OLG Frankfurt vom 06.10.2003 (1 WF 176/03)

Stichworte: Kilometerpauschale nachgeborenes Kind,Leitungsfähigkeit
Normenkette: BGB 1578, 1581
Orientierungssatz: 1) Da die Kilometerpauschale zur Berechnung der beruflich notwendigen Fahrtkosten einen Anteil für Anschaffung des Fahrzeugs enthält, kann dieser nicht zusätzlich zu den Anschaffungskosten verlangt werden. Bei entsprechend großer Entfernung (mehr als 30 km einfach bei einer Benutzung von 220 Tagen entsprechend den Unterhaltsgrundsätzen des Oberlandesgerichts) kann davon ausgegangen werden, dass der gesamte Aufwand für die Anschaffung des Fahrzeugs in der Kilometerpauschale enthalten ist. Bei geringerer Entfernung ist dies nicht der Fall, so dass die insoweit anteilige Privatnutzung wie unvermeidliche Privatschulden zu berechnen sind. In diesem Fall kann es angezeigt sein, die Kreditkosten insgesamt abzuziehen, jedoch die Kilometerpauschale entsprechend zu reduzieren, da damit nur die reinen Betriebskosten abzudecken sind. 2) Unterhaltsaufwendungen für ein nach rechtskräftiger Scheidung geborenes Kind des unterhaltspflichtigen Ehegatten sind nicht eheprägend, müssen aber, da und solange keine zusätzlichen nichtprägenden Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen, unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. Nur im Wege des Vorwegabzugs dieses Kindes bleibt der Halbteilungsgrundsatz (§ 1581 BGB) gewahrt. Die Aufwendungen für dieses nachgeborene Kind wirken sich also im Ergebnis wie eine zusätzliche berücksichtigungsfähige Kreditbelastung oder Einkommensminderung aus.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - Einzelrichter - auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 31.03.2003 am 06.10.2003 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Bescheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Weilburg zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe für seine ursprünglich auch gegen den gemeinsamen Sohn X, den bisherigen Beklagten zu 2., gerichtete Klage, Vollstreckungsabwehrklage und Abänderungsklage, mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert. Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Gesuchs insoweit, als es die Abänderungsklage gegen die (jetzt alleinige) Beklagte betrifft. Das Verfahren im übrigen hat er für erledigt erklärt. Die Beschwerde, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.08.2003 mit weiterer Begründung nicht abgeholfen hat, ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache vorläufig Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Das Amtsgericht hat das Nettoeinkommen der Beklagten mit monatlich 1.300,00 EUR (Erwerbseinkommen) angenommen, was von dieser zwar in Zweifel gezogen, aber zugunsten des Klägers im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zugrundegelegt wird. Dem hat es ein Nettoeinkommen des Klägers, errechnet für die Zeit von August 2002 bis Juli 2003, nach Abzug von Bereinigungsposition in Höhe von 1.518,00 EUR monatlich gegenübergestellt, woraus sich der titulierte Ehegattenunterhalt von monatlich 94,59 EUR nach wie vor rechtfertige.

Hierbei hat es die von dem Kläger geltend gemachten Kreditbelastungen nicht berücksichtigt, da deren Notwendigkeit nicht belegt sei. Dies sei aber erforderlich, da es sich um Verbindlichkeiten aus der Zeit nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe handele.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, wonach Verbindlichkeiten, wie hier, die nicht eheprägend sind, unter einem strengen Maßstab auf Notwendigkeit zu überprüfen sind, bevor sie als einkommensmindernde und damit die Leistungsfähigkeit einschränkende (§ 1581 BGB) Belastungen anerkannt werden können. Hinsichtlich des Bewertungsmaßstabs überspannt jedoch das Amtsgericht nach Auffassung des Senats die Anforderungen an die Darlegung der Notwendigkeit, jedenfalls in dem hier gebotenen milderen Maßstab der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Wie von ihm vorgetragen und auch unstreitig, ist der Kredit bei der Volkswagenbank in Höhe von (jeweils rund) 150,00 EUR monatlich zum Erwerb eines beruflich benötigten PKW's aufgenommen worden. Da mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass ihm sonstige Mittel zum Erwerb dieses Fahrzeugs nicht zur Verfügung standen, ist dieses damit für die Erzielung seiner Erwerbseinkünfte notwendig und berücksichtigungsfähig. Dasselbe gilt für den weiteren Kredit bei der Y-Bank in Höhe von monatlich 259,00 EUR, der zum Erwerb eines neuen PKW's aufgenommen wurde, nachdem das ursprüngliche Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall total beschädigt worden ist. Setzt man diese Verbindlichkeiten von dem vom Amtsgericht errechneten Einkommen ab, verbleibt kein für die Zahlung von Aufstockungsunterhalt heranzuziehender Einkommensunterschied.

