OLG Frankfurt vom 23.09.2002 (1 WF 172/02)

Stichworte: Versorgungsausgleich, einstweilige Anordnung
Normenkette: BGB 1587ff, ZPO 621g
Orientierungssatz: Im Verfahren über den versicherungsrechtlichen Versorgungsausgleich sind einstweilige Anordnungen unzulässig.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main - Abt. Höchst - vom 29.07.2002 am 23.09.2002 beschlossen

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 370,-- EUR.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil vom 29.11.1994 bei Scheidung der Ehe Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 349,33 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.08.1993, zu Gunsten der Antragsgegnerin begründet. Inzwischen beziehen beide Parteien eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren beim Amtsgericht beantragt der Antragsteller eine Abänderung nach § 10a VAHRG. Im Rahmen dieses Verfahrens hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, dahingehend, dass analog § 10b VAHRG hinsichtlich der Durchführung des Versorgungsausgleich ein Zahlungsverbot erlassen werden solle.

Das Amtsgericht hat im Hauptsacheverfahren die Einholung neuer Auskünfte der BfA angeordnet. Diejenige für die Antragsgegnerin liegt vor, die für den Antragsteller noch nicht. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Die nach § 19 FGG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsgrundlage abgelehnt.

Allerdings ist im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass das Gericht einstweilige Anordnungen erlassen kann, auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt. Im Bereich der Familiensachen galt dieser Grundsatz insbesondere in isolierten Verfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 1-3 ZPO. Insoweit fehlte bis zum 01.01.2002 eine gesetzliche Regelung. Demgegenüber gab es spezielle gesetzliche Regelungen in den Familiensachen des § 621 Nr. 7 ZPO in der Hausratsverordnung. Im Bereich des Versorgungsausgleichs besteht nach wie vor eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass einstweiliger Anordnungen in Verfahren über den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gem. § 3a Abs. 9 VAHRG. Für den Bereich des versicherungsrecht-lichen Versorgungsausgleichs, um den es hier geht, ist die Auffassung nicht vertreten worden, dass durch einstweilige Anordnungen im laufenden Versorgungsausgleichsverfahren in die Höhe von Rentenzahlungen der Versicherungsträger eingegriffen werden könnte.

Dem System des versicherungsrechtlichen Versorgungsausgleichs sind vorläufige Regelungen fremd. Selbst Hauptsacheentscheidungen können vor Eintritt der formellen Rechtskraft keine Wirkungen entfalten (§ 53g Abs. 1 FGG). Die Gestaltungswirkung der Entscheidungen soll erst eintreten, wenn eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Durch Art. 4 des Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11.12.2001 hat der Gesetzgeber in Art. 4 die bisher bestehende Lücke in den gesetzlichen Regelungen einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der dem FGG unterliegenden Familiensachen durch Ein-führung des § 621g ZPO geschlossen. Nach dieser Vorschrift können in den Familiensachen nach § 621 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder 7 einstweilige Anordnungen erlassen werden. Damit hat der Gesetzgeber die bisherige wohnheitsrechtlich anerkannten einstweiligen Regelungen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem Recht der einstweiligen Anordnungen in Ehesachen nach der ZPO unterstellt. Hätte der Gesetzgeber auch einstweilige Anordnungen im Bereich des Versorgungsausgleichs - über den bereits geregelten Fall des § 3a Abs. 9 VAHRG hinaus - zulassen wollen, hätte es nahe gelegen, dies bei der Fassung von § 621g ZPO zum Ausdruck zu bringen. Dafür, dass die Erwähnung von § 621 Nr. 6 ZPO bei der Fassung des neuen § 621g ZPO versehentlich unterblieben wäre, be-stehen keine Anhaltspunkte. Vom Gegenteil ist auszugehen, da auch zuvor es nicht der gerichtlichen Praxis entsprach in Versorgungsausgleichsverfahren - abgesehen vom Bereich des § 3a Abs. 9 VAHRG - einstweilige Anordnungen zu erlassen.

Der Antragsteller kann sein Begehren auch nicht auf eine entsprechende An-wendung von § 10d VAHRG stützen. Diese Vorschrift ermächtigt nicht zum Erlass einstweiliger Anordnungen oder sonstiger Entscheidungen des Familiengerichts sondern normiert unmittelbar, unter welchen Voraussetzungen der Versorgungsträger verpflichtet ist, Zahlungen zu unterlassen. Diese Verpflichtung folgt un-mittelbar aus dem Gesetz und kann sich nicht aus einer Anordnung durch das Familiengericht herleiten. Streitigkeiten über das Ausmaß dieser Verpflichtung sind vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auszutragen.

Selbst wenn eine einstweilige Anordnung im vorliegenden Fall grundsätzlich zulässig wäre, bestünde kein Anlass zum Erlass einer solchen. Solange die Rentenauskunft für den Antragsteller nicht vorliegt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Rentenanwartschaft zum Ende der Ehezeit niedriger zu bewerten wäre als im Ausgangsverfahren. Soweit er damit argumentiert, dass die der Ausgangsentscheidung zu Grunde gelegten Rentenanwartschaften aus der Ehezeit teil-weise bei der Bemessung der Erwerbsunfähigkeitsrente unberücksichtigt ge-blieben sind und erst bei der Altersrente Berücksichtigung finden würden, kann sich daraus keine Abänderung der Ausgangsentscheidung zu seinen Gunsten ergeben. Maßgebend sind die Anwartschaften auf die Altersrente (§ 1587a Abs. 2 Nr. 2 VAHRG).

Allerdings ergibt sich aus der bereits vorliegenden Auskunft der BfA für die Antragsgegnerin eine höhere Bewertung ihrer ehezeitbezogenen Rentenanwartschaft als im Ausgangsverfahren. Während diese Anwartschaft damals mit 209,37 DM, also 107,05 EUR, ermittelt war, ist nach der neuen Auskunft auf Grund geänderter rentenrechtlicher Bestimmungen von einer Anwartschaft von 137,82 EUR auszugehen. Dies ist ein Mehrbetrag von 30,77 EUR, welcher bei unterstelltem unveränderten Wert der Anwartschaft des Antragstellers zu einer Reduzierung des Versorgungsausgleichsbetrags um 15,39 EUR, bezogen auf das Ende der Ehezeit, führen würde. Die in der Ausgangsentscheidung übertragenen Anwartschaften von 349,33 DM monatlich entsprechen 178,61 EUR. Ein Änderungsbetrag von 15,39 EUR würde die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % nach § 10a Abs. 2 VAHRG nicht erreichen, so dass nach den derzeitigen Erkenntnissen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es im Hauptsacheverfahren zu einer Abänderung kommen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 S. 2 FGG. Die Wertfestsetzung orientiert sich am Jahresbetrag der vom Antragsteller angegriffenen Renten-kürzung durch den Bescheid vom 30.05.2002, wobei der Wert mit nur etwa 1/5 hiervon angesetzt worden ist, da nur eine vorläufige Regelung beantragt war.

Juncker Michalik Noll