OLG Frankfurt vom 09.08.2000 (1 WF 147/00)

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussicht Anschrift, Klage, Zulässigkeit
Normenkette: ZPO 114
Orientierungssatz: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zur ordnungsgemäßen Klageerhebung...grundsätzlich auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers mit der Folge, dass die Klage unzulässig ist, wenn die Anschrift schlechthin und ohne zureichenden Grund verweigert wird (vgl. BGHZ 102, 332,335 f.; vgl. auch: BverfG, NJW 1996, S. 1272 f.)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 10.05.2000 am 9. August 2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Bescheidung an das Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden zurückverwiesen.

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht der Antragstellerin die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe für ihren Antrag auf Ehescheidung mit der Begründung verweigert, die erforderliche Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung bestehe schon deshalb nicht, weil die Anschrift der Antragstellerin unbekannt und der Schadensantrag daher unzulässig sei.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde, der das Amtsgericht mit Beschluß vom 13.06.2000 nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie hat auch in der Sache vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Die Verneinung der Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung lässt sich im vorliegenden Fall nicht mit der Begründung verweigern, der Scheidungsantrag sei unzulässig, weil die Anschrift der Antragstellerin unbekannt sei. Die Antragstellerin hat vorgetragen, der Antragsgegner habe sie laufend bedroht, von ihr Geld erpresst und sie auch körperlich angegriffen. Bei dem letzten Vorfall in der Nacht zum 27.03.2000, bei dem auch Polizeibeamte des 5. Polizeirevier in Wiesbaden und die Vermieterin der Parteien anwesend gewesen seien, sei die Antragstellerin vom Antragsgegner lautstark mit dem Tode bedroht und geschlagen worden. Diese Vorfall habe auch zur Kündigung des Mietverhältnisses durch die Vermieterin wegen unzumutbarer Belästigung geführt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zur ordnungsgemäßen Klageerhebung zwar grundsätzlich auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers mit der Folge, dass die Klage unzulässig ist, wenn die Anschrift schlechthin und ohne zureichenden Grund verweigert wird (vgl. BGHZ 102, 332, 335 f.; vgl. auch: BverfG, NJW 1996, S. 1272 f.). Hier hat die Antragstellerin jedoch durchaus hinreichende Gründe vorgetragen, die jedenfalls gegenwärtig die Geheimhaltung der derzeitigen Wohnanschrift der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner rechtfetigen.

Das Amtsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht geprüft, ob der von der Antragstellerin vor Ablauf der einjährigen Trennungszeit begehrte Scheidungsantrag wegen unzumutbarer Härte (§ 1565 Abs. 2 BGB) hinreichende Erfolgsaussicht hat.

Diese Prüfung überlässt der Senat dem Amtsgericht (§ 575 ZPO).

Dr. Eschweiler Michalik Carl