Allerdings enthält die Kilometerpauschale zur Berechnung der beruflich notwendigen Fahrtkosten einen Anteil für Anschaffung des Fahrzeugs, der deshalb nicht zusätzlich zu den Anschaffungskosten verlangt werden kann. Bei entsprechend großer Entfernung (mehr als 30 km einfach bei einer Benutzung von 220 Tagen entsprechend den Unterhaltsgrundsätzen des Oberlandesgerichts) kann davon ausgegangen werden,

dass der gesamte Aufwand für die Anschaffung des Fahrzeugs in der Kilometerpauschale enthalten ist. Bei - wie hier - geringerer Entfernung ist dies nicht der Fall, so dass die insoweit anteilige Privatnutzung wie unvermeidliche Privatschulden zu berechnen sind. In diesem Fall ist es angezeigt, die Kreditkosten insgesamt abzuziehen, jedoch die Kilometerpauschale entsprechend zu reduzieren, da damit nur die reinen Betriebskosten abzudecken sind. Setzt man damit von den berücksichtigten Fahrtkosten nur die Hälfte an, verbleibt insoweit ein abzugsfähiger Betrag von 59,00 EUR monatlich. Dies ändert jedoch an dem Gesamtergebnis nichts.

Zutreffend ist auch, dass das Amtsgericht in seiner Einkommensberechnung den Unterhaltsbedarf für das aus der jetzigen Verbindung des Klägers hervorgegangene Kind im Wege des Vorwegabzugs bei seiner Einkommensberechnung berücksichtigt hat. Zwar sind die Aufwendungen für dieses Kind nicht eheprägend, müssen aber, da und solange keine zusätzlichen nichtprägenden Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen, unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. Nur im Wege des Vorwegabzugs dieses Kindes bleibt der Halbteilungsgrundsatz (§ 1581 BGB) gewahrt. Die Aufwendungen für dieses nachgeborene Kind wirken sich also im Ergebnis wie eine zusätzliche berücksichtigungsfähige Kreditbelastung oder Einkommensminderung aus.

Für die Zeit vor der Geburt dieses Kindes im Juli 2003 ist diese Position zwar nicht abzugsfähig, so dass sich insoweit das errechnete Einkommen um den Betrag für Kindesunterhalt erhöht. Für die zurückliegende Zeit waren jedoch auch die Einkünfte des Klägers noch niedriger. Nach den insoweit übereinstimmenden Berechnungen in der Klageschrift und dem Schriftsatz der Beklagten vom 05.03.2003 betrug zu dieser Zeit das Nettoeinkommen des Klägers durchschnittlich 1.790,00 EUR monatlich. Die ihm in diesem Zeitraum ausgezahlte Steuererstattung ist nicht hinzuzurechnen, da sie, wie von ihm im Laufe des Verfahrens nachgewiesen, zu ganz überwiegendem Teil auf den erheblichen Fortbildungskosten des Klägers, die steuerlich als Werbungskosten berücksichtigt worden sind, beruhen. Da diese in der Unterhaltsberechnung nicht als Abzugsposition anerkannt worden sind, kann auch der darauf hinfallende Steuervorteil nicht dem Einkommen zugerechnet werden. Setzt man von diesem Einkommen die genannten Kreditverbindlichkeiten von 259,00 EUR und 150,00 EUR sowie die Hälfte der Fahrtkosten von 59,00 EUR ab, verbleiben monatlich 1.322,00 EUR und damit nicht wesentlich mehr als das für die Beklagte angenommene Erwerbseinkommen.

Der Rechtsverfolgung des Klägers kann damit die erforderliche Erfolgsaussicht nicht von vornherein abgesprochen werden.

Zur Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen der beantragten Prozesskostenhilfe, die das Amtsgericht - folgerichtig - nicht geprüft hat, verweist der Senat die Sache an dieses zurück (§ 572 Abs. 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Juncker