäftsnummer 32 F 100/16 AB) am 20. Januar 2017 beschlossen:

    Der Beschluss wird hinsichtlich seines Ausspruchs zur Kostentragungspflicht abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Eltern je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Eltern je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Der Beschwerdewert wird auf 387 € festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    In dem vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es um die Frage der Kostentragungspflicht bezüglich eines erstinstanzlich geführten Vaterschaftsfeststellungsverfahrens.

    Am xx.xx.2015 wurde das Kind xxx geboren. Die Mutter, die Beteiligte zu 3.) und der Beteiligte zu 2.), der mittlerweile die Vaterschaft zu Urkunden-Reg. Nr. xxx des Kreisjugendamts Offenbach anerkannt hat, hatten in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr. Die Mutter lebt mittlerweile mit ihrem Lebensgefährten zusammen, den sie aus einer Zeit kennt, die vor der gesetzlichen Empfängniszeit liegt.

    Der Vater hatte auf die Aufforderung vom xxx hin dem Jugendamt gegenüber geäußert, er habe Zweifel an der Vaterschaft und wolle diese durch einen außergerichtlichen Vaterschaftstest geklärt wissen, bevor er die Vaterschaft anerkenne. Die Mutter hat einem außergerichtlichen Vaterschaftstest nicht zugestimmt, sodass das Jugendamt den verfahrenseinleitenden Antrag bei dem Familiengericht gestellt hat.

    Das Gericht hat die Eltern vernommen und ein Sachverständigengutachten eingeholt mit dem Ergebnis, dass die Vaterschaft des Beteiligten zu 2.) praktisch erwiesen ist. Daraufhin hat der Beteiligte zu 2.) die Vaterschaft anerkannt, woraufhin das Jugendamt mitgeteilt hat, das Verfahren sei nun erledigt.

    Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Beschluss die Kosten des Verfahrens gemäß den §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1 FamFG dem Beteiligten zu 2.) allein auferlegt.

    Hiergegen wendet sich der Vater mit seiner Beschwerde, mit der er geltend macht, er habe insofern nicht oder nicht allein zum Verfahren Anlass gegeben, als er dem Jugendamt gegenüber mitgeteilt habe, er wolle vor einer Anerkennung der Vaterschaft die Vaterschaft durch einen Vaterschaftstest geklärt wissen, da er Zweifel an seiner Vaterschaft habe.

    Das Jugendamt wendet ein, die Mutter habe nachvollziehbare Gründe:gehabt, einem außergerichtlichen Vaterschaftstest nicht zuzustimmen.

    II.

    Die Beschwerde ist zulässig gemäß den §§ 58 ff. FamFG.

    Die Beschwerde ist zunächst statthaft gemäß § 58 Abs. 1 FamFG, denn in der isolierten Kostenentscheidung des Familiengerichts nach §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1 FamFG ist eine Endentscheidung im Sinne der §§ 58 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 FamFG zu sehen (BGH FamRZ 2013, 1876; Heilmann/Dürbeck, Praxiskommentar zum Kindschaftsrecht 2015, § 58 FamFG Rn. 3, 6; Zöller/Feskorn, ZPO, 31. Auflage 2016, Rn. 4).

    Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere scheitert sie nicht daran, dass der Beschwerdewert i.S.v. § 61 Abs. 1 FamFG von 600 € nicht erreicht wäre. Vorliegend beträgt der Beschwerdewert 387 €, denn er richtet sich nach dem Kosteninteresse des Beschwerdeführers, der, anstatt einer alleinigen Kostentragungspflicht seinerseits, erreichen will, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden, d.h. er begehrt eine Kostenentscheidung, bei der die Gerichtskosten und die –auslagen (unter den Eltern) hälftig geteilt werden und im Übrigen jeder seiner außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. zur Begrifflichkeit § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO). Sein Kosteninteresse liegt also der Höhe nach in der Hälfte der gerichtlichen Kosten und Auslagen.

    Zwar wäre nach § 61 Abs. 1 FamFG eine Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn, was hier nicht der Fall ist, der Beschwerdegegenstand 600 € übersteigt; insofern gab es früher einen Meinungsstreit dahingehend, ob es sich bei der Anfechtung einer (isolierten) Kostenentscheidung nicht auch um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt; diese Frage ist jedoch vom BGH in seiner Entscheidung vom 25.9.2013 (FamRZ 2013, 1876) zur Überzeugung des Senats dahingehend entschieden worden, dass es zur Anfechtung einer Kostenentscheidung, die in einer Nichtstreitsache getroffen wurde, keiner wertmäßigen Beschwer bedarf.

    Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Vorliegend hat sich das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft für den Antragsteller erledigt i.S.v. § 83 Abs. 2 FamFG, sodass nur noch nach § 81 FamFG über die Kosten des Verfahren zu entscheiden war, denn der Beschwerdeführer hat nach Vorlage des Sachverständigengutachtens die Vaterschaft durch Erstellung einer Jugendamtsurkunde anerkannt.

    Gemäß § 81 Abs. 1 FamFG entscheidet das Familiengericht über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen, wobei die Ermessensausübung in den Fällen des § 81 Abs. 2 FamFG eingeschränkt ist (BGH FamRZ 2014, 744, zitiert nach juris Rn. 11); ein Fall des Abs. 2 liegt hier aber nicht vor.

    Als Beteiligte i.S.d. § 81 Abs. 1 FamFG kommen zunächst grundsätzlich alle Beteiligten (§ 7 FamFG) eines familiengerichtlichen Verfahrens in Betracht (Heilmann/Dürbeck, a.a.O., § 81 Rn. 8), in Abstammungssachen gilt die besondere Vorschrift des § 172 FamFG, d.h. Beteiligte sind hier das Kind, die Mutter und der (mögliche) Vater. Dritte können gemäß § 81 Abs. Abs. 4 FamFG nur ausnahmsweise herangezogen werden.

    Das Familiengericht hat sein Ermessen hier dahingehend ausgeübt, dass es dem Antragsgegner die Verfahrenskosten allein auferlegt hat, da er aufgrund seiner vorgerichtlichen Weigerung, die Vaterschaft anzuerkennen, Anlass zu dem Verfahren gegeben habe.

    Dieser Ermessensausübung folgt der Senat hingegen nicht. Vielmehr waren die Kosten vorliegend nach billigem Ermessen zwischen den Eltern hälftig zu teilen.

    Der bislang in Rechtsprechung und Literatur geführte Meinungsstreit dahingehend, ob eine vom Amtsgericht getroffene Ermessensentscheidung vollständig durch die nächsthöhere Instanz überprüft werden oder ob die Ermessensentscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüft werden darf, ist spätestens in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 18 VersAusglG vom 12.10.2016 überzeugend beantwortet worden (FamRB 2017, 7, zitiert nach juris Rn. 8; siehe aber auch bereits BGH FamRZ 2014, 744, zitiert nach juris Rn. 14 f.; wo der BGH vom Ermessen des Tatrichters spricht und damit, wie aus dem nächsten Absatz hervorgeht, auch das Beschwerdegericht meint, Rn. 15). In der Entscheidung vom 12.10.2016 führt der BGH aus, eine eigene Ermessensentscheidung obliege nicht nur dem Familiengericht in erster Instanz, sondern auch dem Oberlandesgericht als Beschwerdeinstanz. Das Beschwerdegericht sei nicht darauf beschränkt zu überprüfen, ob ein Ermessensfehlgebrauch des Familiengerichts vorliegt, sondern es habe sein Ermessen selbst auszuüben. In einer weiteren Entscheidung vom 23.11.2016, ebenfalls zu § 18 VersAusglG, spricht der BGH vom „tatrichterlichen“ Ermessen (des Beschwerdegerichts) und folgt damit einer weit verbreiteten Ansicht, nach der dem Beschwerdegericht deswegen eine vollständige eigene Ermessensausübung obliege, weil es eine vollständige, gleichwertige zweite Tatsacheninstanz sei (vgl. statt vieler Heilmann/Dürbeck, a.a.a., § 68 FamFG Rn. 14).

    Bei der somit vom Senat vorzunehmenden Ermessensentscheidung sind sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen, d.h. es gibt kein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wie etwa in den Familienstreitsachen, welches sich z.B. nur nach dem Obsiegen und Unterliegen im Verfahren richtet (BGH FamRZ 2014, 744, zitiert nach juris Rn. 11, 13, 16; BGH FamRZ 2015, 570; OLG Nürnberg FamRZ 2016, 1482; Heilmann/Grün, a.a.O., § 183 Rn. 19). Hatte der Vater vor Einleitung eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens - berechtigte -Zweifel an seiner Vaterschaft, so kann es, vorbehaltlich der weiteren Umstände des konkreten Einzelfalles, berechtigt sein, eine Kostenverteilung zwischen den beteiligten Eltern vorzunehmen, bei der sie anteilig für die Kosten des Verfahrens einzustehen haben. So liegt der Fall hier.

    Der mittlerweile als Vater feststehende Antragsgegner hatte zwar nicht bestritten, mit der Mutter in der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt zu haben; auch hatte die Mutter immer angegeben, in dieser Zeit nur mit ihm geschlechtlich verkehrt zu haben. Der Antragsgegner durfte aber berechtigterweise Zweifel an seiner Vaterschaft haben, da die Beziehung zur Mutter nach seinen unbestritten gebliebenen Angaben in der maßgeblichen Zeit keine durchgängige war und zudem die Mutter kurz nach der Beendigung der Beziehung mit eben dem Mann eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, den sie vor der gesetzlichen Empfängniszeit, d.h. Anfang des Jahres 2014 kennengelernt hatte. Diese Besonderheit führt dazu, dass der Antragsgegner aus nachvollziehbaren Gründe:n die Vaterschaft nicht ohne weiteres, d.h. nicht ohne einen Vaterschaftstest anerkennen wollte. Dafür, dass die Mutter sich ihrerseits nicht auf die Durchführung eines außergerichtlichen Vaterschaftstests einlassen wollte, hat wiederum sie nachvollziehbare Gründe:angegeben, sodass im Ergebnis eine hälftige Verteilung der Gerichtskosten und –auslagen zwischen den Eltern als angemessen erscheint, wobei nicht unberücksichtigt zu bleiben hat, dass die Vaterschaftsfeststellung letztlich auch im Interesse des gemeinsamen Sohnes erfolgt ist.

    Ein Anlass, vorliegend auch das minderjährige Kind anteilig mit einer Kostentragungspflicht zu belasten, bestand schon mit Blick auf das Alter des Kindes, aber auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände nicht.

    Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 81 Abs. 1 FamFG. Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse (§§ 40 Abs. 1 S. 2, 37 Abs. 2 FamGKG).

    Fischer Prof. Dr. Heilmann Wegener